Venezuela: Den USA geht es nicht um die verarmte Bevölkerung
Grossen Teilen der venezolanischen Bevölkerung geht es miserabel. Eine Hyperinflation zerstörte endgültig ein einst vorhandenes soziales Netz. Die Hauptschuld trifft das Unvermögen der Regierung. Mit ständig neuen Sanktionen gaben die USA und einige Willige der venezolanischen Wirtschaft den Rest.
US-Regierungskreise und -Geheimdienste wollten den Präsidenten Hugo Chávez und erst recht dessen Nachfolger Nicolás Maduro schon lange stürzen. Das Zauberwort heisst «Regime Change». Venezuela besitzt riesige, schlecht ausgebeutete Erdölreserven. Ein verlockendes Eldorado für grosse US-Erdölkonzerne. Der US-Sicherheitsberater John R. Bolton meinte kürzlich unverblühmt: «Für die USA wäre es von grossem Vorteil, wenn US-Ölkonzerne in Venezuela investieren und produzieren könnten. Das wäre gut für die Bevölkerungen sowohl in Venezuela als auch in den USA.» (Im TV-Kanal «FoxBusiness» ab Minute 5.58).
Der St. Galler Völkerrechts-Professor Rainer J. Schweizer hält die Sanktionen der USA gegen die staatliche venezolanische Ölfirma sowie die US-Blockade des venezolanischen Ölverkaufs als Druckmittel gegen die Regierung Maduro für eine «völkerrechtlich wohl unzulässige Intervention».
«Humanitäre Krise» als Vorwand für weitere Sanktionen
Seit der völkerrechtlich fragwürdigen Anerkennung von Juan Guaidó, der im Land vorläufig über keine Macht verfügt, als Präsidenten Venezuelas, wollen die USA Guaidó mit allen Mitteln zur Macht verhelfen. Dazu dienten die mit viel Aufsehen inszenierten Hilfskonvois an die Grenze Venezuelas. Sie sollen internationales Verständnis für noch totalere Sanktionen und für eine militärische Intervention fördern.
Über die jüngsten Sanktionen verbreitete die SDA: «Das US-Finanzministerium belegte sechs führende Vertreter aus Venezuelas Sicherheitsapparat mit Sanktionen. Sie hätten die Blockade von Hilfslieferungen gesteuert und so die humanitäre Krise des Landes verschärft, hiess es in der Begründung.» Die NZZ am Sonntag berichtete in diesem Zusammenhang von «weiteren Strafmassnahmen gegen 49 Personen aus dem Umfeld Maduros.» Der staatliche Ölkonzern müsse nun neue Kunden für 500’000 Fass Öl am Tag finden, die er bisher an Raffinerien in den USA exportierte.
Ob dieser Boykott die humanitäre Krise in Venezuela lindert?
Die heutige Lage von weiten Teilen der venezolanischen Bevölkerung ist desaströs. Rund drei Millionen haben sich bereits ins Ausland abgesetzt.
Doch humanitäre Krisen kümmern die US-Regierung wenig. Das eklatanteste Beispiel ist Jemen, wo bereits seit Jahren Zustände herrschen, die noch weit schlimmer sind als in Venezuela. Dort hat die saudische Koalition, die auf die tatkräftige Unterstützung der USA zählen konnte und kann, den Hafen von al-Hudeida und andere Zugänge vom Meer für Hilfslieferungen jahrelang blockiert – unter Protest der Uno und von Hilfsorganisationen, aber mit wenig medienwirksamen Bildern. Als Folge davon sind nach Angaben der Hilfsorganisation «Save the Children» Zehntausende von Kindern verhungert.
Reagierte Trump auf diese «weltweit grösste humanitäre Krise» (Uno) mit anklagenden Tweets ? Oder mit Sanktionen gegen saudische Verantwortliche? Nein.
Im Gegenteil: Die USA, welche die saudischen Angriffe mit logistischer Leitung, Waffenlieferungen und bis vor kurzem mit dem Auftanken von Kampfflugzeugen in der Luft tatkräftig unterstützten, rührten keinen Finger, sondern unterstützten die Saudis weiterhin.
«Nicht demokratisch gewählter Präsident»
Den USA geht es in Venezuela auch nicht um die groben Rechtsverstösse von Nicolás Maduro. Das zeigt das Beispiel des verbündeten Landes Ägypten. Dort herrscht Abd al-Fattah as-Sisi gewalttätiger, despotischer und undemokratischer als der als Diktator abgesetzte Vorgänger Husni Mubarak. Zur Zeit hat as-Sisi rund 60’000 politische Gefangene ohne normale Prozesse eingekerkert. Die Ärmsten und willkürlich Behandelten wagen sich in Ägypten – im Gegensatz zur Opposition in Venezuela – nicht einmal mehr auf die Strasse. Das ist für die USA offensichtlich kein Grund, in Ägypten einen Regime Change wie in Venezuela anzustreben. Schliesslich laufen Waffen- und andere Geschäfte mit Ägypten hervorragend.
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Siehe auch
«Venezuela: Warum informieren Medien nicht über das Völkerrecht?», 5.2.2019
«Harvard-Professor plädiert für Krieg», 16.1.2018
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Wo sieht Urs Gasche denn eine mögliche Lösung des Venezuela-Konflikts?
@Strech. Häufig ist es tatsächlich hart zuzuschauen. In vielen Ländern herrschen grösste Willkür bis zu Folter und/oder extreme Armut und/oder interne bewaffnete Konflikte. Was können andere Staaten tun? Sie können auf Waffenverkäufe verzichten und/oder sich für fairen Handel einsetzen und/oder willkommene Hilfsgüter senden. Aber wenn das völkerrechtliche Prinzip der Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten nicht respektiert wird, können Grossmächte wie die USA, Russland oder China sich dort einmischen und ihre Interessen durchsetzen, wo es ihnen passt. Ausnahmen der Nicht-Einmischung kann der UN-Sicherheitsrat gestatten, wenn eine Regierung die Bevölkerung im eigenen Land nicht schützt vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit («Responsibility to Protect»).
Man hat keine Lust, dazu irgendeine Meinung zu senden: das heuchlerische Getue der USA ( und, bei the way, der UK) ist so Eckel-erregend …
Worum geht es ?
Siehe Irak ! So sieht die «humanitäre Hilfe» durch USA und EU aus !
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article9783521/Der-vergessene-Krieg-gegen-Iraks-Zivilbevoelkerung.html
"Hunderttausende tote Kinder
Zu noch erschreckenderen Zahlen kam Tim Dyson, Professor für Bevölkerungswissenschaften an der London School of Economics, in einer Studie von 2006. Er schätzt, dass zwischen 1990 und 2003 etwa 660.000 bis 880.000 irakische Kinder unter fünf Jahren aufgrund des Zusammenbruchs der irakischen Ökonomie gestorben sind. Wie viele Iraker anderer Altersstufen umkamen, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass deutlich mehr Mütter im Kindbett starben."
und
"1/2 Million tote Kinder durch Irak-Sanktionen – M.Albright: «Wir denken, der Preis ist es wert.“"
https://www.youtube.com/watch?v=xYXK7uh93Uo
und
"Sanktionen gegen Irak sind völkerrechtswidrig"
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Irak/embargo.html
und
https://www.zeit.de/1998/48/199848.militaerschlag_.xml/seite-2
"Le Monde beziffert die Anzahl der Embargo-Toten auf 800000, darunter 320000 Kinder unter fünf Jahren. Die Zahl der unterernährten Menschen im Irak wird auf zwei bis fünf Millionen geschätzt, bei einer Gesamtbevölkerung von 18 Millionen. «
und
https://www.tagesspiegel.de/politik/10-jahre-sanktionen-gegen-irak-kollateralschaden-der-boykott-erreicht-sein-ziel-laengst-nicht-mehr-sondern-trifft-unschuldige-buerger-kommentar/156986.html
Geht es noch deutlicher ?
Möglicherweise ist es für viele Schweizer Landleute doch das kleinere Übel,
dass die kapitalgewaltigen Schweizer Machteliten die Souveranität der Schweizer Gesellschaft «rechtzeitig» an das Alt-Right Liberterian Movement (Trump-) Lager verrraten haben.
Humanitäre Krisen waren den USA schon immer gleichgültig. Sie planen überall Regime-Change, wo etwas zu holen ist.
Nicht nur die USA haben Guiado anstelle Maduros anerkannt, auch Frankreich und Deutschland. Sie gehören auch zum Machtklüngel der Vereinigten Staaten.
Wer sich einer neuen Schweizer Friedensbewegung anschliessen will, die als Schwerpunkt die Einforderung des UNO-Gewaltverbots inkl. Sanktionen als Kollektivstrafe für ganze Völker ins Zentrum stellt, ist für minimal 20.- Jahresbeitrag willkommen bei
https://www.friedenskraft.ch
Ist die Mehrheit Europas unempathisch mit Dr. med. Allende, Venezuela etc. weil es vermeintlich «nur» andere Opfer trifft?
Tun das die USA mit uns Europäern nicht dito oder heavier, indem wir Europäer die unverhältnismässig höheren Aufrüstungsausgaben hochschrauben gegen das Opfer Russland, unsere eigene Beerdigung auch noch teuer bezahlen, weil die USA heute vor St. Petersburg stehen (wie der US-gesponserte Hitler vor Leningrad) und die USA allein oberbefehl(en), nicht die europäischen Nato-"Unterhunde». Dass wir die USA «Freunde» nennen, finde ich irr(ational), sogar Kissinger bekannte, die USA hätten nie Freunde, einzig Interessen (darauf könnten Betrachter der gesamten US-Historie auch selbst kommen). Die USA beschlossen während des Genozids an den Native Americans, ihr Raubmord-Geschäftsmodell auf ihren (!) ganzen Planeten auszudehnen. Einzige Rettung für Europa sehe ich darin, was die USA seit 150 Jahren (Zitat: George Friedman, CIA/Stratfor) torpedieren: Europa-Russland-Vereinigung als Leidensgenossen gegen die destruktiven USA. Frieden in Europa haben wir nicht trotz sondern wegen Russland.
Europäern scheint ALLES egal, wir seien «träge und indifferent», schrieb die SO (5.3.2019) über Konsumenten, die sich via «Smart-TVs» NSA-ausspionieren lassen. WEF-Report 2019 konstatiert sinngemäss, je mehr die Welt untergehe, umso mehr gehe das dem Volk am A…ufmerksamkeitsdefizit vorbei. Das Experiment «Universum 25» fand: Vor dem physischen Tod kommt der Tod des Geistes.
Immer wieder ausgezeichnete Kommentare zu Zeit-kritischen Artikeln. Aber wann wird daraus EINFLUSS auf die Politik, die einzige Möglichkeit, einen 3. Welt-ATOM-Krieg zu vermeiden?
Vorauszusehen: eine Militördiktatur nach der andern. Die
Generäle von Chavez halten ja gegenwärtig die Stellung für
Maduro. Ich hätte mal gerne von einer echten Linken etwas
dagegen gehört. Aber «unser aller» Lieblingsfeind muss erhalten
bleiben. America first andersrum. Dafür nehmen «wir» das
Elend eines gazen Volkes in Kauf. Unsere Moral? «Unsere Moral"!