Chefredaktoren behaupten, Frauenquote zu erfüllen
Rund 350 deutsche Journalistinnen haben die Kampagne «Pro Quote – mehr Frauen an die Spitze» lanciert und verlangen, dass mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen in den nächsten fünf Jahren mit Frauen besetzt werden.
Mit der Frage «Schaffen Sie das?» haben sie in Deutschland 250 Chefredaktoren, Intendanten, Verleger und Herausgeber zur Stellungnahme aufgefordert. Bis Ende März haben fast nur diejenigen reagiert, welche in den Führungsetagen bereits dreissig Prozent Frauen angestellt haben. Führend ist die «Tageszeitung» TAZ. Sie hat schon seit Jahren auf allen Hierarchiestufen eine Frauenquote von 50 Prozent eingeführt und durchgesetzt. In ihrer Stellungnahme verdächtigt die TAZ andere Verlage, dass diese ihren Frauenanteil zu hoch angeben, indem sie zum Beispiel Chefsekretärinnen ebenfalls zum Kader zählen, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen.
Der Spiegel ist in Männerhand
Das Magazin «Der Spiegel» hat bisher an der Umfrage nicht teilgenommen. In einem Artikel hatte er geschrieben, dass es in der grossen Redaktion «lediglich drei stellvertretende Ressortleiterinnen» gebe. Die gesamte restliche redaktionelle Führungsebene inklusive der Chefredaktion sei «rein männlich» besetzt. Chefredaktor Georg Mascolo will trotzdem keine Quote: «Ich war und bin der Auffassung, dass die Quote in einem Unternehmen wie dem Spiegel nicht das richtige Instrument ist», sagte er an einer Podiumsdiskussion.
Die Zeit überlegt sich eine Frauenquote
Anders sein Kollege Giovanni di Lorenzo von der «Zeit»: Er sei bisher ein Gegner der Quote gewesen, bekennt er in einem Leitartikel. Er könne aber der «Realität» nicht ausweichen. Die Zeit für eine Quote sei gekommen: «Die Diskrepanz zwischen der Präsenz von Frauen und ihrer Beteiligung an der Macht in Redaktionen ist nicht zu rechtfertigen – selbst wenn man berücksichtigt, dass geeignete junge Frauen noch ein paar Jahre brauchen, um in leitende Positionen zu gelangen, und es hin und wieder auch Frauen gibt, die sich eine hierarchische Aufgabe nicht antun wollen.» Die «Zeit» erfülle die 30-Prozent-Quote fast. «Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Die Leitung so wichtiger Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Feuilleton oder Wissen ist fest in Männerhand.»
30 Prozent weibliche Führungskräfte beim Schweizer Fernsehen und Radio
Bei den Führungskräften der Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehens der Schweiz erreiche der Anteil der Frauen dreissig Prozent, erklärt Andrea Hemmi, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Zwischen Fernsehen und Radio liessen sich die Zahlen nicht mehr unterscheiden, weil es «konvergente Redaktionen» gebe, die sowohl für das Fernsehen als auch für das Radio arbeiteten.
Über den Frauenanteil unter Chefredaktionen und Ressortleitungen bei den Printmedien gibt es in der Schweiz keine Aufstellung.
Focus, RTL und WDR geben über dreissig Prozent an
Einen Anteil von dreissig Prozent erfüllt und «sogar überschritten» hat nach eigenen Angaben RTL-Chefredaktor Peter Klöppel: 33 Prozent der Führungspositionen seien mit Frauen besetzt. Im WDR sei die geforderte Quote «mehr als erfüllt», schreibt Intendantin Monika Piel.
Auch das Nachrichtenmagazin «Focus» habe die Quote erfüllt, sagt Burkhard Grassmann, Geschäftsführer der «Burda News Group». 36 Prozent der Führungskräfte seien weiblich. Unter den drei Mitgliedern der Chefredaktion und unter den drei Chefs vom Dienst befinde sich jeweils eine Frau.
Mehrere Chefs schreiben, dass sie Frauen fördern und das Problem der fehlenden Frauen auf den Führungsebenen deshalb bald keines mehr sein werde.
Die meisten andern haben einen geringen Frauenanteil
Nur wenige Medien haben den Fragebogen der Kampagne «Pro Quote – mehr Frauen an die Spitze» bisher beantwortet. Die meisten der Nicht-Antwortenden wissen, dass sie miserabel abschneiden würden. Denn in Deutschland sind insgesamt nur zwei Prozent aller Chefredaktionen der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen mit Frauen besetzt. Auch in den Redaktionen der Nachrichtenmagazine stehen fast nur Männer an der Spitze. Und nur drei Intendantinnen stehen an der Spitze der zwölf öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht».
Haben Printmedien keine Computer? Eigenartig? Vermutlich wollen sie es nicht wissen.