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Hummeln leiden nicht unter der Varroamilbe - sie sterben an Fungiziden. © CC

Fungizide als Insektentöter ausgemacht

Daniela Gschweng /  Es überraschte sogar die Forscher: Fungizide sind eine wichtige Ursache für das Insektensterben, stellt eine Studie fest.

Der Rückgang, vor allem der Bienen, versetzt Wissenschaftler weltweit in Sorge.
Bienen und andere bestäubende Insekten befruchten drei Viertel aller Nahrungspflanzen, die Hälfte der Bestäuber sind wilde Arten.

Ein Team von Wissenschaftlern in den USA hat nun in einer statistischen Auswertung herausgefunden, was Hummeln am meisten zu schaffen macht, und stiess auf eine bisher vernachlässigte Pestizidgruppe, die Fungizide, berichtet der «Guardian».

Fungizide «Sieger» unter 24 Verdächtigen

In der Studie unterzog die fünfköpfige Forschungsgruppe Daten zu 24 unterschiedlichen Faktoren aus 284 Orten in 40 US-Bundesstaaten einer computergestützten Analyse.
Der Faktor, der sowohl das Auftreten der Bienenseuche Nosemose wie auch die Schrumpfung der Hummelpopulation am besten anzeigte, war die Menge der in der Gegend verwendeten Fungizide.

Vor allem das Fungizid Chlorthalonil oder Chlorothalonil zeigte Übereinstimmung mit dem Auftreten von Nosemose, während der Gesamtverbrauch aller Fungizide die beste Vorhersage über den Populationsrückgang darstellte.


Chlorthalonil ist eines der meistverwendeten Fungizide in den USA. Ausser im Pflanzenschutz wird es in Holzschutzmitteln verwendet. (Bild: U.S. Geological Survey)

Der Leiter der Studie, Scott McArt, Insektenkundler an der renommierten Cornell University, war perplex. «Fungizide wurden bisher weitestgehend übersehen», gab er gegenüber dem «Guardian» zu. «Die Leute suchen nicht an allen Stellen, an denen sie suchen sollten», schloss er daraus. Am Fungizid-Thema müsse unbedingt weiter geforscht werden. Es gibt zwar Laborstudien, die belegen, dass Nosemose, eine der häufigsten Bienenkrankheiten, sich bei Bienen durch Fungizide verschlimmert. Für frei lebende Insekten hatte das jedoch noch niemand bewiesen.

Im Regulierungsprozess gehen Wechselwirkungen verloren

An dieser Stelle habe das Regulierungssystem allem Anschein nach einen blinden Fleck, sagt David Goulson, Biologieprofessor an der Universität von Sussex, Grossbritannien. Zum einen könne man mit Labor- und kleineren Feldversuchen die Wirkung eines Stoffes nur unzureichend vorhersagen, zum anderen würden im Zulassungsverfahren Wechselwirkungen zwischen Krankheiten und Pestiziden nicht getestet.

Das ist nicht ganz unwichtig. Über die Ursachen des Insektensterbens wird so anhaltend wie kontrovers diskutiert. Die einen, darunter die Vertreter der grossen Agrochemiekonzerne, haben die Varroa-Milbe als Hauptursache für das Sterben der Bienenvölker ausgemacht, andere führen es hauptsächlich auf Pestizide zurück. Eine dritte Gruppe sieht ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie abnehmende Biodiversität, Stress, Umweltverschmutzung und Krankheiten am Werk.

Gekämpft wird mit fast allen Mitteln

Die Parteien werfen sich gegenseitig Manipulation und Schlamperei vor, Studien werden vor allem vonseiten der Agrochemie gerne als «unwissenschaftlich» diskreditiert. Die Industrie schreckt andererseits nicht davor zurück, Forscher zu manipulieren (Infosperber berichtete: «So hat Syngenta Forscher eingeseift»). Da sind Testvorschriften nicht mehr ganz unwesentlich.

Auch bei den Neonicotinoiden wie Imidacloprid dauerte es länger, bis auffiel, wie gefährlich sie für Bienen und andere Insekten sind. «Neonics» entfalten ihre Wirkung ebenfalls im Zusammenspiel mit anderen Faktoren. Zum Beispiel halbiert sich bei knappem Nahrungsangebot die Überlebenschance einer Biene, wenn sie zusätzlich Neonicotinoiden ausgesetzt ist. Hummelköniginnen, das beweisen andere Studien, leben unter dem Einfluss von Neonicotinoiden weniger lang, was das Überleben der Kolonie gefährdet.

Seit 2013 ist der Gebrauch einiger Neonicotinoide in der EU und der Schweiz eingeschränkt. Die EU hat eine Abstimmung über ein endgültiges Verbot im Dezember 2017 auf dieses Jahr verschoben. Für Fungizide wie Chlorthalonil gibt es lediglich Grenzwerte.

Mehr lesen:

«Bienensterben: Langsam wissen die Behörden genug», Infosperber im Oktober 2017

«Bienen-Königinnen sterben vorzeitig», Infosperber im Juli 2017

«Der Bestäubungsindustrie gehen die Bienen aus», Infosperber im März 2017

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des «Guardian» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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