Sperberauge

Flugverkehr verdoppeln? Nein danke!

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  NZZ-Leser kontern mit Recht: Dieses Verkehrswachstum erträgt unser einmaliger Planet nicht und schmälert unsere Lebensqualität.

Die Fluglobby will weiter von einer stark steigenden Zahl an Passagieren profitieren. Deshalb lobbyiert sie gegen eine Flugbenzin-Steuer und für den weiteren Ausbau der Flughäfen.
Laut «NZZ am Sonntag» rechnet die Branche in nur zwanzig Jahren mit doppelt so vielen, im Durchschnitt noch grösseren Flugzeugen am Himmel wie im Jahr 2017. In der gleichen Zeit hofft die Flugindustrie auf fast 140 Prozent mehr Passagiere. Für den Flughafen Zürich prognostiziert das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL – nach Angaben der NZZ – eine Verdopplung der Anzahl Passagiere innert zwanzig Jahren.
Gleichzeitig lehnen BAZL und Bundesrat sogar eine bescheidene Ticketsteuer ab, wie sie umliegende Länder seit einigen Jahren eingeführt haben. Von einer Besteuerung des Flugbenzins ist schon gar keine Rede. Eine solche müsse weltweit eingeführt werden – also am Nimmerleinstag.

Rezepte der NZZ

Als «Rezepte gegen die Staus im EU-Luftraum» empfahl NZZ-Redaktor Werner Enz in der «NZZ» einen «Ausbau der Infrastruktur» und eine «bessere Organisation der Flugsicherung». In der Schweiz müsse «der Flughafen Zürich … alles Mögliche unternehmen, um das Risiko einer chronischen Überlastung zu reduzieren».

Wie eine Verdopplung der Zahl der Flugzeuge und das Anderthalbfache an Flugpassagieren mit den Zielen zur Begrenzung der Klimaerwärmung zu vereinbaren ist, erklärte Werner Enz nicht. Diesen Widerspruch zwischen Umwelt und Wirtschaft hat Hanspeter Guggenbühl am 3. September auf Infosperber thematisiert.
Die «NZZ» erläuterte auch nicht, wie und wann der Boom der Billig-Fliegerei zu Ende gehen wird. Es ist schlicht ausgeschlossen, dass sämtliche vier Milliarden Menschen in China, Indien und Afrika ebenso viel herumfliegen wie die Einwohner in der Schweiz, in Europa oder den USA – selbst wenn man sämtliche entdeckten und noch zu findenden Erdölvorräte des Planeten dafür einsetzen würde. Wegen der verursachten Überhitzung der Erde müssten diese Vorräte noch zum Kühlen reichen, womit das Mass an Paradoxie voll wäre.

«Ich will fliegen so viel ich will – niemand kann mir das verbieten»

Die «NZZ»-Artikel haben Reaktionen der Leserschaft provoziert: Drei längere Leserbriefe waren in der Print-Ausgabe abgedruckt. Ruedi Kellenberger aus Forch wies darauf hin, dass der Flugverkehr ohne Entschädigung viel Lärm verursache und für den riesigen CO2-Ausstoss nichts zahlen müsse:
«Damit verursacht der Flugbetrieb horrende externe Kosten, die in seiner Gewinn- und Verlustrechnung nicht auftauchen. Müsste er seine externen Kosten selber tragen, würden die Flugtickets markant teurer.»
Dieter Liechti aus Bülach schrieb:
«Die Ausführungen des Autors sind ein Musterbeispiel dafür, welchen Irrsinn uns ein solches nur scheinbar wirtschaftsfreundliches Denken beschert und welche Folgen das Festhalten an der Devise ‹Ich will fliegen, so viel ich will, und niemand kann mir das verbieten› zeitigt. Zukunftsfähig sind nur Rezepte, die unser Mobilitätsverhalten – nicht nur im Luftverkehr – in dem Sinn verändern, dass unser wunderschöner und gleichzeitig arg gebeutelter Planet und seine Bewohner wieder eine Perspektive haben – ewiges Wachstum kann es nicht sein.»
Schliesslich kommentiert Daniel Heierli, Kantonsrat der Grünen aus Zürich:
«Man kann die Infrastruktur für die Fliegerei endlos weiter ausbauen – wenn man sich einen Deut darum schert, in welcher Welt unsere Enkel und Urenkel leben werden.»

Obergrenzen, Kontingente und Eintrittspreise?

Für unsere Enkelinnen und Enkel kann es zur Realität werden: Für einen Besuch in Venedig gibt es Zeitfenster, das man im Internet im Voraus buchen kann. Historische Orte sind zu Freilichtmuseen umgerüstet, für die man Tickets lösen muss.
Engpässe des subventionierten Massentourismus zeigen sich schon heute:


Wanderweg in der Cinque Terre
Zur Hauptsaison sollen Haupt-Wanderwege in der Cinque Terre nur noch mit Tickets begehbar werden, damit sich Wanderer nicht gegenseitig über die Füsse stolpern.

An beliebten Orten, wo täglich eine ganze Reihe von Kreuzfahrtschiffen je Tausende für sechs oder acht Stunden ans Land lassen, treffen die Besucherinnen und Besucher fast nur andere Touristen und auf Läden und Restaurants, die auf Touristen zugeschnitten sind. Die Orte selber verlieren ihren Charme und die Einheimischen.
In Venedig, Barcelona oder Mallorca werden Obergrenzen für Touristen bereits ernsthaft diskutiert.
Die ARD-Sendung «Hart aber Fair» vom 3. September 2018 hat darüber einen Faktencheck veröffentlicht.

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Lesen Sie Fakten und Analysen zum hoch subventionierten Flugverkehr im

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Dsenflugzeug

Flugverkehr

Freiheit für die einen, Klimakiller und Lärmbelästiger für andere. Auf jeden Fall ist er hoch subventioniert.

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2 Meinungen

  • am 5.09.2018 um 11:48 Uhr
    Permalink

    Die Flughafen Zürich AG entwickelt sich immer mehr zu einem ‹Staat im Staat›, welcher tut + lässt, was ihm gerade gefällt.
    – Die Fluglärm-Belastung tagsüber an unserem Wohnort Winkel (Start-Piste 32) nahm 2017 (neues Reglement) stark zu. Seit Jahren sagt sie uns, dass der Fluglärm wegen neuerer Flugzeug-Designs abnehme. Das stimmt nicht.
    – Die Fluglärm-Belastung nachts ab 23 h ist gross, fällt in die vereinbarte Nachruhe zwischen 23:00 und 06:00 und erfolgt unter Missbrauch einer Notfall-Regelung.
    — Sie sieht vor, dass Flugzeuge bei echtem Notfall notlanden dürfen.
    — Die Flughafen Zürich AG missbraucht diesen Passus im Reglement aber für ‹kommerzielle Notfälle›, zB weil die israelische EL AL gern um ca. 07 h in Tel Aviv landen möchte. Die fest zugesicherte Nachtruhe ist ihr dabei egal.
    – Echte Notfälle sind selten + akzeptiert. Aber das Reglement Scham-los für kommerzielle Notfälle missbrauchen, seit 2017 jede Nacht, Sommer + Winter, manchmal bis über 24 h hinaus. Das ist nicht in Ordnung.

    Wir verstehen nicht, wieso unsere Wohnort-Gemeinde nicht längst interveniert. Und wir verstehen nicht, wieso das BAZL diese Missstände auf dem Papier moniert, aber der Flughafen Zürich AB im gleichen Papier ihre Hilfe anbietet, um diesen Missbrauch noch auszudehnen.

    Es sieht so aus, wie wenn die Flughafen Zürich AG in der Zürcher Regierung hoch gestellte Busen-Freunde der gleichen Partei hätte, welche zulassen, dass sie sich zunehmend zum selbstherrlichen ‹Staat im Staat› entwickelt.

  • am 6.09.2018 um 07:34 Uhr
    Permalink

    Ja, es wäre schön, wenn alle «Otto Normalverbraucher» – und das ist die Mehrheit der Bevölkerung – auch eine Lobby hätten.

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