Flugverkehr: Wachstum vor Klimaschutz
Die UN-Luftfahrtbehörde ICAO hat sich im vergangenen Herbst auf ein weltweites Klimaschutzabkommen für den Luftverkehr geeinigt. Die Branche feierte den Beschluss der 191 Staaten als «historischen Moment», doch für den Schutz des Klimas sind die Massnahmen praktisch wertlos. Als «grosse Luftnummer» betitelt das WDR-Magazin «Monitor» das verabschiedete Abkommen und kritisiert gravierende Mängel:
- Statt die klimaschädlichen CO2-Emissionen der Flugzeuge per sofort drastisch zu reduzieren, dürfen Airlines bis 2020 Treibhausgase in unbegrenzter Menge in die Atmosphäre blasen. Und diese Menge – jedes Jahr mehrere hundert Millionen Tonnen – bleibt auch danach unangetastet.
- Das Abkommen regelt nur den Zuwachs an CO2 ab 2020. Diese zusätzlichen Emissionen können allerdings kompensiert werden, zum Beispiel durch Zertifikate für Klimaschutzprojekte, mit denen in Entwicklungsländern der CO2-Ausstoss gesenkt wird. Die Qualitätsstandards für die Ausgleichsprojekte sind noch unklar und deren Wirksamkeit umstritten.
- Die Regeln der ICAO sollen ab 2021 zunächst auf freiwilliger Basis umgesetzt werden, erst ab 2027 sind sie für alle beteiligten Staaten verpflichtend.
Luftverkehr und Schifffahrt bisher immer «vergesssen»
Die Luftverkehrs-Branche hat sich lange dagegen gesperrt, den klimaschädlichen CO2-Ausstoss der Flugzeuge zu zügeln. Vom Pariser Klimaabkommen blieb die Luftfahrt (wie auch die Schifffahrt in internationalen Gewässern) ausgeklammert. Weil ihre Emissionen keinem Land zuzuordnen sind, sollte die UN-Luftfahrtbehörde ICAO Regeln für die Bekämpfung der Treibhausgase im Flugverkehr aufstellen. So haben es die UN-Staaten 1997 im Kioto-Protokoll zum Klimaschutz beschlossen. Doch es dauerte fast zwei Jahrzehnte bis sich die ICAO auf konkrete Massnahmen einigen konnte.
Das Ergebnis ist mehr als dürftig. Die Vorgaben greifen zu spät und sind zu lasch. Umweltexperten bezweifeln, dass damit die klimaschädlichen Emissionen der Flugzeuge tatsächlich reduziert werden. «In dieser Form ist das neue Instrument nicht geeignet, seinen Beitrag zum Klimaziel von Paris zu leisten», so das Fazit von Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. Andere Umweltorganisationen wie der WWF und Myclimate teilen diese Ansicht. Auch Professor Mojib Latif, Klimaforscher an der Universität Kiel, hält die beschlossenen Massnahmen für untauglich. Das Abkommen sei in keiner Weise mit dem Ziel vereinbar, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich weniger als zwei Grad zu begrenzen, kritisiert er im Interview mit «Monitor».
Doppelter Treibhauseffekt
Die Emissionen des Flugverkehrs sind für das Weltklima ein wachsendes Problem. Derzeit macht der CO2-Ausstoss der Flieger rund 2 Prozent der weltweiten Treibhausgase aus. Durch den Boom des Luftverkehrs werden sie weiter kräftig zunehmen. Experten rechnen für die kommenden Jahre mit einem jährlichen Anstieg um rund fünf Prozent. Entsprechend nehmen auch die klimaschädlichen Emissionen zu, selbst wenn moderne Flugzeug-Technolgie den Kerosinverbrauch reduziert. Schätzungen der UNO gehen davon aus, dass bis Mitte dieses Jahrhunderts 22 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses auf das Konto des Flugverkehrs gehen werden.
Hinzu kommt: Weil die Abgase in grosser Höhe in die Luft gelangen werden, schadet jede Tonne CO2 dem Klima weitaus mehr, als wenn sie am Boden entstehen würde. Stickoxide bilden in der Atmosphäre das besonders klimaschädliche Ozon, und der Wasserdampf trägt zur Wolkenbildung bei, was den Treibhauseffekt zusätzlich verstärkt. Solche Prozesse würden die schädliche Klimawirkung der Flugzeug-Emissionen «mindestens verdoppeln», so Klimaforscher Mojib Latif. Das Klimaschutzabkommen der Luftfahrtbranche ignoriert diese Tatsache komplett. Das bedeutet: Ein grosser Teil der Klimaschäden aus der Luftfahrt würde nicht kompensiert.
Lobby setzt sich durch
Ein Klimaschutzabkommen, das vor allem die Flugunternehmen schützt: Zu verdanken haben sie es einer mächtigen Lobby, die das Wachstum der Branche in keiner Weise begrenzen will. Am Verhandlungstisch der UN-Luftfahrtbehörde ICAO sassen auch Vertreter der Industrie, berichtet «Monitor», so auch die Lufthansa und der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.
Auch die Regierungen, die sich in Kioto, Paris oder Marrakesch für den Klimaschutz stark machten, knicken ein, wenn es um den Luftverkehr geht: Statt einen der grössten Verursacher von Treibhausgasen hart in die Pflicht zu nehmen, subventionieren sie seit Jahrzehnten den Flugverkehr direkt und indirekt mit Milliardenbeträgen. Die Umwelt-, Lärm- und Unfallkosten hingegen, die der Flugverkehr verursacht, werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Flugunternehmen zahlen keine Kerosinsteuer, in Deutschland für internationale Flüge auch keine Mehrwertsteuer auf Tickets (in der Schweiz ebenfalls keine). Auch für den Bau, Ausbau und Betrieb von Flughäfen gibt es grosszügige Staatshilfen, die EU hat sogar die Entwicklung und Herstellung des Airbus A380 mit über fünf Milliarden Euro Steuergeldern subventioniert.
Das alles fördert das Wachstum des klimaschädlichen Flugverkehrs, und macht Geschäftsleute und Touristen zu Vielfliegern, weil der Staat die Flugtickets künstlich verbilligt. Müssten die Fluggesellschaften Kosten und Schäden selber zahlen, die der Flugverkehr verursacht, wäre Fliegen massiv teurer. Stark erhöhte Transportkosten hätten auch wohltuende Folgen für den globalisierten Welthandel. Es würde nicht mehr an volkswirtschaftlich falschen Orten produziert und eine regionalere Produktion würde sich wieder lohnen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
nicht nur Luftfahrt und Schiffahrt sind von Ausnahmen, auch die Streitkräften….
In dieses traurige Kapitel des unterlassenen Klimaschutzes gehört auch, dass im Laufe der letzten zwanzig Jahre nahezu aller Nachtzüge in Europa eingestellt wurden. Nachtzüge nach Bari, Rom, Barcelona, Madrid, Paris, London, Brüssel, Amsterdam, Düsseldorf und Kopenhagen wurden alle eingestellt. In den Neunzigerjahren hatte ich alle diese noch für Geschäftsreisen genutzt – den nach Amsterdam noch letztes Jahr. Übrig bleiben noch die ausgezeichneten Züge der ÖBB NightJet nach Hamburg, Prag, Wien, Budapest und Graz.
Europaflüge waren 1990 unnötig. Mit dem Nachtzug war man früher am Ort und konnte später wieder nach Hause fahren. Man musste nicht um 4 Uhr morgens zum Flughafen. Und der CO2-Ausstoss lag bei weniger als einem Zwanzigstel der Flugmaschinen.
Preislich liegen Nachtzüge mit allem Komfort – Einzelkabine mit Dusche & WC – auch heute noch immer noch deutlich unter Flugpreisen, obwohl man nebst Reise und Service auch Trassee und Mehrwertsteuer voll bezahlen muss.
Ich habe Verständnis dafür, dass lokale orientierte Eisenbahnen wie die SBB dem Lokalverkehr Priorität zubilligen, aber warum gibt es noch immer keine europaweite Fernverkehrsgesellschaft? Ah ja, weil die Staatsbahnen ihre Pfründe schützen?