ETH_swisscom_sunrise_salt

ETH-Forschungsfilz schadet der Glaubwürdigkeit © flominator/wikimedia commons

Mobilfunk-Anbieter sponsern ETH-Forschungsstiftung

Kurt Marti /  Der Bock ist einmal mehr der Gärtner: Swisscom, Sunrise und Salt sponsern die «Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation».

Es liegt auf der Hand, dass die Swisscom, Sunrise und Salt aus wirtschaftlichen Gründen kein grosses Interesse an wissenschaftlichen Studien haben, die sich kritisch zu den Folgen der Handy-Strahlen auf die menschliche Gesundheit äussern. Dasselbe gilt für die Stromwirtschaft, deren Stromleitungen ebenfalls elektromagnetische Strahlung abgeben.

Auch die Stromlobby mischt mit

Umso erstaunlicher ist es, dass die drei Mobilfunk-Anbieter die «Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation» (FSM) sponsern. Gegründet wurde die Stiftung bereits im Jahr 2002 zusammen mit der ETH, wo die Stiftung auch ihren Sitz hat. Damals hiess die Stiftung noch «Forschungsstiftung Mobilkommunikation». Erst im Jahr 2013 wurde der Name auf «Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation» abgeändert, nachdem der Verband Schweizerischer Stromunternehmen (VSE) als Trägerverband beigetreten war.

Neben dem VSE gibt es 13 weitere Träger, welche die Forschungsstiftung ideell oder finanziell unterstützen, beispielsweise der Fachverband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik (Electrosuisse), der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut) und das Eidgenössische Starkstrominspektorat (Esti).

Der Zweck der Stiftung ist laut Stiftungsurkunde «die Förderung der wissenschaftlichen Forschung über Chancen und Risiken von Technologien, welche elektromagnetische Felder nutzen oder erzeugen (z.B. elektrische Installationen und Geräte, drahtlose Kommunikation, medizinische Anwendungen), die Publikation der Forschungsresultate in wissenschaftlichen Organen, sowie die interessenneutrale Vermittlung von Forschungsfakten und Wissensunsicherheiten an die Gesellschaft».

Im Jahr 2014 zahlten die Sponsoren 534‘000 Franken ein. Für Personalkosten wurden rund 330‘000 Franken und für Öffentlichkeitsarbeit/PR rund 59‘000 Franken aufgewendet. In die Forschungsprojekte gingen rund 92‘000 Franken.

«Firewall» im Bereich Forschung

Im Stiftungsrat reden neben den Hochschulen und dem Bund auch die Sponsoren und die Träger mit. Trotz des Sponsorings und der Mitsprache im Stiftungsrat ist laut FSM-Geschäftsführer und ETH-Mitarbeiter Gregor Dürrenberger «die Unabhängigkeit der Forschung sichergestellt». Denn dafür garantiere die «Firewall»: Die Forschungsgelder würden «von einem wissenschaftlichen Ausschuss gesprochen, ohne Industriebeteiligung und auch ohne Informationsfluss», wie Dürrenberger auf Anfrage von Infosperber betont.

Tatsächlich besteht der Ausschuss aus lauter Vertretern der Hochschulen. Ganz unabhängig vom Stiftungsrat ist der wissenschaftliche Ausschuss allerdings nicht, denn der Stiftungsrat wählt die Mitglieder des Ausschusses.

Keine «Firewall» im Bereich Kommunikation

Der zweite Aufgabenbereich der Stiftung neben der Forschung ist die Kommunikation und diese ist durch keine «Firewall» vom Stiftungsrat getrennt, sondern wird von der Geschäftsstelle wahrgenommen, auch in Kooperation mit den Interessenverbänden. Von einer «interessenneutralen Vermittlung», wie von der Siftungsurkunde vorgeschrieben, kann hier keine Rede sein. Beispielsweise publizierte die Forschungsstiftung zusammen mit der Electrosuisse eine gemeinsame Informations-Broschüre «Elektromagnetische Felder» und im Jahresbericht 2014 wünscht sich FSM-Geschäftsführer Dürrenberger eine gute Zusammenarbeit mit dem Lobbyverband.

Laut Dürrenberger basiert die Elektrosuisse-Broschüre «auf FSM-Wissen». Und er fügt hinzu: «Uns fehlen die Mittel, um eine solche Broschüre dreisprachig und in grosser Auflage zu produzieren. Deshalb waren wir sehr froh über diese Zusammenarbeit.»

AefU fordern Finanzierung über Gebühren

Peter Kälin, Präsident der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU), zieht die Unabhängigkeit der Siftung in Zweifel und kritisiert deren Arbeit und Finanzierung. Anfänglich gehörten auch die AefU zu den Trägern der Stiftung, aber bereits 2006 verliessen sie die Stiftung. Im selben Jahr verliess auch Pro Natura die Stiftung und ein Jahr zuvor die Schweizerische Energie-Stiftung (SES). Damals sind laut Kälin «die Forschungsgelder massiv reduziert» worden, sodass «das Verhältnis der gesprochenen Gelder für den Geschäftsbetrieb und der eigentlichen durch den Firewall eines wissenschaftlichen Ausschusses unabhängig gehaltenen Forschung aus Sicht der AefU nicht mehr stimmte».

Laut Kälin erfüllt die FSM «unter anderem Bewertungs- und Informationsaufgaben im Auftrag von Behörden, dies ausserhalb des wissenschaftlichen Ausschusses». Dies berge «Gefahren», denn die Unabhängigkeit der Bewertung beziehungsweise der Information sei «nicht gewährleistet, wenn eine Stiftung, welche hauptsächlich durch die Immissionsverursacher beauftragt wird, bewerten soll, ob die durch den Immissionsverursacher verursachte Immission gesundheitsgefährdend ist, bzw. informieren soll, wie Elektrosmog reduziert werden kann».

Kälin plädiert dafür, dass die Verursacher die Kosten der Forschung übernehmen. Doch die aktuelle Finanzierung durch die Mobilfunk-Anbieter erscheint ihm «nicht ideal». Er schlägt im Namen der AefU stattdessen vor, «dass die Betreiber als Verursacher Gebühren zu leisten haben, ähnlich einem Modell in Frankreich, um so die Finanzierung für unabhängige Risikoforschung sicherzustellen.» Ebenfalls denkbar sei, dass zumindest im Bereich Mobilfunk der Bund «einen Teil der für die Konzessionen erwirtschafteten Gelder für unabhängige Forschung» einsetze.

Höchste Zeit für eine gesetzliche Grundlage

Auch Dürrenberger erachtet es «für wichtig, richtig und angebracht, wenn sich die Industrie finanziell an der Abklärung möglicher gesundheitlicher Risiken von elektromagnetischer Strahlung beteiligt.» Das Modell Frankreich hält er für «eine sehr gute Lösung». Man habe darüber schon vor «etlichen Jahren mit den Bundesämtern» diskutiert, insbesondere über die Idee, einen (letztlich sehr kleinen) Teil der Konzessionseinnahmen aus den Auktionen der Funklizenzen in die Forschung fliessen zu lassen. Doch offenbar fehle «dafür aber eine gesetzliche Grundlage».

Höchste Zeit also für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine unabhängige Finanzierung der Elektrosmog-Forschung, denn der aktuelle Forschungsfilz schadet der Glaubwürdigkeit.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

5GNetz

5G-Netze: Nutzen und Risiken

Langzeitwirkungen bleiben unerforscht. Offene Fragen öffnen Raum für Mutmassungen und Angstmacherei.

Geld_und_Geist1

Hochschulen zwischen Geist und Geld

ETH, Universitäten und Hochschulen lassen sich Lehrstühle, Institute und Forschung von Privaten mitfinanzieren.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 27.11.2015 um 19:48 Uhr
    Permalink

    Allein schon das Verhältnis der Aufwände machen mich skeptisch:
    Personalkosten 330‘000, PR 59‘000, Forschungsprojekte 92‘000 Franken.
    Für den primären Stiftungszweck also nur 19% des Aufwands?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...