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Chinesische Studentinnen und Studenten: Mehr aus der Unterschicht als in der Schweiz. © cc

Chancengleichheit: Ostasien ist Weltmeister

Red. /  China, Vietnam, Singapur und Japan bieten die besten Chancen für sozialen Aufstieg. Die USA und Europa liegen zurück.

Der «amerikanische Traum» vom Arbeiterkind über den traditionellen Bildungsweg zum Manager zu werden, wird heute am ehesten in Ostasien verwirklicht. In der im Dezember 2016 veröffentlichten Pisa-Studie erzielten sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler in Vietnam, China (Macao, Hong Kong, Taipei, Jiangsu und Guangdong), Singapur und Japan die besten Ergebnisse. Die Pisa-Studien werden von der OECD (Organisation der industrialisierten Länder) durchgeführt und messen den Zustand der Bildungssysteme in 75 Staaten. Die Chancengleichheit im Bildungssystem ist ein neuer Fokus.

In den USA hat der «amerikanische Traum» gemäss den neuen Pisa-Ergebnissen nur noch wenig mit der Realität zu tun, unter anderem wegen horrender Studienkosten. In Europa findet man ein ähnlich hohes Mass an Bildungsgerechtigkeit wie bei den asiatischen Spitzenreitern lediglich in Estland und Dänemark. In Deutschland und Österreich beispielsweise ist der sozioökonomische Hintergrund (Geschlecht, sozialer Hintergrund und Migrationsbiographie) noch immer ein starkes Selektionskriterium im Bildungserfolg.
Schweiz für einmal nicht vorn
Auch in der Schweiz ist der soziale Hintergrund punkto Chancengleichheit ein starker Unterscheidungsfaktor. Es ist dreimal wahrscheinlicher, dass Schülerinnen und Schüler aus den oberen Schichten (sozioökonomisch Benachteiligte im OECD-Durchschnitt) das Grundkompetenzniveau im Bereich Naturwissenschaften erreichen, als dass dies Schülerinnen und Schülern aus den unteren Schichten gelingt. Um Abhilfe zu schaffen, empfiehlt die OECD einen Abbau der Unterteilung in verschiedene «Bildungsgänge oder Schultypen» vor allem in den ersten Jahren des Sekundarbereichs.

Asien: Bildung ist Arbeit
Wie Andreas Schleicher, Direktor für Bildung bei der OECD auf BBC online schrieb, ist es eine weit verbreitete Überzeugung in den meisten ostasiatischen Ländern, dass schulischer und beruflicher Erfolg vor allem das Resultat konsequenter Arbeit ist, und weniger von den Rahmenbedingungen des Elternhauses abhängt. Diese Haltung werde von Schülern, Eltern und Lehrern gleichsam aufgegriffen und in eine bildungspolitische Agenda umgeformt.
Die genannten ostasiatischen Staaten, plus Südkorea, gehören im Pisa-Test zu den besten 11 von 75 teilnehmenden Ländern und können diese Position bereits seit Jahren halten. Vor allem Singapur, das Land das insgesamt am besten abschneidet, hat einen klaren Vorsprung in den getesteten Bereichen Naturwissenschaften, Lesekompetenz und Mathematik. In den Naturwissenschaften schnitten im OECD-Durchschnitt etwa 8 Prozent der Schülerinnen und Schüler als besonders leistungsstark ab. In Singapur sind es 24 Prozent.

Der chinesische Bildungsanspruch
In China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, hat die Regierung die Bedeutung des Bildungswesens und die damit verbundenen Chancen erkannt. Deswegen hat man in den vergangenen Jahren die Staatsausgaben für diesen Bereich drastisch erhöht und das Bildungssystem ausgebaut.

OECD-Bildungsdirektor Schleicher berichtet, dass an ostasiatischen Schulen wie nirgendwo sonst auf der Erde sehr stark auf die Qualität der Ausbildung und Auswahl des Lehrpersonals geachtet werde. Hinzu komme eine klare Priorisierung kleiner Klassen, um die Qualität zu fördern. Vorbei seien die Zeiten, in denen Standardisierung und Gehorsam die höchsten schulischen Ziele darstellten. Ideenreichtum nehme sowohl bei der Vermittlung des Lernstoffs wie auch bei den Hauptlernzielen der Schüler eine zentrale Rolle ein.
Gleichzeitig, so Schleicher weiter, legen chinesische Eltern einen sehr starken Wert auf die Bildung ihrer Kinder als Sprungbrett zum Erfolg in der Welt. Dadurch sind sie mehrheitlich dazu bereit, ihre letzten Ersparnisse in die Bildung ihrer Kinder zu investieren.
Einen signifikanten Unterschied zu europäischen Schülern ist die für die Schule investierte Zeit. In den vier untersuchten chinesischen Provinzen verbringen die Schüler rund 57 Stunden in der Schule oder zu Hause mit den Unterrichtsinhalten. Finnische Schüler – immerhin Europas Spitzenreiter – hingegen nur 36 Stunden. Die grosse Hoffnung, die in China in die Bildung gesetzt wird, hat jedoch gleichzeitig zur Folge, dass Kinder bereits im Kindergartenalter unter enormen Leistungsdruck stehen.

Bildungsfokus Naturwissenschaft
Die OECD sieht im naturwissenschaftlichen Wissen nicht nur ein Bildungsziel. Naturwissenschaften seien vielmehr auch von gesellschaftspolitischer Relevanz in Hinblick auf zukünftige globale Herausforderungen. Die OECD empfiehlt deshalb, die manchmal eher unbeliebten Naturwissenschaften besonders für Frauen attraktiver zu gestalten. Kenntnisse in diesen Bereichen sieht die OECD in unserer technologisch geprägten Zeit als fundamental für gesellschaftliche Teilhabe und die Lösung zukünftiger Problemstellungen.
Das hohe Leistungsniveau der asiatischen Schüler vor allem in den naturwissenschaftlich-mathematischen Bereichen, verspreche ihnen in einer globalen Wirtschaft viele Jobperspektiven. Die Welt werde sich somit womöglich auch bildungstechnisch verstärkt am asiatischen Modell orientieren, um auf dem globalen Arbeitsmarkt mithalten zu können.

Internationale Kompetenzen im Curriculum
Andreas Schleicher betont jedoch, dass die Ansprüche an moderne Bildungssysteme nicht hier enden. Schüler müssten heutzutage auch verstärkt darauf vorbereitet werden, mit Menschen verschiedenster kultureller Hintergründe zusammenzuleben und zu arbeiten und in der Lage zu sein, sich in verschiedene Ideen, Perspektiven und Werte hineinzuversetzen und diese zu respektieren. Die Schüler werden in einer Welt agieren, in der Menschen einander über diese Unterschiede hinaus vertrauen müssen, um erfolgreich zusammenzuarbeiten. Deshalb werde die OECD bei der nächsten Pisa-Studie 2018 zum ersten Mal globale Kompetenz ins Zentrum stellen.
«Wir müssen Studenten dazu befähigen, für sich selber zu denken und für andere zu handeln», so Schleicher. Die Zielsetzung bestehe darin «die nächste Generation dazu heranziehen, Jobs zu schaffen und nicht nur einen zu bekommen, und sie darauf vorbereiten, dem Unerwarteten mit Intelligenz und Verständnis zu begegnen.»
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Diesen Beitrag hat Juliane Müller aufgrund eines BBC-Artikels produziert.


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