Kommentar
«Migros»-Professor an der HSG liess Kununu-Kritiken löschen
Thomas Rudolph war bis 2020 zuoberst im Migros-Konzern – im Verwaltungsrat des Genossenschafts-Bunds, zuständig für Finanzen. Nach 17 Jahren trat er aus. Mit dem Orangen Riesen blieb er verbunden. Sein Retail-Institut an der Universität St.Gallen (HSG) erhält vom Grossverteiler 400’000 Franken jährlich. Rudolph ist dort Inhaber des sogenannten «Gottlieb-Duttweiler»-Lehrstuhls. Der Professor forscht rund ums Thema Detailhandel.
Im Frühling 2023 geriet Rudolph auf der Firmen-Bewertungs-Plattform ins Visier unbekannter Kritiker. Die beschwerten sich über den HSG-Professor und seinen Führungsstil. Auf wundersame Weise verschwanden mehrere Wortmeldungen. Umgekehrt häuften sich solche, die Rudolph in den Himmel lobten.
Auf Anfrage bestätigt Rudolph, dass er bei Kununu vorstellig geworden sei; dies, nachdem er «durch mein Umfeld» auf die Kununu-Kritiken aufmerksam gemacht worden sei. «Als Institutsleiter war es mir ein Bedürfnis, die Kritik intern anzusprechen, zumal diese zu Diskussionen im Institut führte», sagt Rudolph. «Einige meiner Mitarbeitenden hatten danach offenbar positive Beiträge verfasst, was die Kritiker vermutlich noch mehr anstachelte.»
Der Schlagabtausch wurde heftig. Es habe «Bewertungen» gegeben, «die ich unangebracht und respektlos empfand, weshalb ich Kununu darüber informierte». «Kununu löschte die Beiträge, da sie nicht den Regeln und Standards der Plattform entsprachen. Es war die freie Entscheidung meiner Mitarbeitenden, eigene Einträge zu verfassen.» Das habe letztendlich nicht in seiner Hand gelegen. „Ich hatte das weder gewünscht noch angeregt oder gefordert.“
Hintergrund des Hickhacks sind handfeste Vorkommnisse. An Rudolphs «Dutti»-Institut herrscht ein Kommen und Gehen. Vor allem ein Gehen. Die Rede ist von sieben Kündigungen in den letzten Monaten, darunter von vier Doktoranden, die ihre Promotion noch vor dem Abschluss abgebrochen hätten. Was höchst selten sei, sagt eine Auskunftsperson.
«An universitären Instituten kommt es systembedingt immer wieder zu Personalveränderungen», meint hingegen Rudolph. «Dies liegt zum einen an der Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden, die in der Regel nach vier bis fünf Jahren – mit dem Abschluss der Promotion – das Institut verlassen. Auch kann es zum Abbruch von Dissertationen kommen, so etwa, weil es Veränderungen im persönlichen Umfeld gibt, ein lukratives Angebot aus der Praxis vorliegt oder der Dissertationsfortschritt zu langsam vorangeht.»
Die Missstimmung im Institut hatte Folgen. Es kam zu einem Ermittlungsverfahren gegen Rudolph – wegen möglicher Verletzung der wissenschaftlichen Integrität. «Im Rahmen der Aktion der Offenlegung (Januar bis März 2023) sind einige, vornehmlich anonyme Meldungen eingegangen», bestätigt ein Sprecher der HSG. «Wo nötig, wurden seither weitere Abklärungen vorgenommen und in wenigen Fällen Untersuchungen durchgeführt.»
Das sei auch bei Rudolph so gewesen. «Dabei konnten keine Verstösse des genannten Professors gegen die Integritätsrichtlinie der HSG festgestellt werden.» Die Befragungen seien «über den Kreis der fest angestellten Doktoranden» hinausgegangen und hätten «weitere Personen aus dem Institutsumfeld» mit einbezogen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.