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Im Jahr 2017 benannte die ETH einen Hörsaal nach dem deutschen Unternehmer mit brauner Vergangenheit. © ETH

ETH erhielt Millionen von Nazi-Profiteur

Beat Kraushaar /  Zürcher Hochschulen erhielten rund 70 Millionen von einem Spender mit brauner Vergangenheit. Sie bereuen nichts.

Die Milliardärin Heidi Horten verstarb vor vier Wochen im Alter von 81 Jahren in ihrer Villa am österreichischen Wörthersee. In den Schweizer Medien war diese Nachricht nur am Rande erwähnenswert. Ganz im Gegensatz zur ETH Foundation. Dort löste der Tod der steinreichen Frau grosse Trauer und Bestürzung aus. Unter dem Titel: «In memoriam Heidi-Gõss-Horten, Förderin der Wissenschaft und Kunst»,  würdigten sie die Verstorbene in den höchsten Tönen.

Es wird daran erinnert, dass die Stiftung ihres verstorbenen Mannes, Helmut Horten, seit langem als generöser Spender der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH, des Unispitals, der Universität sowie dem Institut für Biomedizinische Forschung auftritt. «Die bemerkenswerte Zusammenarbeit» stand auch im Mittelpunkt, als die Horten-Stiftung bei der ETH letztes Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feierte. Dabei wurde dankend an die grossen Spenden erinnert. Darunter sechs Millionen Franken für die Biomedizin. Oder dass als Zeichen der grossen Wertschätzung der ETH gegenüber dem langen Wirken der Stiftung 2017 ein Hörsaal auf dem Hönggerberg nach Horten benannt und festlich eingeweiht wurde. «Diese Hörsaal-Taufe ist ein kleines Zeichen der Wertschätzung für ein grosses und anhaltendes Engagement», sagte der damalige ETH-Präsident Lino Guzzella. 

Auch die Universität Zürich (UZH) hat nur lobende Worte für die Stiftung. Sie taufte ihre Anstalt für medizinische Forschung auf den Namen «Horten-Zentrum» (seit kurzem umbenannt auf «The LOOP»). Dies nach einer 11 Millionen Franken-Spende. Der Ex-UZH-Rektor und heutige Präsident des ETH-Rats, Michael O. Hengartner, sagte dazu: «Ich danke der Horten Stiftung im Namen der Universität ganz herzlich für ihr grosszügiges Engagement.»

Nie offengelegt

Die Lobhudelei gegenüber der im Tessin ansässigen Stiftung mag angesichts der rund 70 Millionen Franken, die über die Jahre hinweg gespendet wurden, verständlich erscheinen. Nicht verständlich ist, dass weder die ETH, die Universität noch das Uni-Spital Zürich jemals offengelegt haben, dass die Millionen-Spenden von einem Nazi-Profiteur mit einer braunen Vergangenheit stammen.

Helmut Horten arbeitete als Textilkaufmann im jüdischen Kaufhaus der Gebrüder Alsberg in Duisburg (D). Bei der Machtübernahme von Hitler und seinen Nationalsozialisten erwarb er 1936 mit Hilfe zweier Banker das Kaufhaus zu einem Spottpreis. Dabei nutzte er die damaligen Rassengesetze der «Entjudung» und «Arisierung» aus, mit dem jüdische Geschäftsleute gezwungen wurden, ihre Geschäfte an Deutsche für weit unter Wert zu verkaufen. Ein Vorgehen, das vom Nazi-Regime gedeckt und gefördert wurde.

Nach der Übernahme entliess Horten alle jüdischen Mitarbeiter. In der NS-Parteizeitung liess er vermelden, dass das «Kaufhaus seinen Hausherren gewechselt hat und in arischen Besitz übergegangen ist.» Im Zuge der «Entjudung» erwarb Horten weitere sechs Geschäfte und wurde von den Nazis zum Reichsverteiler für Textilien ernannt. Dass er nach dem Krieg trotz Internierung wegen seiner braunen Vergangenheit sein Kaufhaus-Imperium Horten & Co. wieder aufbauen konnte, lag vor allem daran, dass er vor Kriegsende grosse Lager vor den Alliierten in einem Schacht der August-Thyssen-Werke versteckte. In diesen wurden während der NS-Zeit Zwangsarbeit im grossen Stil betrieben. 

Dass Horten auch nach dem Ende des Krieges keine Reue oder Einsicht in seine Vergangenheit an den Tag legte, zeigt sich darin, dass er den Ex-Gauleiter-Adjutanten Rudolf Tesman in führender Position in seine Firma holte. Auch beim 50-jährigen Jubiläum der Horten-Kaufhäuser fälschte er noch 1986 die Firmengeschichte, in dem er die «Arisierung»  seiner Warenhauskette in seiner Jubelchronik verschwieg. «Wer spricht schon gerne von Auschwitz, wenn er seine Leistung herausstreichen will», schrieb der «Spiegel» damals.

Seinen Wohnsitz verlegte er ins Tessin

Wie andere Profiteure der NS-Zeit, die zu Reichtum auf Kosten der Juden gekommen sind, begann Horten sich als Förderer und Gönner zu engagieren. Nachdem er Heidi, eine 32 Jahre jüngere Frau, in einer Hotelbar am Wörthersee kennengelernt hatte, heiratete er sie und verlegte seinen Wohnsitz ins Tessin. Horten verkaufte darauf sein Warenhauskonzern für 1,2 Milliarden deutsche Mark und nützte eine Gesetzeslücke aus, um das Geld steuerfrei in der Schweiz zu deponieren. 1971 gründete er die «Helmut Horten Stiftung», deren Vermögen er ursprünglich als Nazi-Profiteur sowie als Steuerflüchtling anhäufte. Neben seinem neu aufgebauten Image als Wohltäter, frönte das Ehepaar vor allem dem Luxus. Horten starb 1987 in seinem selbst gewählten Tessiner Exil. Seine Frau Heidi blieb bis zu ihrem kürzlichen Tod Vizepräsidentin der Stiftung. 

Warum verschweigt man bis heute, dass die erhaltenen Spendengelder in Millionenhöhe von einem Mann mit brauner Vergangenheit stammen? Und ist es opportun, einen Hörsaal nach seinem Namen zu benennen?

Auf Anfrage von Infosperber bestätigt die ETH Foundation, «dass ihnen die in diesem Artikel geäusserte Kritik bekannt» sei. Und weiter: «Stiftungen, die eine Donation an die ETH Zürich machen möchten, werden von der ETH Zürich Foundation überprüft. Geprüft wird einerseits, ob die Stiftung offiziell anerkannt und vertrauenswürdig ist. Andererseits muss die Donation dem Stiftungszweck der ETH Foundation entsprechen.» Diese Prüfkriterien seien bei der Horten-Stiftung erfüllt worden. Eine fast identische Antwort kam von der Universität Zürich.

Auf die Frage, warum sich auf ihrer Webseite keine Information über Hortens NS-Vergangenheit findet, weist die ETH Foundation darauf hin, dass man dies bei der Horten-Stiftung nachlesen könne. Sie erwähnt nicht, dass darin Horten als Unternehmerpersönlichkeit, welche die Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit zur wirtschaftlichen Blüte gebracht hat, dargestellt wird. Und dass Horten stets auf der Suche nach Werten gewesen sei, die seinem Leben Sinn und Inhalt geben.

Stiftung erwähnt mittlerweile braune Vergangenheit

Erst letztes Jahr sah sich die Horten-Stiftung – im Gegensatz zu ETH – genötigt, auf ihrer Webseite doch noch die braune Zeit ihres Stifters zu erwähnen. Die verstorbene Heidi Horten hatte Wissenschaftler beauftragt, die Rolle ihres Mannes während der NS-Zeit aufzuarbeiten. In der Hoffnung, dass er entlastet wird. Aber all die Vorwürfe, vom Profiteur der «Entjudung und Arier-Gesetze» bis zum Eintritt in die berüchtigte NSDAP, wurden bestätigt. Neu wurde zudem bekannt, dass Horten auch beim Rüstungskonzern Flugzeugwerke Johannisthal involviert war und dass er und sein Geschäftspartner dort nach seinem Einstieg 1943 die Zwangsarbeit intensivierte. Entlastet wurde Horten in der Studie insofern, als im Fokus seines Handelns vor allem unternehmerische Überlegungen und weniger ein Nazi-Gedankengut vorgeherrscht haben sollen. Das «Manager-Magazin» bezeichnete ihn deshalb sarkastisch als «ein Kaufmann mit einem sehr flexiblen moralischen Kompass».

Auf die Nachfrage des Infosperbers, ob sie im Licht heutiger Erkenntnisse die Spenden erneut annehmen würde, geht die ETH nicht ein. Sie verweist allgemein auf einen Code of Conduct, welcher die Einhaltung von «sozialen, rechtlichen und ethischen Grundsätze» gewährleisten soll.

Erinnerung sei Voraussetzung, um nicht zu vergessen, sagte der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss 2019 bei seiner Dankesrede als Georg-Büchner-Preisträger über die Nazi-Diktatur. Das sollte eigentlich bei der ETH, der Uni und dem Zürcher Uni-Spital auch in Bezug zur Vergangenheit von Horten und seiner Stiftung gelten. Insbesondere, da in dessen Stiftungsrat hochrangige Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sitzen. Darunter auch alt Bundesrätin Doris Leuthard sowie Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. 


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8 Meinungen

  • am 10.07.2022 um 11:54 Uhr
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    [Vorsicht! Sarkasmus!]
    Es passt doch irgendwie, dass medizinische Einrichtungen mit Sponsorengeldern unterstützt werden, an denen Blut klebt, oder?

    Im Ernst: Wenn man wirklich die Herkunft der Spenden aus Vermögen aufklären würde, die zu einem erheblichen Teil auf verbrecherische Bereichung in der Nazizeit oder (die Beteiligung an) Kriegsverbrechen zurück gehen, dürfte es ein gewaltiges Beben in den hehren Hallen der Wissenschaft geben … bzw. eher in deren Fundamenten.
    Ganz zu schweigen davon, was passieren würde, wenn die kapitalistische Ausbeutung eines Tages ebenso geächtet sein sollte wie es heute schon die Sklaverei ist – was «uns» moralische Wertewestler aber nicht daran hindert, immer noch mit Sklavenhaltern «gute Geschäfte» zu machen …
    Wird es nicht langsam höchste Zeit «alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist» …?

  • am 10.07.2022 um 12:07 Uhr
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    Es war immer so – und es wird immer so sein:
    «Pecunia non olet»

    • am 11.07.2022 um 10:12 Uhr
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      Der Bezug auf die Antike scheint mir hier nicht ganz zu passen: Ging es doch damals darum, dass der Kaiser damit die Einwände seiner Berater gegen eine Besteuerung der öffentlich aufgestellten Bottiche zurückwies, in denen die Gerber den Urin der Passanten sammelten.
      Um dennoch im Bild zu bleiben, müsste man jetzt wohl statt «Geld stinkt nicht» eher sagen:
      «Geld blutet nicht.»

    • am 11.07.2022 um 21:37 Uhr
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      @Franz Diner
      Was angeblich immer war, kann also nicht geändert werden? Seltsame Ansicht. Bezogen auf Ihre Person bedeutet dies, Sie haben abgeschlossen, abgeschlossen mit der Möglichkeit, dass vieles auch anders sein kann. Wer, ausser der Mensch, besitzt die Möglichkeit der Entscheidung, mögen die Umstände noch so gravierend sein. Die Entscheidungen zum Aufbauenden in jeder Situation, würden (leider Konjunktiv) vieles, alles anders aussehen lassen.

  • am 10.07.2022 um 14:12 Uhr
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    Sicherlich kein Einzelfall, damals und heute immer noch.
    70 Mio. von inzwischen wohl 2’000 Million um das Image der ehrenwerten Familie aufzupolieren sind wenig, wenn nicht sogar schäbig.

    Dankbarkeit für die fragwürdige Beihilfe der Schweizer Politiker u. Rechtsanwälte,
    die zumeist längst verstorben sind.
    Die Kinder und Enkelkinder leben von deren Erbe deutlich besser,
    als die es mit anständiger Arbeit ohne nennenswerte Erbschaft tun müssen.

  • am 10.07.2022 um 23:03 Uhr
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    Wir sind doch hier in der Schweiz und da herrscht die Devise: Geld stinkt nicht. Unsere Banken machen es ja vor. Und das Jahr für Jahr. Die Strafen werden dann aus der Portokasse beglichen.

  • am 11.07.2022 um 13:09 Uhr
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    So einige haben sich mit arisiertem Vermögen bereichert und es auch geschafft, diese Werte in die Nachkriegszeit zu retten. Horten ist hier ein besonders krasses Beispiel, besonders auch deswegen weil sich niemand so recht dafür interessieren mochte und weil ein gewisses Kriegsspekulantentum ihn zweimal an und durch die Nazis verdienen ließ. Seine kürzlich verstorbene Frau war in Ö eine angesehene Mäzenatin, obwohl allen ja klar sein musste, worauf ihr gewaltiges Vermögen eigentlich wurzelte. Letztlich wollte die Ö-, D- und CH-Nachkriegsgesellschaft nicht immer bei jedem und immer so deutlich nachfragen, woher und wie gewisse Vermögenswerte in welche Hände kamen. Auch das neutrale Schweden hat ja an Erzexporten nach Nazi-D reichlich verdient, ohne dass das heute groß thematisiert würde. In Ö fühlte man sich sowieso als Opfer; da wurden Arisierungen bis in die 80iger überhaupt totgeschwiegen und rückkehrende Juden, die vielleicht gar Forderungen stellten, nicht gern gelitten.

  • am 11.07.2022 um 15:20 Uhr
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    Welches Geld ist denn nicht schmutzig? Wir können tausende von Jahren zurückgehen. Alle erschaffenen Wertmittel und -gegenstände haben irgendwo eine dunkle Vergangenheit.

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