Kommentar
Kritik an US-Sanktionen gegen Internationalen Strafgerichtshof
US-Außenminister Mike Pompeo hat gegen die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ISTGH), Fatou Bom Bensouda, gegen den Leiter der Abteilung für internationale Zusammenarbeit des ISTGH, Phakiso Mochochoko, sowie mehrere namentlich nicht genannte Mitarbeiter des Gerichtshofes die Verhängung von Einreisesperren, die Beschlagnahmung von möglichen Besitztümern in den USA und weitere, zunächst nicht näher bezeichnete „Massnahmen“ verkündet.
Pompeo begründete diese Sanktionen mit den Ermittlungen des ISTGH zu mutmasslichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von US-Soldaten in Afghanistan sowie von Angehörigen des Geheimdiensts CIA in Geheimgefängnissen der USA in Polen, Rumänien und Litauen in den Jahren 2003 bis 2014. Den seit 2002 tätigen Strafgerichtshof mit seinen 123 Mitgliedsstaaten beschimpfte der US-Außenminister als «durch und durch kaputte und korrupte Institution».
„Diese Sanktionen sind schwere Angriffe gegen das Gericht und die Rechtsstaatlichkeit und ein erneuter Versuch der USA, in die Unabhängigkeit des Gerichts einzugreifen“ erklärte ein ISTGH-Sprecher am späten Mittwochabend. Der Präsident der Versammlung der 123 Mitgliedsstaaten des ISTGH, O-Gon Kwon, verurteilte die Massnahmen der USA als „beispiellos und inakzeptabel“. UN-Generalsekretär António Guterres äusserte seine „Besorgnis“ über die Schritte der US-Regierung.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte die Sanktionen als „völlig fehlgeleitet“. In Deutschland verurteilten die für Aussenpolitik zuständigen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Omid Nouripour und Jürgen Trittin, den „rücksichtslosen und schockierenden Angriff der Trump-Administration nicht nur gegen den ISTGH sondern gegen das gesamte Völkerrecht“. Die beiden Abgeordneten forderten „die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft“ auf „jeden Versuch der Druckausübung auf den Gerichtshof und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entschieden zurückzuweisen“. Eine „starke und einheitliche Reaktion“ auf die Massnahmen der Trump-Administration müsse „dringende praktische Massnahmen umfassen, um die Auswirkungen der Sanktionen auf das Personal und die Operationen des Gerichtshofs zu negieren“.
Im März hatte eine Vorprüfungskammer des ISTGH grünes Licht gegeben für Ermittlungen von Chef-Staatsanwältin Bensouda zu mutmasslichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Afghanistan in den Jahren 2003 bis 2014. Dabei geht es um mögliche Verbrechen der radikalislamischen Taliban und von afghanischen Regierungstruppen, aber auch ausländischer Militärs – besonders von US-Soldaten und Angehörigen des US-Geheimdienstes CIA. Die Ermittlungen beziehen sich auch auf die Geheimgefängnisse der USA in Rumänien, Polen und Litauen, in denen von Washington des Terrorismus verdächtigte Personen inhaftiert, gefoltert und ermordet wurden. Laut seinem Statut kann der Gerichtshof wegen mutmasslicher Verbrechen auf den Territorien dieser Mitgliedsländer auch gegen US-Staatsbürger*innen ermitteln, obwohl die USA dem ISTGH nicht beigetreten sind. Im Juni hatte US-Präsident Donald Trump per Dekret die jetzt von Aussenminister Pompeo verkündeten Sanktionen bereits angedroht.
Straftat gegen internationale Rechtspflege
Die Sanktionen und Drohungen der Trump-Administration gegen die Chefanklägerin und weitere Angehörige des Internationalen Strafgerichtshofs (ISTGH) sind eine Straftat gegen die internationale Rechtspflege. Sie sind auch ein bislang beispielloser Vorgang in der Geschichte des Völker(straf)rechts, bei dessen Begründung in Form der UNO-Charta sowie der Definition der vier internationalen Kernverbrechen – Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Angriffskrieg – anlässlich der Nürnberger Prozesse die USA einst die führende Rolle hatten. Damit ist es allerdings schon lange vorbei, nicht erst seit Amtsantritt der Trump-Administration. Unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton stimmten die USA 1998 in Rom bei der ISTGH-Gründungskonferenz – gemeinsam isoliert mit China, Israel, Irak, Libyen, Jemen und Katar- gegen das von 122 Staaten angenommene Statut für den ISTGH. Die Administration des Demokraten Barack Obama, dessen sechs erste Amtsjahre (2008-2014) in den Zeitraum fallen, für den das ISTGH Ermittlungen zu mutmasslichen Verbrechen von Soldaten und Geheimdienstlern der USA durchführen will, verweigerte jegliche Kooperation mit dem Gerichtshof zur Aufklärung dieser Verbrechen. Joe Biden wird nach einem eventuellen Wahlsieg im November wahrscheinlich die wüsten Schimpfkanonaden von Trump und Pompeo gegen den ISTGH nicht wiederholen und vielleicht sogar die jetzt verhängten Sanktionen wieder aufheben. Aber mit einer aktiven Kooperation Washingtons oder gar einem Beitritt der USA zum ISTGH ist leider nicht zu rechnen.
Damit das schlechte Vorbild der USA unter den ebenfalls bislang noch abstinenten über 60 Staaten nicht Schule macht, müssen die 123 ISTGH-Mitgliedsstaaten jetzt deutlich und entschieden auf die Anmaßungen aus Washington reagieren. Nicht nur mit rhetorischer Kritik, sondern auch mit ganz konkreten Massnahmen zum Schutz der Chefanklägerin und aller anderen Angehörigen des Gerichtshofes. Die Schweiz, Österreich und Deutschland, die sich in den 1990er Jahren ganz besonders stark für die Schaffung des ISTGH engagiert hatten, sollten sich jetzt ähnlich aktiv für dessen Schutz einsetzen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Vielen Dank Herr Zumach für den ausgezeichneten Artikel. Es gibt dazu keine Ergänzung und noch weniger irgendwelche Kritik. Es ist einfach unglaublich, wie sich die Grossmacht USA immer mehr als Gerechtigkeits- und Friedenshindernis gebärdet. Ganz allgemein noch zu Herrn Zumach: Seine Artikel sind immer ein Lektüremuss!
Gemäss Wikipedia kann der IStGH nur über Individuen und nicht über Staaten zu Gericht sitzen. Am 17.7.2018 wurde auch das Verbrechen der Aggression (Invasion, Besetzung eines anderen Staates sowie Bombardierung und Blockade von Häfen und Küsten) in die Statuten aufgenommen. Fügt man beide Bestimmungen zusammen, dann muss man sich fragen, was die USA vorhaben, denn mit dieser Sanktion haben sich die USA auf eine Stufe unterhalb von China, Iran, Israel, Kuba, Nordkorea, Russland, Saudi-Arabien, Sudan und die Türkei begeben. Diese angebliche Demokratie wird mit Geld, durch Geld und für Geld regiert. Ihre Heuchelei ist unerträglich geworden, und wenn sich nichts ändert wird sie uns in einen dritten und endgültigen Weltkrieg führen.
Die national-libertären Machteliten der USA wollen eben auch völlig frei von ‹Fremden Richtern› ihre Macht und Gewalt im In- u. Ausland genussvoll ausüben und vermehren.
In einem politischen Seminar habe ich gefragt, ob viele Verteidigungs-Ministerien nicht in Kriegs-Ministeriem umbenannt werden müssten. Der Spezialist für Internationales Vertrags- und Völkerrecht sagte zuerst nur ‹NEIN›.
– Grosses Erstaunen und Murren im Auditorium.
Dann kam doch noch die erstaunliche Begründung :
Gemäss Völkerrecht muss es eine ordnungsgemässe Kriegserklärung des Aggressors/Angreifers/Gegenangreifers geben, damit es sich um einen «Krieg» handelt und es ‹formal› Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerrechts geben kann. Die letzte Kriegserklärung hätte es im Koreakrieg gegeben.
Seit dem werden nur noch sogenannte «bewaffnete Konflikte» geführt.
Quid licet Iovi, non licet bovi (Was dem Jupiter erlaubt ist, ist Ochsen nicht erlaubt), war schon eine gängige Redensart im Imperium Romanum.
Das Völkerrecht müsste im Sinne der ‹materiellen› Recht sowieso ergänzt werden, um sogenannte Wirtschafts- u. Finanz-Kriege und die beliebten Sanktionen/Embargos, wenn damit unschuldige Menschen im Volk geschädigt werden und/oder es zu Kollateralschäden kommt.
es ist ungeheuerlich, was sich diese US-Regierung erlaubt, und dies angesichts der Interventionen in alles Kontinenten des Südens und der «Ausbildungstätigkeiten» des CIA u.a. in Salvador. Doch das stört im deutschen Bundestag außer zwei Grünen niemand. Und Frau AKK von der CDU möchte mehr «atomare Teilhabe» im Kniefall vor dem blondgewellten Psychopathen