Sperberauge
Nur noch die Lieblings-Radiomoderatorin im Ohr
Scherze zum 1. April sind vor allem in den Medien eine Tradition. Oft sind sie lustig, manchmal hinreissend albern oder einfach nur doof. Selten jedoch sind sie klug. Eine Ausnahme war gestern der Scherz am frühen Morgen auf Radio SRF 1:
Hörerinnen und Hörer könnten jetzt per App selber wählen, welche Radiostimme sie durch die Sendung begleiten soll. Auch den Dialekt der Moderatorinnen und Moderatoren könne man am Radiogerät nach persönlicher Vorliebe einstellen, wurde die revolutionäre Neuerung angekündigt. Künstliche Intelligenz und modernste Technik würden es möglich machen, Stimmen ohne grossen Aufwand digital zu verändern. Die Radioleitung habe keine Mühen gescheut, diese Neuerung einzuführen. Denn schliesslich wollten KonsumentInnen in der heutigen Zeit selber bestimmen können, wann und wie sie eine Sendung hören möchten. Die freie Wahl habe höchste Priorität. Und die Medien seien unter hartem Konkurrenzdruck.
Wer sich von dieser Ankündigung zuerst erfreuen oder aufschrecken liess, um dann erst richtig wach zu werden, begriff allmählich … und kam vielleicht sogar ins Grübeln: Sind wir tatsächlich schon so weit, dass wir die Auflösung von Identitäten als möglich – vielleicht sogar als wünschbar – erachten? Und ist es sogar möglich, dass die Verantwortlichen von SRF eine leise Selbstkritik üben, indem sie ihren Digitalisierungswahn ins Absurde steigern? Das wäre zumindest ein Lichtblick an diesem heiteren Aprilmorgen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Die Journalistin und Autorin Linda Stibler war über 40 Jahre in verschiedenen Medien tätig, unter anderem in der damaligen National-Zeitung, in der Basler AZ und bei Radio DRS (heute SRF).