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CVP-Präsident Gerhard Pfister: «Entweder wird Europa wieder christdemokratisch oder scheitern» © parlament

Deutungshoheit eines «mitfühlenden» Konservativen

Kurt Marti /  CVP-Präsident Gerhard Pfister will Europa und die Schweiz «christdemokratisch» retten. Die CVP-Werte-Fabrik treibt es immer bunter.

CVP-Präsident Gerhard Pfister hat am Sommerparteitag der CVP im Appenzellischen eine «Wertedebatte» lanciert. Im Folgenden werden die zentralen Aussagen von Pfisters Rede zitiert und kommentiert:

Fortgesetzte Konfusion über die «christlichen Werte»

Gerhard Pfister: «Was ist denn so schlecht an christlichen Werten, die dem Schweizerischen Rechtstaat und dem politischen Erfolgsmodell der Konkordanz zugrunde liegen?»

Kommentar: Das Positive gleich vorweg: Die CVP bekennt sich zur offenen Gesellschaft und zu den Freiheitsrechten. Das war in der Geschichte der christlichen Parteien und deren Religion nicht immer so (siehe unten). Die historische Last drückt schwer. So schwer, dass die CVP alle Schaltjahre wieder verzweifelt nach dem Inhalt des hohen C in ihrem Namen suchen muss.

Letztmals tat dies Bundesrätin Doris Leuthard vor vier Jahren. Sie bezeichnete den «Einsatz für sozial Schwache» als christliches CVP-Prinzip und bezog sich auf eine Studie des konservativen «Instituts für Demoskopie Allensbach», das allerdings zum Schluss kam, der Begriff der christlichen Politik sei «mit Inhalten aufgeladen worden, die man eher als links oder als linksliberal denn als konservativ bezeichnen kann.»

Ein Blick in die Provinz verstärkt die Konfusion der CVP über die CVP-Werte. Beispielsweise Markus Zemp, der Präsident der Aargauer CVP und frühere Nationalrat, bezeichnete in der Zeitung des Aargauer Gewerbeverbandes «moderate Steuern und attraktive Standortvorteile» als «klassische CVP-Werte».

Doch wie steht es mit den Menschen- beziehungsweise Freiheitsrechten? Bereits im Jahr 2010 wollte die CVP von ihren Mitgliedern wissen, was sie unter den «christlichen Werten» verstehen. Die vier meistgenannten Antworten waren: Freiheit, Selbstverantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität. Darauf spottete der frühere CVP-Generalsekretär Hilmar Gernet zu Recht, dies seien «mit Verlaub» keine typischen CVP-Werte, sondern vielmehr die Grundlagen unseres Staates, welche in der Bundesverfassung verankert sind.

Tatsächlich fundiert der demokratische Rechtsstaat der Schweiz nicht auf den christlichen Werten, wie das Pfister behauptet, sondern auf den Prinzipien, die vor zweihundert Jahren durch die Aufklärung gegen die Macht der katholischen Kirche und des absolutistischen Hofstaats erkämpft wurden. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Chuzpe die CVP-VertreterInnen die Prinzipien der Aufklärung als christliches Eigengewächs auszugeben versuchen.

Mit Blick auf die Geschichte der Aufklärung ist es nicht uninteressant zu wissen, dass Pfister seit letztem Mai im Stiftungsrat der «Fondation 1792» sitzt, die den Schweizergardisten, die 1792 in Paris im Dienste von Louis XVI. gefallen sind, ein ehrenvolles Andenken bewahren will. Also im Gedenken an jene Söldner, die die Monarchie im Kampf gegen die Aufklärung und die Freiheitsrechte verteidigen wollten und dafür sogar ihr Leben opferten.

«Mitfühlender Konservativismus» als konkrete «Nächstenliebe»

«Für mich persönlich ist zum Beispiel ein sogenannter ‚mitfühlender Konservativismus‘ eine zukunftsfähige politische Konkretisierung der Nächstenliebe.»

Pfisters «Konkretisierung der Nächstenliebe» durch den «mitfühlenden Konservativismus» ist brisant. Bekannt gemacht hat den Begriff des «mitfühlenden Konservativismus» («Compassionate Conservatism») der frühere US-amerikanische Präsident George W. Bush in seiner Antrittsrede im Jahr 2001. Damals kündigte Bush Steuersenkungen an und als Folge davon Kürzungen der Sozialausgaben. Um aber der christlichen Verpflichtung gegenüber den Armen trotzdem nachzukommen, schlug Bush vor, dass kirchlich-religiöse Gruppen mitfühlend in die soziale Bresche springen. Man darf also gespannt sein, wie die erneut aktivierte CVP-Werte-Fabrik den «mitfühlenden Konservativismus» mit Inhalt füllt.

Was die «Nächstenliebe» betrifft, sprechen die Erkenntnisse der Evolutionären Ethik gegen die Vereinnahmung durch das Christentum: Vorformen der «Nächstenliebe» gibt es nämlich schon in der Tierwelt, zum Beispiel bei den Bonobos-Affen, welche die erbeutete Nahrung mit Artgenossen teilen. Auch die ersten Menschen praktizierten die «Nächstenliebe», welche nach der Regel «Wie du mir, so ich dir» funktionierte. Dieser sogenannte «reziproke Altruismus» basierte auf dem Egoismus der einzelnen Gruppenmitglieder, denn damit erhöhten sie ihre Überlebens-Chancen. Die «Nächstenliebe» funktionierte also schon Hundertausende von Jahren bevor es Christen gab. Wenn schon gehört das Patentrezept der Evolution, aber sicher nicht den Christen!

Befangenheit der christdemokratischen Vertreter

«Man sollte die Weigerung von Pubertierenden, einer Lehrerin die Hand zu geben, nicht dramatisieren, aber auch nicht verharmlosen. Wer letzteres tut, kann morgen verlangen, dass er Frauen auch sonst nicht respektieren muss. (…) Die CVP ist prädestiniert dazu, im aufziehenden Konflikt mit fundamentalistischen Ideologen Stellung zu beziehen für eine christlich fundierte westliche Gesellschaft und deren Rechtsverständnis. (…) Wir sind das Kompetenzzentrum der C-Politik.»

Die VertreterInnen der CVP sind in dieser Sache befangen. Ihre eigene religiöse Institution – die katholische Kirche – diskriminiert die Frauen, die Homosexuellen, die Geschiedenen und die abgesprungenen Zolibatären. Zudem hat der Vatikan bis heute die Menschenrechtserklärung nicht unterzeichnet und verweigert sich demokratischen Strukturen. Diese Art der Diskriminierung und Unverträglichkeit mit dem demokratischen Rechtsstaat geht weit über den verweigerten Handschlag eines muslimischen Pubertierenden hinaus.

Deshalb darf sich die CVP nicht als prädestiniertes Kompetenzzentrum in dieser Sache aufspielen, sondern kann wie alle anderen Parteien ihre Sicht in die politische Diskussion einbringen. Die Probleme hingegen müssen aus der religionsneutralen Sicht des sakulären Staats gelöst werden. Dabei müssen alle Religionen gleich behandelt werden.

Anmassende «Deutungshoheit» über Europa

«Entweder wird Europa wieder christdemokratisch, oder Europa wird scheitern. Ich wiederhole diesen Satz, denn ich bin davon tief überzeugt: Entweder wird Europa wieder christdemokratisch, oder Europa wird scheitern. (…) Ich bin überzeugt: gerade die CVP hat hier DIE Kompetenz, DIE Erfahrung und DIE Grundhaltungen, die sie befähigen, Deutungshoheit zu übernehmen.»

Gegen diese aufdringliche «Deutungshoheit» unter christlicher Flagge spricht in erster Linie die römisch-katholische Geschichte. Nach der Gründung der Eidgenossenschaft im Jahre 1848 fuhren die Vorläufer der heutigen CVP, die Katholisch-Konservativen, im Fahrwasser des Vatikans, der sich gegen die Demokratie und die Freiheitsrechte stemmte, insbesondere gegen die Religionsfreiheit. Vor 150 Jahren verurteilte Papst Pius IX. die Demokratie, die Pressefreiheit und Religionsfreiheit. Letztere anerkannte der Vatikan erst mit dem 2. Vatikanischen Konzil 1965.

Nicht nur gegen die offene Gesellschaft, sondern auch gegen die Wissenschaft als Motor des Fortschritts stellte sich der Vatikan und mit ihm die Katholisch-Konservativen. Noch vor hundert Jahren, am 1. September 1910, zwang Papst Pius X. die Kleriker zum Anti-Modernisten-Eid gegen die wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Auf Papst Pius X. berufen sich die erzkonservativen Piusbrüder, die dem Gründer der Piusbruderschaft, Erzbischof Marcel Lefebvre huldigen, der 1985 in einem Schreiben an Papst Johannes Paul II. die Juden, Kommunisten und Freimauer zu Feinden der katholischen Kirche erklärte. Gleichzeitig sympathisierte Lefebvre mit den katholischen Diktatoren Franco und Pinochet, aber auch mit Jean-Marie Le Pen, dem Chef des Front National. Die Piusbruderschaft geniesst Sympathien in rechtskonservativen Kreisen, beispielsweise der Unterwalliser CVP (siehe Infosperber: «Sodom und Gomorra: Pius-Brüder flehen den Papst an»).

Pfisters Behauptung, Europa werde scheitern, wenn es nicht unter der christdemokratischen Deutungshoheit segle, ist eine Anmassung. Europa hat über 1000 Jahre unter der christlichen «Deutungshoheit» gelitten. Erst das Zeitalter der Aufklärung führte zur offenen Gesellschaft, zu den Freiheitsrechten, zu Wissenschaft und Technik, zu Demokratie und Rechtsstaat.

Fazit: Primat der Politik und des Staates vor den Religionen

Wenn die CVP die Freiheitsrechte der Aufklärung als ursprünglich christliche Werte ausgibt und damit implizit das Primat des Christentums vor der Politik und dem Staat predigen möchte, dann ist der Protest der aufgeklärten Vernunft geboten. Das Primat gehört dem säkularen Staat, der die Freiheitsrechte garantieren und die Religionen aus religionsneutraler Perspektive in ihre Schranken weisen muss.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Zum Infosperber-Dossier:

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Parteien und Politiker

Parteien und Politiker drängen in die Öffentlichkeit. Aber sie tun nicht immer, was sie sagen und versprechen.

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29 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 9.09.2016 um 13:33 Uhr
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    Martis Feindbild ist quasi von Natur aus und aus regionalen und möglicherweise biographischen Gründen die CVP, besonders deren katholisch-konservative Reste, die im Wallis noch relevant sind, teilweise auch in SVP-Umwandlung. Insofern ist dieser Artikel einzuordnen.

    Klar ist, dass es im Wallis eine Opposition benötigte, etwa in der Tradition der Roten Anneliese. Davon spürt man immer noch viel in den vielfach meist noch guten Artikeln Bodenmanns in der «Weltwoche». Es war indes einst noch viel schlimmer mit den «christlichen Werten». Gemäss einem Plädoyer von Alfred Escher aus dem Jahre 1845 wurde in Turtmann der erste dort beerdigte Reformierte, ein Berner namens Flückiger, wieder ausgegraben, woran nach Escher angeblich die Jesuiten schuld gewesen sein sollen. Es war aber wohl der alte Geisterglaube an «Boozu», umgehende Totengeister. Escher engagierte sich aber mit Recht für fortschrittliche Beerdigungsgesetze, Zivilehe, moderne, nicht von der Religion beeinflusste Schulen und Hochschulen, die von den Konservativen bekämpfte Judenemanzipation, weil er für einen einheitlichen Schweizer Wirtschaftsraum und im Prinzip schon für Globalisierung war. Dazu stellten nicht nur alter Aberglaube, auch die von den Konservativen vertretenen sog. «christlichen Werte» ein Hindernis dar.

    Pfister steht und lebt im Dilemma zwischen dem Alten und dem Neuen. In seinem von Hürlimann beschriebenen Kanton Zug hat Eschers Geist längst gesiegt.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 9.09.2016 um 18:06 Uhr
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    PS. Noch zum Verständnis des obigen Kommentars: Alfred Escher (1819 – 1882), der grosse Eisenbahnbaron Zürichs und auch ohne Bundesratsmandat wichtigster Politiker der damaligen Schweiz, darf nicht mit dem Walliser Bundesrat und kath.-konservativen Politiker Josef Escher (1885 – 1954) verwechselt werden. Josef Escher, begraben in Glis, wie Bodenmanns Vater und der Dichter Edzard Schaper, war im Gegensatz zu Roger Bonvin, mit dem Abstieg und Zerfall der Walliser CVP begannen, noch ein glaubwürdiger konservativer Politiker alter Schule.

  • am 9.09.2016 um 19:28 Uhr
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    Es erstaunt mich immer wieder, dass viele Christen denken, sie hätten die guten Werte erfunden und für sich gepachtet. Und es ist nicht die einzige Religion welche so denkt, und arrogant daherkommt. (Dabei gab es alle guten Werte schon lange vor ihnen, trotz ihnen und nicht wegen ihnen). Und die CVP versucht sich dieses Potential zunutze zu machen. Wir sind Christen, wir sind die Auserwählten, die Elite, die Erlösten, alle anderen kommen in die Hölle. Auch eine Form von Religionskrieg. Vielleicht regnet es ja mal «Verstand» damit dieses Genöhle mal ein Ende hat. Religion ist Privatsache und hat in der Politik nichts zu suchen. Gute Werte, die gehören in die Politik, mehr denn je.

  • am 9.09.2016 um 19:28 Uhr
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    Es erstaunt mich immer wieder, dass viele Christen denken, sie hätten die guten Werte erfunden und für sich gepachtet. Und es ist nicht die einzige Religion welche so denkt, und arrogant daherkommt. (Dabei gab es alle guten Werte schon lange vor ihnen, trotz ihnen und nicht wegen ihnen). Und die CVP versucht sich dieses Potential zunutze zu machen. Wir sind Christen, wir sind die Auserwählten, die Elite, die Erlösten, alle anderen kommen in die Hölle. Auch eine Form von Religionskrieg. Vielleicht regnet es ja mal «Verstand» damit dieses Genöhle mal ein Ende hat. Religion ist Privatsache und hat in der Politik nichts zu suchen. Gute Werte, die gehören in die Politik, mehr denn je.

  • am 10.09.2016 um 10:05 Uhr
    Permalink

    «Gegen diese aufdringliche «Deutungshoheit» unter christlicher Flagge spricht in erster Linie die christ-katholische Geschichte.» Diese Behauptung wird nicht weiter ausgeführt. So bleibt mir schleierhaft, was die doch sehr kleine und eher junge (aus dem 19. Jhdt. stammende) Christkatholische Gemeinschaft damit zu tun haben soll?

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 10.09.2016 um 10:30 Uhr
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    @Gubler. Höchste Zeit, dass Sie sich wieder mal melden. Sie täuschen sich aber, wenn Sie glauben, Religion sei Privatsache. Es ist – ich selber gehörte seit 1973 zu Kämpfern in dieser Sache, aber auch etwas radikaler Ludwig A. Minelli – nie gelungen, den öffentlichrechtlichen Status von Religionsmeinschaften in Frage zu stellen. Jetzt will man sogar, wegen der «Gleichberechtigung», dem Islam Wege zur öffentlichrechtlichen Anerkennung ebnen, was ja dann wohl noch früh genug geschieht, wenn sie die grösste Religionsgemeinschaft der Schweiz sein werden.

    Ausserdem gibt es leider zivilreligiöse Gründsätze, die auch in die Bundesverfassung reingeschmuggelt wurden, Nietzsche nannte solche den «unvollständigen Nihilismus». Über Religion, lieber Gubler, müssen Sich sich wohl weiterhin ärgern.

    @Nobel. Der Begriff «christkatholisch» wurde noch von den Römisch-Katholischen im 19. Jahrhundert gebraucht. Der Verein freisinniger Katholiken, eigentlich eine Religionsgemeinschaft ohne Massenbasis von Anfang an, nannte sich früher Altkatholizismus. Diese kleine Gemeinschaft ist interessant. Vgl. Paulin Gschwind: Geschichte der Entstehung der christkatholischen Kirche in der Schweiz (1910). Dass sie öffentlich-rechtlich anerkannt ist trotz ihr Winzigkeit, ist darauf zurückzuführen, dass sie im Kulturkampf mit staatlicher Hilfe in Solothurn, Aargau und Bern öffentlichrechtlich wurde, eine Zeitlang als einzige anerkannte «katholische Kirche» galt. Jo Lang u. ich publizieren darüber ein Buch.

  • am 10.09.2016 um 10:39 Uhr
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    @Meier: Danke für die interessanten Ausführungen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass der Autor des Artikels, der ja auf die römisch-katholische CVP fokussiert, wohl eine sprachliche Ungenauigkeit machte an dieser Stelle. Wenn er aber die Christkatholische Gemeinschaft gemeint haben sollte, vermisse ich die Ausführungen, welchen Stellenwert er der kleinen Gruppe in diesem Artikel, der sich um Macht und Politik dreht, beimisst.

  • Fotoktm4
    am 10.09.2016 um 11:09 Uhr
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    @Nobel: Sie haben Recht. Ich habe die römisch-katholische Geschichte gemeint. Gleichzeitig wollte ich das Wort «christlich» drin haben, weil das ja der zentrale Begriff in der CVP-Werte-Debatte ist. Dabei habe ich nicht an die Christ-Katholiken gedacht. Ich habe das geändert. Besten Dank für Ihren Hinweis.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 10.09.2016 um 11:10 Uhr
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    @Nobel. Die CVP will schon länger nicht mehr römisch-katholisch sein, hat unter den Eidgenössischen Delegierten und in den Kantonsparlamenten mehr Reformierte als Sie denken. Man würde, wie die CDU, auch Muslime aufnehmen. Die Uni Freiburg führt in diesem Zusammenhang auch schon ein Islam-Institut, natürlich ohne Islamkritiker, schon um dem schrumpfenden katholischen Betrieb Zusatz-Relevanz zu geben. Die Präsidentin der CVP Baselstadt wurde als Atheistin geoutet. Selbstverständlich gibt es einen Schwulenflügel der CVP, was nach Gerhard Pfister Ausdruck der «Vielfalt» der Partei ist, wie er vorletzte Woche in einem Interview erklärte. Ich kenne den Betrieb seit 1965, war lange Eidg. Delegierter und schrieb Beiträge in die Jubiläumsnummer zum 100-Jahr-Jubiläum der Partei.

    Neu kommt man heute in die Hölle (Gubler), wenn man nicht an die Vielfalt glaubt. Aber gerade weil ich über Homosexuelle und auch Pädophile publiziert habe, würde ich zumal den Homosexuellen die CVP als Partei nur ca. in 3. Wahl empfehlen. Selbstverständlich sind sie die Partei der herkömmlichen Familie, und das Geschwätz über andere Familienmodelle ist dem vordergründigen Eindruck der Öffnung und dem hintergründigen Befund der klar abnehmenden konfessionellen Orientierung geschuldet. So wie ein Gewerkschafter bei der FDP nur suboptimal versorgt ist, würde ich Schwulen und Lesben die CVP nicht als ideales politisches Biotop vorschlagen. Als Zementfabrikant würde ich auch nicht unbedingt den Grünen beitreten.

  • am 10.09.2016 um 13:12 Uhr
    Permalink

    Es geht im Artikel, denke ich, nicht darum, wie römisch-katholisch die CVP nicht mehr sein will. Sondern darum, welche Geisteshaltungen mit einem gesungenen hohen C heute noch oder wieder transportiert werden als Mittel zur Macht, zur Zementierung eines konservativen Weltbilds, das insofern treffender KVP als CVP heissen müsste.
    Meine ursprüngliche Frage hat sich ja aber mit der Antwort des Autors geklärt. Ich verstehe seinen Ansatz, der zu dem kleinen Missverständniss führte, gut, finde aber, dass der Artikel durch die Anpassung eben in dem kleinen Punkt klarer geworden ist ohne im grossen ganzen an Gehalt zu verlieren.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 10.09.2016 um 13:34 Uhr
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    @Eine etwas in Sektenverdacht stehende KVP gibt es schon, ihr Chef heisst Lukas Brühwiler, KVP war interessanterweise wegen ihrem Engagement für sektiererische Kirchenfreiheit gegen Minarettverbot. Mit KVP können Sie CVP nicht im geringsten vergleichen. Obwohl ich sie oben etwas sarkastisch dargestellt habe, etwa im Zusammenhang mit der hoffnungslosen Anbiederung an die Schwulen u. dergleichen, sollten Sie die CVP nicht unterschätzen. Über das Wallis, wo sie den Charakter einer Democrazia Christiana angenommen hat und auch deshalb von Kurt Marti und seiner Roten Anneliese seinerzeit bekämpft wurde, möchte ich mich aber nicht weiter äussern, vgl. aber meinen Nachruf auf Hans Wyer in http://www.portal-der-erinnerung.de. Hingegen müssen Sie sehen, dass die CVP auf kommunaler und kantonaler Ebene stark ist, z .B. nicht nur in Wädenswil ZH einen ausgezeichneten Gemeindepräsidenten stellt. Auch Stadtrat Nause in Bern macht seine Sache vergleichsweise gut, und im Kanton LU ist die CVP auf kantonaler u. kommunaler Ebene eine Volkspartei, die Sie mit alten Klischees nicht würdigen können, eine wesentliche Grundlage einer noch funktionierenden Basisdemokratie. Wer eigentlich stellt sich noch für Gemeindekommissionen zur Verfügung? Hier gibt es regelmässig Leute, die, wenn man ihre seriöse Arbeit verfolgt, nicht schlechter sind als Bundesrätin Leuthard usw.

    PS. Was soeben noch zum Vorschein gekommen ist: Verstorbener Bundesrat Egli war 1971 Mitglied v. Geheimarmee P 26. Auch das gehörte dazu.

  • am 10.09.2016 um 16:30 Uhr
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    Was will uns Kurt Marti mit diesem Artikel mitteilen? Folgt nun auf das obligate SVP-Bashing von Infosperber über andere Thematas damit das religiöse CVP-Bashing?
    Warum ist es Kurt Marti daran gelegen, die christlichen Werte unseres demokratischen Rechtsstaates zu leugnen und warum beginnt seine Geschichte erst mit der Aufklärung?
    In Gottes Namen des Allmächtigen, dies die Präambel der Bundesverfassung, was ist hier schon falsch daran? Marti stellt ja selbst fest, das der säkulare Staat die Freiheitsrechte garantieren und die Religionen aus religionsneutraler Perspektive in ihre Schranken weisen muss. Damit schliesst er selbst den Kreis zu dem von ihm kritisierten Gerhard Pfister. Nur zur Erinnerung, das christliche Gedankengut ist wesentlich älter als jenes der Aufklärung und Letzteres hat das Christliche nie verneint.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 10.09.2016 um 20:19 Uhr
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    @Venanz.Nobel. Weil sie engagierter Jenischer sind und ein programmatischer Denker aus diesem Lager, mache ich Sie noch gerne auf den Badener CVP-Einwohnerratspräsidenten und Mitglied des Aargauer Verfassungsrates von 1975 aufmerksam, den Apotheker Dr. Edi Zahnder. Er war es, der im aargauischen Verfassungsrat einen heute noch nicht angemessen umgesetzten Verfassungszusatz einbrachte, nämlich dass sich «Kanton und Gemeinden angemessen für befristete Standplätze» für «nicht sesshafte ethnische Minderheiten» kümmern müssten. Für den letzteren Ausdruck trugen der damalige Beobachter-Chefredaktor Jos. Rennhard (ebenfalls CVP) und ich als damals parteiloser Berater von Edi Zahnder noch Mitverantwortung. Von der Aargauer CVP war der damalige Verfassungsratspräsident Dr. Julius Binder (Baden) noch ein bedeutender programmatischer Denker, dem wir in den Sechzigerjahren den Umweltschutzartikel in der Schweizer Bundesverfassung zu verdanken hatten. Binder wäre im Trio Alphons Egli, Hans Wyer und Julius Binder damals mit Abstand der bestqualifizierte Bundesratskandidat gewesen. Die Intriganten Eglis haben im damaligen Zweiervorschlag absichtlich auf den Walliser Hans Wyer gesetzt, damit der beste CVP-Politiker der Schweiz von damals nicht auf den Zweiervorschlag kommen würde. So wurde Binder ausgeschaltet. Was «Aufklärung» betrifft, so war der bedeutendste Kritiker aller Zeiten, betr. Tell u. Winkelried, Jos. Eutych Kopp, 1841 Erziehungsrat und Regierungsrat der Konservativen in LU.

  • am 10.09.2016 um 21:57 Uhr
    Permalink

    Nach 250 Jahren «Aufklärung» steht dieser Teil der Geschichte immer noch nicht dem rational-kritischen Blick zur Verfügung. Im Artikel wird gerne auf den Antimodernismus hingewiesen, gerade von Papst Pius IX und Pius X. Man darf die Frage stellen: «Was hat die Moderne gebracht?» Die Antwort lautet leider immer noch: «Das industrialisierte Töten, die industrialisierte Ausbeutung.» – letztlich die Entfremdung des Menschen von sich selbst. Mit der Freiheit alleine gelassen, hat sich der Mensch leider ermächtigt, sich über seine Natur heraus zu erheben und sich und die Welt in den Abgrund zu reißen, wie der unumkehrbare Klimawandel ja zeigt. Davor hat die Katholische Kirche immer gewarnt: «Was der Mensch sät, das erntet er!"
    Die Aufklärung ist ein dialektischer Prozess aus Vordenken – Antworten – Synthese und dieses in unendlicher Folge. So müssen zu den «Früchten» der «Aufklärung» leider auch der Kommunismus, der Faschismus, auch der Nationalsozialismus gezählt werden, die alle den Menschen in den Mittelpunkt einer Ideologie (Religionsersatz!) stellen und diesem aufgrund scheinbar wissenschaftlich unumstößlicher Argumente in Kategorien einteilen, die der Natur des Menschen widersprechen. Dieses hatte auch S. E. Marcel Lefebrve immer wieder betont.
    Und zu den Menschenrechten. Sie wären überflüssig, wenn sich die Menschen an das Wort Jesu Christi hielten: «Liebt einander so wie Ich euch geliebt habe!» Die Folge war das Kreuz – ein Ärgernis für den Freien Menschen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.09.2016 um 04:25 Uhr
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    @Rhein. Die Menschenrechte sind alles andere als überflüssig, aber es ist klar, dass da noch nicht alles fertig gedacht ist. Was Sie aus kath.-konservativer Sicht allenfalls richtig sehen, ist die sog. Dialektik der Aufklärung, nämlich die Nebenfolgen bis hin zum Totalitarismus, was näher zu erarbeiten ist. Über die Menschenrechte kann man mit vielen Leuten nicht diskutieren, weil die Grundlagen fehlen, wie sie im 18. Jahrhundert erarbeitet wurden, von Pufendorff, de Vattel, Barbeyrac, Burlamaqui, Micheli du Crest, also der Westschweizer Schule des Naturrechts. Auf den letzten Grund käme es an, nicht bloss die reinen Menschenrechtserklärungen. Weswegen die gegenwärtigen Debatten oft in der Sackgasse enden. Was hinter der Ablehnung der Menschenrechtsidee durch den von Ihnen erwähnten Papst Pius IX. steckt, den Syllabus Errorum von 1864, der fast nichts als Missverständnisse auslöste, müsste auch diese Sache besser ergründet werden. Für die katholische Menschenrechtsidee ist nicht Papst Pius IX. wichtig, sondern die Dominikaner Francisco de Vittoria und Bartolomé de Las Casas, welche im 16. Jahrhundert die Menschenrechte der Indianer «erarbeitet» haben und sogar merkten, das galt aber leider nicht für Las Casas, nur für Vittoria, dass selbst auch die Sklaverei der Schwarzen menschenrechtswidrig sei. Aber wie gesagt, kann man die Geschichte der Menschenrechte normalerweise nicht voraussetzen. Sie ist Geschichtslehrern und auch vielen Juristen in der Regel nicht näher bekannt.

  • am 11.09.2016 um 16:36 Uhr
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    Tja, ich wurde auch etwa von Journalisten gefragt, was denn das «C» im Parteinamen für mich bedeute. Meine Antwort: «Das «C» ist der Stachel im Fleisch, der uns daran erinnert, dass es übergeordnete Werte gibt, die leider in der Tagespolitik nicht immer umgesetzt werden können».
    Judith Stamm

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.09.2016 um 18:27 Uhr
    Permalink

    Wenn es in der Zentralschweiz im Allgemeinen und bei der CVP im Besonderen nach dem Ableben von Altständeratspräsidentin Jos Meier noch eine Elder Stateswoman gibt, ist es Judith Stamm.

  • am 11.09.2016 um 22:53 Uhr
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    @Pirmin Meier: gratuliere zum erfolgreichen googeln meiner Person. War ja ach so schwierig! Ich wollte ja lediglich meine Unkenntnis, was Kurt Marti mit den «christ katholisch» gemeint haben könnte, klären. Dass ich mit der Nachfrage richtig lag, zeigt mir die Tatsache, dass der Autor daraufhin den Artikel in dieser kleinen Passage anpasste.
    @Judith Stamm & alle: Selbstverständlich weiss ich die Verdienste der sozialen Kräfte, die früher wohl in der CSP hauptsächlich zu finden waren, sehr zu schätzen. Dass es in der CVP (wie fast überall) aber immer wieder auch einen lebendigen rechten Rand und auch Menschen mit zweifelhaften Machtgelüsten gibt, wird man doch hoffentlich ab und zu thematisieren dürfen. Dazu hat v.a. der Artikel von Kurt Marti beigetragen. meine Diskussionsbeiträge waren «Quantité négligable»….
    Konzentrieren wir uns doch lieber wieder auf das Wesentliche!

  • am 12.09.2016 um 02:24 Uhr
    Permalink

    herr pfister – lassen sie und ihre pharisäer-kumpel das c endlich fallen – so könnten sie ein klein bisschen glaubwürdigkeit gewinnen. bei ihrer partei ist das $$$ praktisch immer stärker als die c-ethik. Beispiele:
    — ruedi lustenberger hat mittels stichentscheid 2014 erreicht, dass die saudis wieder schweizer mordinstrumente erhalten.
    — c war gegen räuberhöhlen (tempelaustreibung): die cvp-leute engagieren sich fürs „private* banking“
    — die bibel verbietet zinsen (0.1% ist bereits wucher) – kein cvp’ler und kein pfaffe kümmert sich darum – die gier ist wohl stärker als diese form von «du solst nicht stehlen».
    — bewahrung der schöpfung ist ein grundprinzip des christentums. die c-politiker sind fürs ewige bip-wachstum, welches kriege fördert und die mitwelt zerstört.
    — wo sind die c-leute, die sich gegen die besserstellung der superreichen engagieren (pauschalbesteuerung, bevorzugung der multis, subventionierung von banken (prof. chesney))?
    — …
    *privare (lat) = rauben

  • am 12.09.2016 um 07:40 Uhr
    Permalink

    Habe von Heiner Geissler «Was würde Jesus heute sagen?» wieder einmal gelesen. Die «Tempelaustreibung» ist meisterhaft beschrieben. Ich bin auch dafür, dass wir uns für jedes Geschäft mit «C-Potential» einsetzen. Aber offensichtlich interpretiert auch bei der CVP jedes Mitglied das «C» etwas anders. Das war auch zu meinen Zeiten schon so. Daher stammt ja unsere Stärke der Kompromissfindung. Wir mussten uns immer schon in der Fraktion mit verschiedenen Meinungen auseinandersetzen. Lassen wir das «C""C» sein und versuchen wir immer wieder, für die Menschen das Beste herauszuholen! Im übrigen: Dank an Pirmin Meier für seine gute Meinung!

  • am 12.09.2016 um 10:54 Uhr
    Permalink

    @ j.stamm. c ist eben kein geschäft – es ist eine friedensphilosophie.
    wenn sie die tempelaustreibung verstehen, dann wird ihnen glasklar, dass das c von ihrer partei ein p* ist –>pvp wäre dann das neue lable für ihre geschäfte … aber dann kommt gleich das nächste problem – nämlich das v.

    *p wie pharisäisch

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 12.09.2016 um 13:34 Uhr
    Permalink

    @Gagneux. Pharisäer gehörten zu jüdischer Elite, nahmen es mit Gesetz und Ethik ernst, wurden von Jesus ernst genommen. Die Widersprüche, die man ihnen vorwirft, sind grundsätzlich, lassen sich analog bei Grünen und Sozialisten nachweisen sowie bei denjenigen, die in der Welt herumjetten um das Klima zu retten und zum Beispiel Drittweltländern Geld anzubieten, damit sie weniger CO-2-Ausstoss produzieren zugunsten etwa von europäischen Ländern, man nennt es Klima-Ablass. Diese Befunde ändern wenig, dass der Typ «Pharisäer» derjenige ist, der sich den Widersprüchen einer ethischen Haltung aussetzt.

    Ein Beispiel ist der CVP-Familienpolitiker und Exparteipräsident Chr. Darbellay mit seinem flächendeckend in der Schweizerpresse herumgereichten unehelichen Kind. So weit er dazu steht, die Blamage vor der ganzen Wählerschaft einsteckt und auch vor der Gemeinde der Antipharisäer, bezeugt er meines Erachtens einen Rest von Grundsätzen, zeigt er endlich mal Charakter. Es wäre natürlich total legal gewesen, wie hunderttausendfach praktiziert, das Problem mit einer Abtreibung zu lösen, was natürlich noch in der Hauptverantwortung der Kindsmutter gestanden wäre. Dass die Praxis nicht in diese Richtung ging, wie durchaus manchmal bei CVP-Kreisen praktikabel, bezeugt im Prinzip Haltung.

    Im Wallis und in der Zentralschweiz hatten Landammänner u. hohe Politiker zur Zeit v. Bruder Klaus jede Menge unehelicher Kinder. Die Treue des nahe bei der Familie lebenden Eremiten war Ausnahme.

  • am 12.09.2016 um 13:51 Uhr
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    @ lieber pirmin meier. sie haben völlig recht was «grüne» und «rote» anbelangt. grün ist relativ; sozialismus auch. solche leute sind in deutschland für krieg gegen russland! c hingegen ist recht nah am absoluten: du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen etc.
    dass darbellay zu seinem kind steht, find ich auch ok. das ist aber ein nebenschauplatz.
    wichtig ist es, welche haltung ich in bezug auf ausbeutung (zinsen zahlen immer die kleinen) und krieg-frieden habe. wenn c-parteien kriegsmaterialexporte befürworten, dann ist das absolut gegen das c. zins nehmen eben auch, da es die arm-reich-schere öffnet und kriege/hunger/flüchtlinge lukrativ macht. die meisten kriege sind geld-kriege und die c-leute profitieren auf ihren geheimen (bank- und pk!-) kontis davon.
    das sind die wichtigen themen, die wir besprechen sollten. darbellay’s kinder story ist nett. darbellay als kriegsmaterialexport-befürworter ist der eigentliche skandal.

  • am 12.09.2016 um 14:45 Uhr
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    Eine christliche Rettung Europas, inklusive der Schweiz, so wie sie Gerhard Pfister, seines Zeichens Präsident der CVP vorschwebt, wird zum Glück niemals stattfinden, da sich Europa, die Schweiz inklusive, von den sogenannt christlichen Werten schon längst unwiderruflich verabschiedet hat. Der Allmächtige mag zwar in der Präambel zur Bundesverfassung noch angerufen werden; in der Praxis jedoch hat er jede Relevanz verloren. Religion wird in weiten Kreisen der Bevölkerung zunehmend als ein hoffnungsloses Auslaufmodell wahrgenommen und das ist gut so. Es gilt den Laizismus zu verteidigen, die universalen Menschenrechte bedingungslos zu schützen und die Religion dorthin zu verweisen, wo sie hingehört – in den privaten Bereich nämlich. Eine strikte Trennung von Kirche und Staat überall in Europa, die Schweiz eingeschlossen, ist dringend geboten !

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 12.09.2016 um 18:59 Uhr
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    @Knupfer u. Gagneux. Habe im AG Verfassungsrat 1975 ohne Polemik strikte Trennung von Kirche und Staat beantragt. Zu Zinsnehmen und Kriegsmaterialexporten könnten wir ewig diskutieren. Nur so viel: die kath. Kirche war bis zum Konzil von Konstanz (1414 – 1417) fundamentalistisch gegen das Zinsnehmen. Erst mit Papst Martin V. gab es 1424 geschickte Lockerung, schon weil man den Juden in dieser Sache kein Monopol überlassen wollte.

    Papst Leo XIII. lehnte um 1891 Kapitalismus und Sozialismus in gleicher Weise ab. Karl Popper schloss die These nicht aus, dass Theologen und Ideologen gefährlicher seien als Waffenfabrikanten. Da hatte er aber nur im Prinzip recht, nicht unbedingt in der Praxis. Habe Debatte vor 2 Jahren in Bern direkt verfolgt, kann keine einfache Antwort geben. Bedauerte aber, dass ein CVP-Gesinnungsfreund, den ich gelegentlich bei Festreden beriet, Stichentscheid fällte, der Sie empört hätte.

    Sie irren sich, wenn Sie die Trennung von Kirche und Staat deswegen befürworten, weil Religion ein hoffnungsloses Auslaufmodell sei. Es gibt wohl auch in Zukunft weit mehr Menschen, für die Religion relevant ist, als Leute, die sterben wollen wie wir Intellektuelle. Als Volkskundler staune ich, wie hoch selbst Montagmorgen an Luzerner Landwallfahrtsorten die Zahl der angezündeten Kerzen ist, wenn ich mit Studenten der Sozialarbeit dorthin fahre. Ich erachte den Einfluss des Gebetes auf die Gesinnungsbildung nicht nur früher als enorm, sondern noch heute als relevant.

  • am 13.09.2016 um 14:31 Uhr
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    Zuerst würde ich Pfister sagen, dass «Wert» ein ökonomischer Begriff ist und es deshalb in der Schweiz nur drei relevante Werte geben kann: Franken, Dollar und (für ihn notgedrungen) Euro.
    Wenn aber das, was er mit «Werte» meint, aus der christlich-jüdischen Tradition kommt, dann hätte ich da zwei Beispiele bzw. Ziele für die christliche VP:
    Aus der jüdischen Tradition kommt z.B. ein Prophetentext mit einer Vision von einer neuen Welt, in der der Satz steht:»…. sie werden sich nicht länger abmühen, nur damit andere den Gewinn davon haben …..». Und aus der christlichen Tradition die Hinterlassenschaft Jesu von Nazareth, also des Chsistus. Das Leben der ersten Nachfolger-Gemeinde, also seiner JüngerInnen, wird unter anderem so beschrieben:»….. und aller Besitz war gemeinsamer Besitz, und keines von ihnen sagte, dass irgend etwas sein persönliches Eigentum sei, sondern einem jeden wurde zugeteilt, je nachdem, was er nötig hatte….."
    Das, Herr Pfister, sind die Werte aus der christlich-jüdischen Tradition, und es wäre darüber zu diskutieren, wie Ihre Partei diese Werte lebt! Auf diese Diskussion würde ich mich wirklich freuen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 13.09.2016 um 15:16 Uhr
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    @Willener. Für den christlichen sogenannten Frühkommunismus gibt es nicht den geringsten historischen Beweis. Die Durchsetzung des Christentums erfolgte durch Leute aus der Elite, zuerst jüdisch, dann griechisch-römisch. Die Geschichte der christlichen Mystik, später auch Franz von Assisi und der Bankier Rulman Merswin aus Strassburg, bezeugt eindrücklich, dass es einem schon ziemlich gut gehen muss, bis man die Armut lieb gewinnt. Hingegen weiss man von frühen christlichen Gemeinschaften, in denen als Vorgänger des Monastizismus tatsächlich unter hierarchischen Bedingungen geteilt wurde bis hin zur späteren Delegation der Armut in den Mönchsorden, die aber Reichtum als Basis voraussetzten. Von der Verwandtschaft her gehörte Jesus klar zur jüdischen Elite, Josef war Tekton, Baumeister. Es war auch sozial keine Kleinigkeit, dass Jesus schon als Knabe im Tempel mit den Schriftgelehrten diskutierte. Analog waren die Klassiker des Kommunismus, Marx, Engels, Lenin, keine Unterschichtler. Sie verstanden wie Pfarrherren aller Generationen keinen Spass, wenn es um den eigenen Zaster ging. Mein Jahrgänger Peer Steinbrück (SPD) fand das Amt des Bundeskanzlers, für das er kandididerte, aus sozialem Gerechtigkeitsempfinden unterbezahlt. Ihn würde ich allerdings nicht mit Ihren Frühkommunisten verwechseln. Was alle christlichen Parteien der bisherigen Geschichte betrifft, so repräsentierten sie sehr oft den Mittelstand, in der Schweiz etwas unterhalb des Freisinns.

  • am 20.09.2016 um 05:55 Uhr
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    An Martis Artikel ist zunächst mal falsch, dass es «die Aufklärung» gar nicht gibt. Es gab sinnvolle Fortschritte in England und Nordamerika. Diese Fortschritte setzen Entwicklungen kontinuierlich fort, die bereits im Mittelalter begonnen haben: die Magna Charta, das «dialektisch"-abwägende Denken (Sic et non), die kommunale Demokratie. Charakteristisch für die englisch-amerikanische Aufklärung ist die Toleranz gegenüber den Religionen, vor allem auch der katholischen. Deshalb waren Katholiken in vielen Ländern Verfechter der Toleranzidee. (In Frankreich um 1900 waren die «liberale» und die katholische Partei weitgehend identisch.

    Die Französische Revolution verhielt sich zu diesen Fortschritten bloß parasitär, entlehnte einige Phrasen und entwickelte in der Realität ein dogmatisch-fanatisches System mit paramilitärischen Zügen (das Volk als Arbeiterarmee), gegen das man aus guten Gründen opponieren konnte und für dessen Opfer man jederzeit eintreten darf.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 20.09.2016 um 06:52 Uhr
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    @Möller. Was Sie hier schreiben, ist zu holzschnittartig. Auch «die französische Revolution» gab es nicht, sondern höchst verschiedene Strömungen. So ist etwa der Gegensatz zwischen links und rechts ebenfalls dort aufgekommen. Sie unterschätzen ferner, dass Kant und Rousseau zumal auch «Kritiker der Aufklärung» waren, Rousseau ein radikaler Fortschrittskritiker, Voltaire und Diderot zumindest in der Form des Denkens und Argumentierens Jesuitenschüler. Natürlich gab es noch Blaise Pascal. Was Sie an den Katholiken zu rühmen wissen, mag bereits mit dem Nominalismus des 12. und 13. Jahrhunderts zu tun haben, wenn sie wollen war natürlich das längst schon ein Stück «Aufklärung». Klar wurde der Begründer der Chemie, Lavoisier, in Paris von Robespierre geköpft usw.

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