Schule_Tagesschau

Nicht zu viel Freizeit, nicht zu viel Ferien: Eine Primarlehrerin und ihre Klasse im Unterricht. © SRF Tagesschau

Schul-Umfrage: Politische Aussagen medial kaum beachtet

Pascal Sigg /  Die Schweizer Bevölkerung zeigt viel Verständnis für Lehrpersonen und will keine finanzielle Unterstützung für Privatschulen.

Medien wie SRF, Blick oder die NZZ berichteten in den letzten Wochen über eine Studie des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Mercator-Stiftung. Zentrale Frage und Studientitel: «Welche Schule will die Schweiz?»

Doch zwei Themenbereiche, die im Zusammenhang mit dem grassierenden Lehrkräftemangel wiederholt diskutiert wurden, blieben grösstenteils unerwähnt: die Arbeitsbedingungen im Lehrberuf und die staatliche Unterstützung von Privatschulen.

Lehrberuf: Nicht attraktiv genug

Bei der Bewertung des Lehrberufs stützten die Resultate der Umfrage die Darstellung der Personalverbände. Nur eine Minderheit der Befragten war nämlich der Ansicht, dass der Beruf attraktiv sei, dass Lehrpersonen zu viel Freizeit oder Ferien hätten oder zu viel verdienten.

Mercator-Studie_Lehrpersonen
Lehrpersonen arbeiten nicht zu wenig für ihren Lohn: Meinung einer Mehrheit der Schweizer Bevölkerung.

Auch dass Lehrpersonen in höheren Pensen arbeiten sollten – eine wiederholt geäusserte politische Forderung zur Bekämpfung des Lehrpersonenmangels – teilte nur eine Minderheit.

Finanzierung von Privatschulen soll privat bleiben

Eine weitere politische Forderung tauchte in den letzten Jahren wiederholt auf: Der Staat sollte auch Privatschulen – beispielsweise in Form von Coupons, welche an Schulen nach Wahl weitergegeben könnten – unterstützen. Der Schulwettbewerb würde die Qualität der Schulen stärken, argumentieren Vertreterinnen und Vertreter von Privatschulen und weisen dabei jeweils auf das Beispiel der Niederlande hin.

In Schweden steht ein ähnliches System unter Dauerkritik. Es befördert die Segregation und grosse Schulkonzerne, die als gewinnorientierte Aktiengesellschaften geführt werden, sorgen wiederholt für Skandale.

Sotomo fragte die Meinung zur öffentlichen Privatschulfinanzierung gar doppelt ab und wollte wissen, was die Befragten von folgenden Aussagen hielten:

  1. «Private Schulen sollten über Steuergelder unterstützt werden.»
  2. «Nur öffentliche Schulen sollten durch Steuergelder finanziert werden.»

Studienleiterin Sarah Bütikofer schrieb Infosperber auf Anfrage, man habe damit das Ergebnis validieren wollen. Und Daniel Auf der Maur von der Mercator-Stiftung schrieb: «Weil das Thema Privatschulen etwas heikel ist, schien es uns angebracht, auf zwei unterschiedliche Arten zu fragen.»

Die eindeutige Aussage «Private Schulen sollten über Steuergelder unterstützt werden», lehnten fast 60 Prozent der Befragten ganz oder eher ab. Und der mehrdeutigen zweiten Aussage stimmte eine Mehrheit zu.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

3 Meinungen

  • am 4.07.2023 um 11:50 Uhr
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    Beispiel Gymnasiallehrer Kt. Bern: Für Klassen im 1. Gymnasialjahr ist das Pensum um 5 Lektionen die Woche erhöht, Gymnasiallehrer erleiden Lohneinbussen von 21%! Dies, obwohl der Kt. Bern eine Steuerhölle ist bei Lehrerlöhnen gute 2% unter dem schweizerischen Durchschnitt. Dieser Kuhhandel besteht, weil Sekundarlehrer unzufrieden waren, mit der Untergymnasiumsabschaffung. Heute dauert bundesrechtlich das Gymnasium 4 Jahre, höchste Zeit, die ungerechtfertigte, exklusive Berner-Lohndiskriminierung abzuschaffen! Der Steuerabzug für Arbeitszimmer wird kaum je gewährt, die Schwellen sind viel zu hoch, obwohl Gymnasiallehrer keine kantonalen Lehrmittel haben, alles selber zusammenstellen müssen und mangels Infrastruktur an der Schule ein Arbeitszimmer brauchen. Jede Lektion erfordert zudem Vorbereitungs- und Korrekturaufwand, womit bei 23 Lektionen eine 44-h-Woche gegeben ist. Kommen noch zeitintensive Lager, Weiterbildungen und Veranstaltungen hinzu. Das ist nicht attraktiv für Akademiker.

  • am 4.07.2023 um 16:22 Uhr
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    Die zitierte Befragung leidet unter den Mängeln der meisten empirischen Studien: Es werden unreflektierte Einstellungen abgefragt, die von den Fragebogen aufgerufen werden. Hier das Beispiel Privatschulen. Was bedeutet dieser Begriff? Kinder reicher Eltern an Profit-orientierten Instituten. Und weil die Frage nicht zur Reflexion und Differenzierung auffordert, laufen Alternativschulen verschiedenster Provenienz und Ausrichtung gleich mit. Eine Steiner-Schule beispielsweise ist nicht «privat», Träger sind Vereine. Die Schulen werden von den Lehrpersonen selbstverwaltet (kein Direktor). Und zur Seggregation: In jeder mittleren bis grösseren Stadt sind mindestens die Primarschulen in höchstem Grad seggregierend. Die Kinder vom Züriberg bleiben unter sich usw. – Also bitte etwas kritischer fragen und berichten.

  • am 5.07.2023 um 01:00 Uhr
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    Ganz einverstanden mit Stefan Gerber. Am Gymnasium im Kanton Bern müssen Sprach-und Literaturlehrer ihr ganzes Unterrichtsmaterial selber bezahlen, vom Gummi bis zu den Lehrbüchern und Literaturbüchern. Das schmälert den Lohn erheblich. Also, keine Rede von zu hohen Löhnen. Während den «vielen» Ferien werden Unterricht, Maturarbeiten, Eintrittsprüfungen und Maturprüfungen vorbereitet und korrigiert, so dass man im Jahr nur etwa 3-4 Wochen völlig abschalten kann. Auch hier, keine Rede von vielen Ferien! Das Pensum erhöhen, um den Lehrermangel auszugleichen? Ja, das kommt mir bekannt vor, denn vor mehreren Jahren erhöhte der Kanton Bern das Pensum provisorisch für 1 Jahr von 22 auf 23 Lektionen. Aber die 23 Lektionen sind geblieben! Privatschulen? Die sind sehr teuer und die Lehrer verdienen weniger als an öffentlichen Schulen. Da würden die Kantone tatsächlich nur die AGs finanzieren und ein wenig die Eltern.

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