Frauenstimmrecht.Plakat.Nationalmuseum

Vor 50 Jahren siegten in der Schweiz die Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht und die Demokratie. © Nationalmuseum

Deshalb motivieren die Pionierinnen bis heute

Barbara Marti /  Über hundert Jahre lang kämpften engagierte Frauen in der Schweiz für das Frauenstimmrecht. Misserfolge entmutigten sie nicht.

«In der Frauenfrage, wissen Sie, da komme ich mir schon seit Jahrzehnten wie ein Wiederkäuer vor», schrieb die deutsche Frauenrechtlerin Hedwig Dohm vor über hundert Jahren. Ähnlich mag es den Pionierinnen ergangen sein, die in derselben Zeit in der Schweiz für das Frauenstimm- und Wahlrecht kämpften. Doch sie liessen sich trotz geringer Erfolgsaussichten nicht entmutigen.

Ein gemeinsames Ziel

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts forderten die ersten Frauen in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht. Ihr Werdegang, ihre Motivation und ihre Vorgehensweise waren unterschiedlich, doch sie hatten ein gemeinsames Ziel. Der Widerstand der Schweizerinnen und Schweizer war gross. Viele hielten damals die Forderung nach dem Frauenstimmrecht für unangebracht. Andere fanden sie verfrüht und deshalb taktisch unklug. Doch die Pionierinnen blieben bei ihrer Forderung. 

Pionierinnen in der Westschweiz

Zu ihnen gehörte die Genferin Marie Goegg-Pouchoulin (1826-1899). Sie initiierte 1868 die Gründung der «Association internationale des femmes», eine der ersten internationalen Frauenorganisationen. In ihrer Gründungsansprache forderte sie als eine der ersten in der Schweiz das Frauenstimm- und wahlrecht. 

Camille Vidart (1854-1930), Sprachlehrerin aus Genf, engagierte sich früh in der «International Woman Suffrage Alliance». Dieser Weltbund für Frauenstimmrecht konstituierte sich 1904 in Berlin. Auch andere Kämpferinnen für das Frauenstimmrecht in der Westschweiz hatten Kontakte zu Vertreterinnen von Frauenstimmrechtsbewegungen im Ausland und liessen sich von diesen inspirieren.

Die Gründung von Schweizer Stimmrechtsvereinen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in grossen Städten entstanden, wird auf diesen Einfluss zurückgeführt. So gehörte 1907 Camille Vidart zu den Mitgründerinnen des Genfer Frauenstimmrechtsvereins «Association genevoise pour le suffrage féminin». Sie war auch dabei, als 1909 der «Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht» ins Leben gerufen wurde. 

Pionierinnen in der Deutschschweiz

In der Deutschschweiz gehörte Meta von Salis (1855-1929), die erste promovierte Historikerin der Schweiz, zu den Pionierinnen. 1887, fast zwanzig Jahre nach der Ansprache von Marie Goegg-Pouchoulin schrieb sie einen Artikel für die Neujahrsausgabe der demokratischen Tageszeitung «Züricher Post». Unter dem Titel «Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau» forderte sie das Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Als eine der ersten argumentierte von Salis aufgrund liberaler Rechtsvorstellungen mit gleichen Rechten und Pflichten.

Auch die Zürcherin Klara Honegger (1860-1940) gehörte zu den Pionierinnen für das Frauenstimmrecht. Sie war unter anderem Präsidentin der «Union für Frauenbestrebungen Zürich» und 1909 Gründungsmitglied des «Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht». Die promovierte Lehrerin Emma Graf (1865-1926) war Präsidentin des «Frauenstimmrechtsvereins Bern» und des dortigen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht in Gemeindeangelegenheiten. In dieser Funktion konnte sie sogar einen bescheidenen Erfolg verbuchen. Das Aktionskomitee war im Hinblick auf eine Abstimmung der Burgergemeinde Bern 1916 gegründet worden. In der Abstimmung gestand die Burgergemeinde dann den Frauen das passive Wahlrecht in Kommissionen zu. 

Minderheit in der Frauenbewegung

Zu den Kämpferinnen für das Frauenstimm- und wahlrecht um die Jahrhundertwende gehörten noch weitere Frauen, doch sie waren eine kleine Minderheit in der schweizerischen Frauenbewegung. Nach ihrem Tod sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Frauen das volle Stimm- und Wahlrecht auch auf eidgenössischer Ebene erhielten. Vermutlich ahnten das einige der Pionierinnen. Als Camille Vidart 1930 starb, war sie angeblich von den Misserfolgen einiger kantonaler Abstimmungen über das Frauenstimmrecht und von zwei schubladisierten Vorstössen aus dem Nationalrat total frustriert. Andere hingegen gingen offenbar davon aus, dass sie kurz vor dem Ziel standen. Marie Goegg-Pouchoulin sei 1899 in dem «glücklichen Irrtum» gestorben, dass die Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz unmittelbar bevorsteht, schreibt Susanna Woodtli in ihrem Pionierwerk über das Frauenstimmrecht. Es sollte noch 72 Jahre dauern, bis die Schweiz 1971 das Frauenstimm- und Wahlrecht einführte.

Inspirierende Pionierinnen

Der Kampf für das Frauenstimmrecht zeigt beispielhaft, dass es mehrere Generationen dauern kann, bis ein emanzipatorisches Anliegen sich durchsetzt. Hedwig Dohm kannte den Grund: «Es liegt an der Taktik unserer Gegner, die wieder und wieder dieselben Behauptungen aufstellen, unter absoluter Ignorierung unserer Widerlegungen, und uns damit nötigen, das zehnmal Gesagte noch einmal zu sagen.» Der Rückblick zeigt aber auch, dass es sich lohnte, allen Widrigkeiten zum Trotz für das Frauenstimm- und wahlrecht zu kämpfen. Deshalb sind die Pionierinnen in ihrem Willen, sich für gleiche Rechte zu engagieren und «das zehnmal Gesagte noch einmal zu sagen», bis heute motivierend.

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Dieser Text ist erschienen in: Gruss aus der Küche. Texte zum Frauenstimmrecht, Hg. von Rita Jost und Heidi Kronenberg, Rotpunktverlag, CH-Zürich 2020, ISBN 978-3-85869-887-2, CHF 26.–/EUR 22.–


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Herausgeberin und Redaktorin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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