KladnoK7Pressebild

Alpiq-Kohlekraftwerk Kladno in Tschechien: Links der neue Block K7, der erst 2014 in Betrieb ging © alpiq

Der rabenschwarze Kohle-Trip des Alpiq-Konzerns

Kurt Marti /  Die Kohle-Strategie des Alpiq-Konzerns im Ausland ist ein Debakel. Die strategische Verantwortung tragen vor allem FDP-Politiker.

Der Alpiq-Konzern liefert einen weiteren Beweis für seine Fehlinvestitionen in fossile Kraftwerke im Ausland: Er will seine beiden Kohlekraftwerke Kladno und Zlin in Tschechien verkaufen und sich damit auf eine «zunehmend dekarbonisierte, digitalisierte und dezentrale Energiewelt» fokussieren, wie es in einer Medienmitteilung von Ende Oktober heisst.

Das ist auch bitter notwendig, denn der Alpiq-Konzern und dessen Vorgängerin «Aare Tessin AG für Elektrizität» (Atel) haben wegen den fossilen Ausland-Abenteuern den Einstieg in die dezentrale Energieversorgung jahrzehntelang verschlafen, wie eine Grafik der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) zeigt: Der Anteil der neuen erneuerbaren Energien betrug 2017 nur 3,4 Prozent.

Die Verkaufsabsicht der Alpiq betrifft zwei hundertprozentige Tochtergesellschaften mit mehreren Kraftwerk-Blöcken, in welche die Alpiq beziehungsweise die Alpiq-Vorgängerin «Aare Tessin AG für Elektrizität» (Atel) seit dem Jahr 2002 Hunderte von Millionen investiert hat – zuletzt 320 Millionen in einen neuen Kraftwerks-Block K7 in Kladno bei Prag, der 2014 in Betrieb ging.

Ob sich überhaupt Käufer finden und wieviel der Stromkonzern effektiv verliert, wenn der Verkauf zustande kommt, steht noch in den Sternen. Interessant ist die Geschichte hinter dem riskanten, tschechischen Kohle-Trip des Alpiq-Konzerns, der nota bene mehrheitlich in öffentlichem Besitz ist und der in seiner finanziellen Bedrängnis ungeniert nach Subventionen schielte, um seine Fehlinvestitionen auszubügeln.

Infosperber hat einen Blick in die Geschäftsberichte 2003 bis 2017 der Alpiq beziehungsweise der Atel (bis 2009) geworfen und ist als erstes auf das Geschäftsjahr 2011 gestossen, das ein wahres Horrorjahr für den Alpiq-Konzern war, und zwar aus drei Gründen:

  1. Im Mai 2011 verkündete die Alpiq-Spitze stolz eine weitere Investition von 320 Millionen Franken in die klima- und umweltschädliche Kohlekraft in Tschechien, das heisst in den Neubau eines Braunkohlekraftwerks K7 in Kladno bei Prag.
  2. Dabei türmten sich die Alpiq-Verluste in Milliardenhöhe: Der Jahresverlust 2011 betrug 1,3 Milliarden Franken und die Wertberichtigungen 1,7 Milliarden Franken, letztere vor allem aus den Beteiligungen an fossilen Kraftwerken in Italien (560 Millionen), Frankreich (230 Millionen) und in Spanien (105 Millionen).
  3. Auf dem Pressefoto anlässlich des Baubeginns des neuen Kohlekraftwerks K7 lächelten der damalige Alpiq-CEO Giovanni Leonardi und André Regli, der damaligen Schweizer Botschafter in Tschechien, um die Wette. Nur fünf Monate später – im September 2011 – flüchtete Leonardi vom sinkenden Schiff und kassierte für neun Monate zwei Millionen Franken.


Freude herrscht: Giovanni Leonardi, CEO Alpiq (4. v. l.) und André Regli (2. v. l.), Schweizer Botschafter in Tschechien, anlässlich des Baubeginns des neuen Kraftwerk-Blocks K7 in Kladno Quelle: Alpiq

Klotzen in Tschechien, knausern im Wallis

Im folgenden Jahr 2012 ging der finanzielle Horrortrip weiter. Der Verlust überstieg mit 1,1 Milliarden erneut die Milliardengrenze, ebenfalls die Wertminderungen mit 1,6 Milliarden, wovon 186 Millionen allein aus den bereits bestehenden tschechischen Kohlekraftwerken in Kladno und Zlin stammten.

Bereits damals versuchte der Alpiq-Konzern mit dem Verkauf seiner alten Kohlekraftwerks-Blöcken in Tschechien seine Schulden abzubauen. Doch den Preis von rund einer halben Milliarde wollte niemand für die klimaschädlichen Dreckschleudern zahlen, nota bene für eine Technologie ohne Zukunft.


Hockey-Sponsoring in Tschechien statt Wasserzinsen im Wallis Quelle: Hockeyclub Kladno

Anfang 2014 wurde der neue Block K7 des tschechischen Kohlekraftwerks in Kladno in Betrieb genommen. Wer Milliardenverluste einfährt und gleichzeitig 320 Millionen in eine Technologie investiert und darüber hinaus auch noch grosszügig als Sponsor des Hockey-Clubs von Kladno auftritt, der muss anderswo sparen beziehungsweise die fälligen Rechnungen nicht begleichen.

Die Rede ist vom Affront des Alpiq-Konzerns gegen den Kanton Wallis. Ein Jahr nach Inbetriebnahme des tschechischen Kohlekraftwerks in Kladno verweigerte der Alpiq-Konzern die Zahlung des kantonalen Teils der Wasserzinsen des Kraftwerks «Salanfe SA», das zwischen Martigny und St. Maurice im Unterwallis liegt. In den letzten drei Jahren blieb die Alpiq der Walliser Staatskasse insgesamt rund 13,5 Millionen schuldig.

Doch es geht um viel mehr. Mit den verweigerten Zahlungen will die Alpiq Druck auf die Walliser Justiz machen, bei der eine Beschwerde gegen den kantonalen Anteil der Wasserzinsen in der Höhe von jährlich rund 90 Millionen hängig ist. Das Unternehmen, das wegen unternehmerischen Fehlentscheiden Hunderte von Millionen in den Sand gesetzt hat, will die kantonalen Wasserzinsen nicht mehr zahlen.

FDP-Politiker tragen die strategische Verantwortung

Angefangen hatte das Kohlekraft-Abenteuer in den Jahren von 2002 bis 2009, als die Alpiq-Vorgängerin «Aare Tessin AG für Elektrizität» (Atel) begann, die Milliarden-Gewinne, die sie aus dem Stromhandel mit der Wasserkraft zog, im Ausland zu investieren. Das Resultat ist bekannt: Der brutale Absturz der Alpiq.

Die strategische Verantwortung für das Ausland-Debakel, zu dem auch die Kohlekraftwerke in Tschechien gehören, tragen jene Personen, die in der Zeit von 2002 bis 2009 im Atel-Verwaltungsrat sassen und die Weichen stellten. Und das sind mehrheitlich Politiker der FDP:

Walter Bürgi (FDP): Solothurner Regierungsrat von 1979 – 1987; Atel-Verwaltungsrat von 1981 – 2006, jahrelang als VR-Präsident

Christian Wanner (FDP): Solothurner Regierungsrat von 1995 – 2013; Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) 2008 – 2013; Atel/Alpiq-Verwaltungsrat seit 1996 – 2017, jahrelang als Vize-Präsident

Ulrich Fischer (FDP): Aargauer Nationalrat von 1987 – 2003; langjähriger Direktor des AKW Kaiseraugst, das nie gebaut wurde; Atel-Verwaltungsrat von 1986 – 2006


Rolf Büttiker (FDP): Solothurner Nationalrat von 1987 – 1991 und Ständerat von 1991 – 2011; Verwaltungsrat des AKW Leibstadt von 2003 – 2012; Atel-Verwaltungsrat von 2004 – 2006

Hans Büttiker (FDP): Solothurner Kantonsrat; Chef der Elektra Birseck Münchenstein (EBM) von 1988 – 2012; Atel/Alpiq-Verwaltungsrat von 1988 – 2012

Marcel Guignard (FDP): Aarauer Stadtpräsident von 1988 – 2013; Atel-Verwaltungsrat von 1988 – 2009

Urs Steiner (FDP): Gemeindepräsident von Laufen/BL 1997 – 2004; Landrat BL 1994 – 2002; Geschäftsführer der Elektra Baselland (EBL) 2002 – 2018; Atel/Alpiq-Verwaltungsrat 2004 – 2018

Neben diesen FDP-Politikern sassen die Vertreter der italienischen und französischen Aktionäre sowie die beiden ehemaligen UBS-Banker Urs B. Rinderknecht und Heinrich Steinmann im Atel-Verwaltungsrat. Das linke Feigenblatt im Atel-Verwaltungsrat war der SP-Vertreter Rainer Schaub, der erfolglos für den Baselbieter Regierungsrat kandidierte. 2006 bis 2009 war Schaub sogar Atel-Präsident.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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9 Meinungen

  • am 18.11.2018 um 15:31 Uhr
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    Herr Marti,
    Ich kenne ihre Einstellung gegen unsere Partei! Es steht Ihnen frei gewisse FDP-Vertreter als «Meister der Fehlentscheidungen» zu titulieren. Trotzdem stört ein Detail in ihrer Rolle als Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der schweizerischen Energie-Stiftung (SES) ein bisschen! Solange Sie diese Funktionen bei der SES ausübten, habe ich keine einzige Wiedergabe eines Protestes aus Ihrer Feder in der Zeit wo man die Suche über die Sicherung vom galoppierenden Stromverbrauch europaweit suchte! Ganz im Gegenteil, man war stolz, dass die Schweizer-Elektrowirtschaft, dank Ihr guter Name, Lieferung-Sicherungen für unser Land erwirtschaftete. Alle Fachschriften berichteten darüber und sie sprühten Lob und Weitsicht. Deswegen wünsche ich mir dass, bei der nächste Kältewelle, unsere ganze Strom-Versorgung für 48 Stunden ausfällt! Dann wird dem Publikum das Bild des Chaos vorgeführt und die Seitenhiebe auf unsere «unseriöse» Elektrowirtschaft prallen auf, weil sie ihre Arbeit unseriös ausführt!! Wie haben Sie reagiert, als die Presse die vielen enormen Unterbrüchen der Energie-Versorgung in Europa meldete durch den unzähligen schweren Wetter-Kapriolen des Sommer 2018.

  • am 18.11.2018 um 17:34 Uhr
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    Das sind ungeheurliche Feststellungen. Nachdem bereits seit den 1970er Jahren der Ausstieg aus der (im doppelten Sinn des Wortes) fossilen Energiewirtschaft diskutiert worden ist, kann ich mir die Fehlinvestitionen nicht anders erklären, als durch eine Verbindung von ideologischer Verblendung und kurzsichtigem Management.

  • am 18.11.2018 um 18:45 Uhr
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    Das oberste Prinzip in unseren inzwischen total «verlotterten» und deshalb nur noch Pseudo-Demokratien ist Gewinn-Maximierung zunächst für die Wirtschaft und danach selbstverständlich – als strategisch geplantes Abfallprodukt – für sich selbst. Früher war die Durchsetzung dieses Systems nicht ganz so einfach, denn wir hatten als «Vierte Kraft» eine vergleichsweise unabhängige Presse. Ihr dankenswerter Weise herausgepicktes Beispiel von unfähigen Managern und dazu «passenden» Politikern ist für die kleine Schweiz vielleicht noch bemerkenswert, aber garantier auch längst nicht mehr einmalig; im Weltmasstab ist es nur ein «Mückenschiss"!
    Denn angeführt von den USA geht die «westliche Welt» an sich selbst d.h. an Ihrem ungebremsten , exzessiven Turbo-Kapitalismus zugrunde! Ein offensichtlich angestrebter, uns selbstverständlich als «unvermeidlich"von der Politik verkaufter
    3. Weltkrieg mag das Ende noch etwas beschleunigen und perfektionieren!

  • am 19.11.2018 um 07:56 Uhr
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    Herr Donzé,
    Jedes mal kommt immer einer mit der Keule der «Stromversorgungssicherheit».
    Wann hatten wir denn 2017 keinen Strom? Wieviele Stromunterbrüche hatte uns das fehlende AKW Kaiseraugst nun beschert? Jeder der dagegen demonstriert hatte, sollte die Ehrenmedaille und eine lebenslange Rente erhalten!

    Es gibt in Europa einfach viel zu viel Strom. Die Angst vor einer «Stromlücke» ist zudem keine Entschuldigung für die Vetternwirtschaft der Schweizer Strombranche und ihre FDP-Vertreter!
    Warum darf denn ein Lobbyist der Strombranche Chef des BFE werden? Haben Sie sich dagegen auch schon mal beschwert bei Doris Leuthard?

    Herr Marti hat die Gebirgskantone vor der Senkung der Wasserzinsen bewahrt durch sein Engagement. Die staatlichen Stromkonzerne haben die Vertreter der FDP in die Verschuldung getrieben mit unnötigen und völlig bescheuerten Auslandsinvestitionen.
    @Marti Weiter so, bleiben Sie dran!

  • am 19.11.2018 um 08:22 Uhr
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    Befremdend, wie eine FDP in der Öffentlichkeit ihre von massiven Patzern gesämte «Wirtschaftskompetenz» weiterhin aushöhlt. Gute Voraussetzungen, dass bald eine andere Partei (GLP, CVP) den stümperhaften Wirtschaftskapitänen mit echter ökonomischer Kompetenz den politischen Zahltag abknöpft.

  • am 19.11.2018 um 13:09 Uhr
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    In der «Arena TV-Sendung» vom März 2011, nach Fukushima"; meinte Giovanni Leonardi, «dass wir nie ohne Kernkraft auskommen». Es ging dann ohne Giovanni Leonardi. – Geschadet hat’s ihm nicht, er ist jetzt Verwaltungsrats-Präsident bei der Azienda Electrica Ticinesi AET, bei der er nichts dazugelernt hat, wie man aus dem Tessin hört! – Diese Misswirtschaft zahlen die Steuerzahlerinnen und Strombezüger der Schweiz.

  • am 19.11.2018 um 15:54 Uhr
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    Im Text steht «mehrheitlich FDP Politiker», aufgelistet sind aber ausschliesslich FDP-Politiker. Wer waren die Anderen, und warum werden sie nicht genannt?

  • Fotoktm4
    am 19.11.2018 um 17:00 Uhr
    Permalink

    @Heimers: Wenn Sie auf den Link «Politiker der FDP» drücken, erscheint ein früherer Artikel, in dem weitere Verwaltungsräte genannt werden. Ich habe den entsprechenden Abschnitt jetzt im vorliegenden Artikel noch angefügt.

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