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Männy Alt © ps

Er hat das Leben für eine bessere Welt riskiert

Erich Schmid /  Der Schweizer Männy Alt: Er kämpfte in Spaniens Bürgerkrieg, war Parlamentarier und emigrierte frustriert in die Sowjetunion.

Wenige Jahre vor seinem Tod 1994 im Alter von 84 Jahren hat ihm Bundesrätin Ruth Dreifuss ihre Ehre erwiesen. Doch die Rehabilitierung der Schweizer Spanienkämpfer per Gesetz im Jahre 2009 erlebte er nicht mehr.
Männy Alt war ein Held des 20. Jahrhunderts. Er kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus und war überzeugt, dass dieses brutale System nur eine Sprache versteht: die des Widerstands, wenn nötig mit Waffengewalt. Später kämpfte er als linker Parlamentarier für mehr Gerechtigkeit, bis ihm der Kalte Krieg die Existenzgrundlage entzog. Auswandernd mit seiner Familie, suchte er in der Sowjetunion das Arbeiterparadies, und als er enttäuscht in die Heimat zurückkehren wollte, versuchten die schweizerischen Genossen dies zu verhindern.

Generalstreik und Massen-Arbeitslosigkeit

Geboren wurde Männy Alt am 15. Dezember 1910 im Eckzimmer des Restaurants Rössli in Füllinsdorf im Kanton Basel-Landschaft. Die Schrecken des Ersten Weltkriegs und der Generalstreik 1918 prägten sich tief in sein kind­liches Bewusstsein ein. Die Arbeitslosigkeit zu Beginn der 1930er-Jahre machte den gelernten Schlosser zum Gewerkschafter und aktiven Linken. 1933 wurde Alt mit einer Gewerkschaftsdelegation zu einer mehrwöchigen Reise in die Sowjetunion eingeladen. Wie er später immer wieder zu erzählen pflegte, war der Höhepunkt der Reise für ihn ein Tischgespräch, das er mit Nadeshda Krupskaja, der Schweizerdeutsch sprechenden Gattin Lenins, führen durfte.

Von einem Schweizer Militärgericht verurteilt

Als 1936 General Franco die demokratisch gewählte Republik angriff, reiste Männy Alt nach Spanien, um in den Internationalen Brigaden gegen die Faschisten zu kämpfen. Die Schlacht von Brunete und der Tod seiner jugend­lichen Kampfgefährten blieben ihm im Gedächtnis und riefen sich bis zu seinem eigenen Tod in Alpträumen im­mer wieder in Erinnerung. Zurück in der Schweiz wurde Alt wegen seines Engagements in Spanien von einem Militärgericht zu fünf Monaten Gefängnis unbedingt verurteilt und anschliessend in den Aktivdienst eingezogen.

Heirat mit verschleppter jungen Russin

1944 lernte Männy Alt Tanja Baklykowa kennen. Tanja Baklykowa war eine junge Russin, die als Zwangs­arbeiterin aus der Ukraine nach Treblinka verschleppt worden war. Dann wurde sie nach Stühlingen deportiert, nahe der Schweizergrenze, und wurde Opfer von Blutentnahmen für die deutsche Front. Dabei wurde sie immer wieder bewusstlos, bis ihr das polnische Krankenpersonal und ein junger deutscher Bauer zur Flucht in die Schweiz verhalfen. Sie kam in Männy Alts Nachbardorf. 1944 heiratete er sie, damit sie nach dem Krieg nicht wie viele andere Flüchtlinge nach Russland abgeschoben werden konnte.

Als kommunistischer Kantonsrat von der eigenen Gewerkschaft verstossen

Männy Alt war immer politisch und gewerkschaftlich aktiv, unter anderem als Mitbegründer der Arbeiter-Union in Füllinsdorf. 1943 wurde er Füllinsdorfer Gemeinderat und 1944 auf einer Gewerkschaftsliste in den Baselbieter Landrat gewählt. Später war er als Mitglied der PdA im Kantonsparlament. Als er trotz Friedensabkommen in der Metallindustrie den ersten schweizerischen Italienerstreik bei der Waggonfabrik Schindler in Pratteln anführte, wurde er von der eigenen Gewerkschaft verstossen und von den Arbeitgebern auf die «schwarze Liste» gesetzt. Er war ein Opfer der damaligen Konkurrenzkämpfe zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten und bekam keine Arbeit mehr.Dann zog er mit seiner Familie nach Genf, wo er zwischen 1952 und 1956 jede Dreckarbeit annehmen musste, um zu überleben.

Auch die Schweizer Kommunisten liessen ihn fallen

Das Heimweh seiner Frau Tanja Alt-Baklykowa und seine Hoffnungen auf ein besseres Leben in Russland bewogen Männy Alt, 1956, kurz vor dem sowjetischen Einmarsch in Ungarn, mit seiner Familie nach Schdanow (heute Mariupol) am Asowschen Meer zu emigrieren. Dort arbeitete er in einem grossen Stahlwerk, seine Frau auf der Krankenstation. Die Kinder besuchten die normalen sowjetischen Schulen. Doch die Träume vom Arbeiter­paradies wichen schon bald der Ernüchterung. Die fehlende Meinungsfreiheit setzte Männy Alt, dem früheren Parlamentarier, immer mehr zu. Er beschloss, in die Schweiz zurückzukehren. Doch da aktivierte die PdA-Füh­rung ihre Kanäle nach Moskau und versuchte, seine Ausreise aus Russland zu verhindern. Die Partei befürch­tete, dass er nach seiner Rückkehr in die Schweiz die Sowjetunion diskreditieren könnte. Zwei Jahre war die PdA-Obstruktion bei den Sowjets erfolgreich, bis Männy Alt mit seiner Familie illegal und unter erheblicher Gefahr durch halb Russland in die schweizerische Botschaft nach Moskau fliehen konnte.

Nach der Pensionierung noch zehn Jahre Ausläufer

1960 kehrte die Familie Alt in die Schweiz zurück. Männy Alt fand Arbeit bei Escher-Wyss in Zürich, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Der Preis für die Anstellung war die politische Enthaltsamkeit, die ihm sein neuer Arbeitgeber verordnete. Nach der Pensionierung musste er noch zehn Jahre als Ausläufer bei einer Bank arbeiten, da er nur ungenügend altersversorgt war. Seine letzten Jahre verbrachte Alt wieder in Füllinsdorf. Seine Frau Tanja war, durch die medizinischen Behandlungen der Nazis schwer gesundheitsgeschädigt, bereits im Jahr 1978 knapp 50jährig gestorben.

Sehr späte Genugtuung

Eine späte Genugtuung erhielt Männy Alt 1994, als er die Ehrung als Spanienkämpfer von Bundesrätin Ruth Dreifuss entgegennehmen durfte. Einen weiteren Höhepunkt erlebte er im November 1996, als er als Mitglied der Schweizer Delegation in Spanien mit über 400 überlebenden Veteranen aus den Internationalen Brigaden für seine Verdienste geehrt wurde. Hermann Alt verstarb am 5. November 2000 kurz vor seinem 90. Geburtstag.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Autor des Buches «In Spanien gekämpft, in Russland gescheitert - Hermann „Männy“ Alt (1910-2000). Als Autor und Filmemacher (Surava, Meier 19, Max Bill) habe ich Männy Alts Biografie anhand von Tonbandinterviews und Akten aus dem Nachlass aufgearbeitet und soeben beim Orell Füssli Verlag Zürich herausgebracht. Die Buchvernissage fand dieser Tage im Theater Neumarkt in Zürich im Rahmen einer szenischen Lesung mit Filmprojektionen und Schauspielern (u. a. Klaus Knuth) statt.

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