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Fragwürdige Verflechtungen zwischen deutschen Unis und Unternehmen: Die meisten Verträge sind geheim © ARD

Hochschulen im Dienst von Konzernen

Red. /  100 Millionen Euro erhält die Universität Mainz von der Pharmaindustrie. Im Gegenzug gibt sie elementare Rechte ab.

Wenn Unternehmen als grosszügige Sponsoren von Universitäten auftreten, stellt sich schnell die Frage, wie frei und unabhängig da noch geforscht und gelehrt wird. So auch bei der Universität Mainz, die eine enge Kooperation mit dem deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim pflegt. Mit 100 Millionen Euro finanziert die Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) ein Institut für Molekularbiologie an der Mainzer Uni. Im Gegenzug sichert sich die Geldgeberin ein Vetorecht bei Personal­ent­scheiden – vom Lehrstuhl bis zur Geschäftsführung. Und die pharma-nahe Stiftung darf weitgehend mitbestimmen, worüber geforscht und was publiziert wird.
«Verfassungswidrige Vertragsklauseln»
Das ARD-Magazin «Monitor» hat brisante Details aus zwei bislang geheim gehaltenen Kooperationsverträgen zwischen der Universität Mainz und der BIS veröffentlicht. Darin heisst es unter anderem:

  • «Die Universität darf von ihrem Weisungsrecht nur Gebrauch machen, soweit die Stiftung zustimmt.» Im Klartext bedeutet das: Die Uni Mainz verzichtet auf ihr Recht, Einfluss zu nehmen auf die Forschungsinhalte des Instituts für Molekularbiologie.



Und weiter steht im Vertrag:

  • «Presseerklärungen, Veröffentlichungen oder Mitteilungen bedürfen der vorherigen Ab- und Zustimmung der Parteien.» Die Boehringer Ingelheim Stiftung kann also veranlassen, dass Forschungsergebnisse zurückgehalten werden, wenn die Ergebnisse enttäuschend sind für den Pharmakonzern.


Eine ähnlich lautende Passage findet sich auch in einem anderem Kooperationsvertrag der Mainzer Uni über eine grosse Gesundheitsstudie:

  • «Weiterhin ist mit dem Hauptsponsor der Studie, Boehringer Ingelheim (BI) vertraglich vereinbart, dass alle Manuskripte vor Veröffentlichung die Freigabe durch BI benötigen.»



Gegenüber «Monitor» erklärt der Pharmakonzern, das wäre so üblich. Und die Uni sagt, die Freiheit, wissenschaftlich zu publizieren würde dadurch nicht tangiert. Ganz anderer Meinung ist da Christine Godt, eine Expertin für Forschungsrecht. Sie hält diese Klauseln gar für verfassungswidrig, denn damit werde «ganz tief in die Publikationsfreiheit, die ein Bollwerk der Forschungsfreiheit ist, eingegriffen.»
Geheimverträge mit Sponsoren
Seit langem warnen Kritiker, dass die Industrie immer mehr bestimmt, worüber an Hochschulen geforscht wird und worüber nicht. Laut «Monitor» wurden an deutschen Hochschulen in den letzten Jahren 33 Professoren von Pharmaunternehmen bezahlt und es gab mindestens sechs Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen oder Stiftungen und Universitäten. Manche Unis haben 800 Verträge mit Unternehmen wie die TU Berlin oder sogar über 1000 wie die Universität Dresden. Doch von all dem soll die Öffentlichkeit nichts erfahren. Kaum eine Hochschule legt offen, welches Unternehmen wie viel Geld für welche Dienstleistung oder Kooperation bezahlt. Die meisten Verträge zwischen Universitäten und Sponsoren sind geheim. Nur an 3 von 84 staatlichen deutschen Universitäten sind sie öffentlich.
Diese Geheimniskrämerei bewertet Michael Hartmer vom Deutschen Hochschulverband als «problematisch». «Die Forschung in der Universität ist frei, und eine Geheimforschung an deutschen Universitäten ist ein Widerspruch in sich», sagt er im Interview mit «Monitor». Christian Kreiss, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen, geht gar noch einen Schritt weiter. Er hat beim Verwaltungsgericht Mainz eine Klage gegen die Universität Mainz eingereicht und verlangt, dass die Kooperationsverträge veröffentlicht werden. Hochschulen seien öffentliche Einrichtungen und durch Steuergelder finanziert – insofern habe die Öffentlichkeit auch ein Recht, von den Projekten und Kooperationspartnern zu erfahren, so Kreiss gegenüber «Monitor». Für ihn stellt sich letztlich die Frage, «ob die Forschung öffentlicher Hochschulen dem Allgemeinwohl oder den Gewinninteressen einiger weniger dienen soll». Es sei daher das mindeste, die Kooperationsverträge zwischen Wirtschaft und Wissenschaft offenzulegen.
Auch in der Schweiz werden die meisten Verträge zwischen Hochschulen und Konzernen der Öffentlichkeit vorenthalten. Siehe:

Gerichtsentscheid in Deutschland:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Eine Meinung zu

  • am 17.08.2016 um 12:05 Uhr
    Permalink

    Interessante und sehenswerte Recherche der «Monitor"-Kollegen. Kleine Ergänzung zur Einschätzung von infosperber: die Dunkelkammer Uni-Sponsoring durch Pharma-Firmen konnte Anfang Mai 2016 durch die Rundschau in Zusammenarbeit mit SRF Data zum Teil gelüftet werden. Inklusive Einzahlungen in die Pensionskasse des von der Pharma mit-auserkorenen Professors und dem Recht, Forschungsresultate vor Publikation abzuändern. Selbstverständlich betonen alle Involvierten trotz obiger Fakten, diese Einflussnahme der Pharma auf Schweizer Unis tangiere die Freiheit von Forschung u Lehre nicht… Hier meine Recherche: http://www.srf.ch/news/schweiz/uni-transparenz/pharma-300-000-franken-in-professoren-pensionskasse

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