Glysophat_Montage_1

Präsident der Ärztevereinigung Portugals (links) – Glyphosat-Spezialisten prüfen deformiertes Ferkel © cc / zdf

Ärztekammer Portugals fordert Glyphosat-Verbot

Daniela Gschweng /  «Dieses Herbizid sollte verboten werden», sagt José Manuel Silva, Präsident der portugiesischen Ärzteverbindung.

«Die krankmachenden Mechanismen von Glyphosat sind wohlbekannt», davon geht José Manuel Silva aus. Der Präsident der portugiesischen Ärzteverbindung fordert ein weltweites Verbot von Glyphosat.

Man könne nicht warten, bis auch der letzte Zweifel ausgeräumt sei, sagt er. In klaren Worten fordert Silva die Ärzteschaft auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und Umweltprobleme als Gesundheitsrisiken anzuerkennen.

Die portugiesische Regierung und das Generaldirektorat für Gesundheit sollten umgehend Schritte einleiten, um die Nutzung der Chemikalie einzuschränken, schrieb Silva im Editorial des Magazins der portugiesischen Ärztekammer bereits Mitte 2015 (englische Übersetzung). Über diese erstmalige Forderung einer nationalen Ärztegesellschaft haben Schweizer Medien bisher nicht berichtet.

Viele Gifte zeigten anfangs nur wenig Wirkung auf Menschen

Einige Monate zuvor hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat aufgrund einer Studie, die in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, als «möglicherweise krebserregend» eingestuft (siehe Infosperber: WHO: Monsanto-Gift «wahrscheinlich krebserregend») . Der Grund, weshalb Glyphosat nicht als «krebserregend» eingestuft werde, sei lediglich das Fehlen epidemiologischer Daten, argumentiert Silva.

Nicht ganz ohne Grund: Epidemiologisch belastbare Beweise können wegen der meist komplexen Datenlage durchaus Jahrzehnte auf sich warten lassen. Silva erinnert in seinem Text daran, dass viele heute anerkannte Gifte anfangs nur wenig belastende Wirkung auf Menschen zeigten.

Für die meistgenutzte Agro-Chemikalie der Welt ist die Datenlage dünn

Wenn überhaupt, hätte sich die IARC «auf der konservativen Seite» verschätzt, sagt er. Für Silva sind dessen Daten Grund genug, um «extrem besorgt» zu sein. Gleich drei Studien der IARC zeigten einen Zusammenhang zwischen Glyphosat-Exposition und einer bösartigen Erkrankung des Lymphsystems (Non-Hodgkin-Lymphom) auf, führt er an.

Glyphosat-Spezialisten der Universität Leipzig untersuchen deformiertes Ferkel. Bericht hier. (Bild zdf)
Glyphosat ist die meistgenutzte Agro-Chemikalie der Welt. Die fast zehn Millionen Tonnen des Herbizids, die seit der Markteinführung verkauft wurden, würden laut «Newsweek» genügen, um jeden kultivierten Hektar der Welt damit zu besprühen.

Die Datenlage zu dessen möglicher Schädlichkeit sei im Vergleich zur weltweit umfassenden Nutzung dünn, bemerkt Silva. Wechselwirkungen mit anderen chemischen Stoffen seien von der IARC beispielsweise noch nicht untersucht worden. Bekannt sei aber, dass die Giftigkeit von Pestiziden zu einem massgeblichen Teil darauf zurückzuführen sei. Auch die synergetische Wirkung mit anderen weniger gefährlichen Stoffen wie Alkohol sei nicht klar. Diese könnten zum Beispiel die schädliche Wirkung auf die Leber verstärken.

Behindertes Kind in Argentinien: Mutter und Ärzte geben dem Pflanzenschutzmitttel Glyphosat schuld. Bericht hier. (Bild zdf)

«Dieses Herbizid sollte weltweit verboten werden»

Mehrere wissenschaftliche Artikel, fährt er fort, wiesen nach, dass Glyphosat ein Risikofaktor für Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), angeborene Missbildungen, Unfruchtbarkeit, Nierenkrankheiten, Autismus und andere Krankheitsbilder sei. Die verschiedenen pathogenen Auswirkungen von Glyphosat auf den Stoffwechsel seien gut bekannt, sagt Silva und zählt einige davon auf. Für medizinische Laien ist die Aufzählung schwer verständlich, die Schlussfolgerung, die Silva daraus zieht, nicht:

«Das weltweit anerkannte Vorsorgeprinzip besagt, dass angesichts klarer Beweise für die Schädlichkeit [von Glyphosat] Massnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit nicht aufgeschoben werden dürfen, bis ein endgültiger wissenschaftlicher Beweis vorliegt….Dieses Herbizid sollte weltweit verboten werden».

Ärzte könnten sich ihrer Verantwortung nicht weiter entziehen, sie müssten Umweltprobleme als mögliche Bedrohung der Gesundheit wahrnehmen, mahnt er die Kollegen. Ökonomische Argument könnten und dürften nie stärker sein als der Schutz der öffentlichen Gesundheit. Glyphosat sei nur ein Beispiel unter vielen.

Weitere Reaktionen auf die IARC-Studie

Die Diskussion um eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat hält weltweit an. In der Schweiz haben die Grossverteiler Migros und Coop nach Bekanntwerden der IARC-Studie glyphosathaltige Produkte für den Hausgebrauch aus dem Sortiment genommen. Der Bundesrat denkt über eine Gefährdungsstudie für die Schweiz nach. Anfang Februar 2016 haben zudem Greenpeace Schweiz und die Stiftung für Konsumentenschutz eine Petition für ein Glyphosat-Verbot eingereicht.

Die EU-Kommision hat trotz des IARC-Berichts im November 2015 die Zulassung von Glyphosat vorerst bis zum Juni 2016 verlängert. Eine Neubewertung steht also demnächst an.

Kalifornien hat im vergangenen Jahr angekündigt, Glyphosat auf die Liste krebserregender Stoffe zu setzen. Das würde die agrochemische Industrie zu einer Kennzeichnung zwingen. Betroffen wäre vor allem Monsantos Top-Seller «Round-Up». Das Unternehmen hat gegen das Vorhaben Kaliforniens kürzlich Klage eingereicht.
….
Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «Sustainable Pulse» und anderer Quellen erstellt. Deutschsprachige Medien haben bisher nicht darüber berichtet.

Siehe


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Glyphosat

Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 25.02.2016 um 11:48 Uhr
    Permalink

    Welches Glück haben wir Rentnerinnen und Rentner, dass wir in einer weitgehend pestizidfreien Umwelt aufgewachsen sind. Ich sorge mich ob der hohen Umweltverschmutzung um die Gesundheit unserer Kinder, Enkelinnen und Enkel.

  • am 1.03.2016 um 12:39 Uhr
    Permalink

    Ja, wo bleiben da unsere Ärzte?? Warum warnen sie nicht davor? Überhaupt, warum muss der Bürger nachweisen, dass Produkte ihm schaden und nicht müssen nicht die Produzenten hieb und stichfest beweisen, dass Produkte nicht schädlich sein können?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...