Geld

Schon bald könnte auch das Geld auf der Bank so sicher sein wie Bargeld © cm

Vollgeld-Initiative: bestätigte Argumentation

Christian Müller /  Unser Geld auf der Bank könnte schon bald sicherer sein – nicht zur Freude der Banken. Die lieben das Geld, das sie nicht haben.

Was kaum jemand für möglich gehalten hätte: Ein paar Wirtschaftswissenschafter, unterstützt von ein paar wirtschaftlich und politisch Interessierten, haben vor ein paar Jahren eine Systemänderung in der Geldordnung vorgeschlagen und diese Idee in der Schweiz als Volksinitiative lanciert. Und weil diese Leute innerhalb der nötigen Frist mehr als 100’000 gültige Unterschriften für die neue Geldordnung zusammengebracht haben, muss bald einmal darüber abgestimmt werden, vermutlich im Jahr 2018.

Die Grundidee ist gar nicht so kompliziert. Im jetzigen System produzieren die Banken das Geld, das sie ausleihen, selber. Dieses sogenannte Giralgeld existiert praktisch nur im Computer. Damit ist die Menge des Geldes, das im Umlauf ist, überhaupt nicht mehr begrenzbar und verliert damit, global gesehen, auch an Wert. Nach dem System des Vollgeldes aber dürften die Banken nur noch Geld ausleihen, das sie ihrerseits bei der Zentralbank – in der Schweiz bei der Nationalbank – ausgeliehen haben. Auch das Geld im Computer würde damit so sicher wie das von der Zentralbank herausgegebene Bargeld.

Infosperber hat zu verschiedenen Malen über das vorgeschlagene neue System und über die Argumentationen dafür und dagegen informiert, siehe hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier .

Wo Argumente fehlen, wird’s schnell primitiv

Während sich die Befürworter des Vollgeld-Systems bemühen, das neue System im Detail und, soweit möglich, anschaulich zu erklären, greifen die Gegner der Änderung schnell einmal in die Tasten der Verunglimpfung. Gero Jenner etwa, ein bekannter deutsch-österreichischer Polit-Kommentator im Internet, setzte über seine Tirade gegen die Vollgeldtheorie die Headline: «Prof. Dr. Joseph Hubers Vollgeldtheorie – gebaut auf Sand und schlechtem Denken». Und der Schweizer Ökonom Jürgen Ott aus Herrliberg betitelte seine Tirade sogar so: «Vollgeld = Vollidiotie».

Klar, wer den Banken nahesteht, der muss gegen das neue System sein, denn die Banken werden, bei Annahme der Initiative und dem dann folgenden Systemwechsel der Geldordnung, ihr bisheriges Privileg verlieren, Geld ausleihen zu dürfen, das sie gar nicht haben. Aus demselben Grund werden auch alle privaten Medien in der Schweiz, die Zeitungen, die privaten Radio- und Fernsehstationen, gegen die Initiative antreten: Sie werden sich mit den Banken nicht anlegen wollen. Aber der Mann und die Frau «auf der Strasse», die «normalen» Bürgerinnen und Bürger, würden bei Annahme der Initiative massiv profitieren, denn das Geld, das sie auf der Bank haben, würde dadurch deutlich sicherer.

Unerwartete Unterstützung

Was jetzt auffällt: Es gibt plötzlich Zustimmung von unerwarteter Seite, so etwa von der Website Makroskop, Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft, auf der prominente Wirtschaftswissenschafter die gegenwärtige Wirtschaftspolitik kritisch begleiten – unter den Kommentatoren nicht zuletzt der Mitinitiant der Plattform, der frühere Chefökonom der UNCTAD, der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung in Genf, Heiner Flassbeck. Auf dieser Website erschien vor wenigen Tagen ein Artikel von Günther Grunert, einem deutschen Wirtschaftswissenschafter, der genau erläutert, wie das mit dem Giralgeld ist, das von den Banken «geschöpft» wird – aus dem Nichts. Und in diesem Artikel wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass jetzt sogar die Deutsche Bundesbank die Schöpfung des Giralgeldes durch die Banken offiziell so bestätigt (siehe unten den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank April 2017 als PDF).

Keine Propaganda

Das Wort Vollgeld kommt in dem Artikel von Günther Grunert allerdings nicht vor, und es ist darin auch nicht von der Schweizer Vollgeld-Initiative die Rede. Umso mehr verdient der Artikel Beachtung. Es ist keine politische Propaganda, es ist im besten Sinne des Wortes Hintergrund-Information: ein Blick in einen (finanztechnischen) Bereich, den die meisten Leute gar nicht kennen und bisher auch nie zu verstehen versucht haben.

Was nicht heisst, dass die Werbung für die Vollgeld-Initiative billige Propaganda ist. Auf der Website der Vollgeld-Initianten findet man zum Beispiel gute Informationen, in welchen Punkten die Initiative den Forderungen der verschiedenen Parteien entgegenkommt. Der Blick in diese Website lohnt sich.

Lesenswert ist übrigens auch das Buch des Schweizer Wirtschaftswissenschafters Mathias Binswanger: Geld aus dem Nichts. Und wer sich generell etwas tiefer zum Thema Geld informieren will: Infosperber hat den Lese-Tipp gegeben.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Fnffrankenstueck

Vollgeld – so sicher wie Cash

Das Geld ist heute reine Vertrauenssache. Wenn 5 von 100 ihr Geld bei Banken gleichzeitig abheben, krachts.

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3 Meinungen

  • am 16.07.2017 um 16:06 Uhr
    Permalink

    Als Volkswirtschafter beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren mit Geld- u. Währungspolitik und habe ich bereits mit vielen Verfechtern der Vollgeld-Initiative ausgetauscht. Es bleiben allerdings offene Fragen, welche mir bis anhin niemand beantworten konnte: (Ich beschäftige mich gerne mit Facts und nicht mit Wunschvorstellungen)
    1. Wie würde der Franken reagieren, wenn die Schweiz als einziges Land Vollgeld einführen würde. Ich denke, der Schweizerfranken würde noch viel stärker werden, ein Problem für die Exportwirtschaft und die SNB und auch die Schweizer Arbeitsplätze.
    2. Ja, die Geldschöpfung der Geschäftsbanken hat die wirtschaftliche Expansion erst ermöglicht, die Kredittätigkeit wurde erleichtert. Mit der Einführung von Vollgeld muss eine wirtschaftliche Kontraktion erwartet werden. Kann sich die exportorientierte Schweiz dies leisten?
    3. Es gibt zwar prominente Befürworter der Vollgeld-Initiative, es gibt aber auch prominente Gegner (ebenfalls Wirtschaftsprofessoren),
    4. Viel wichtiger wäre es, eine Mikrosteuer einzuführen und ein Weg gesucht, die unkontrollierte Zunahme derivativer Instrumente zu bändigen. Dass die Finanzmärkte ausser Kontrolle geraten sind, lässt sich leicht feststellen (die Schweiz schiebt einen immer grösseren Devisenberg vor sich her, den sie nie mehr wird abbauen können) und durch die finanzielle Repression (Ultratiefstzinspolitik) werden alle Anleger gepeinigt, die Renditen festverzinslicher Produkte entsprechen nicht der Realität.

  • am 17.07.2017 um 06:38 Uhr
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    Vollgeldinitiative: SNB soll Geldschöpfung auf reales Wachstum beschränken

    An der Vollgeldinitiative wird kritisiert, dass nicht klar sei, wie die Zentralbank sinnvoll entscheiden könne, um wie viel die Geldmenge in einer bestimmten Periode zunehmen soll. In der Geldmengentheorie war lange klar, dass inflationsfreies Wachstum langfristig nur mit einer Geldmengenerweiterung gemäss dem realen Wachstum einer Volkswirtschaft möglich ist.
    Mit einer Vollgeldreform erlangt die Nationalbank wieder die Kontrolle über die gesamte Geldmenge und kann damit Blasenbildungen, Inflation und überbordendes Wachstum direkt verhindern.

  • am 24.07.2017 um 21:25 Uhr
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    Es gäbe auch noch eine andere Möglichkeit statt Vollgeld, welches vor allem Leuten mit hoher Geldhortung dient. Man sollte beachten, das hohe Geldhortung das Geld dem Geldkreislauf entzieht und so zur Geldmengenerhöhung oder Geldumverteilung führt. Ein besserer Vorschlag wäre eine Reformation des Bankensystems. Die Geschäftsbanken dürften nicht mehr die Form der AG tragen, nicht mehr am Kapitalmarkt direkt oder indirekt teilnehmen oder beteiligt sein und keine Kredite an diesen vergeben. Das Vollgeld trägt das Delkredererisiko zur Nationalbank. Die Akteure am Kapitalmarkt können sich so schadlos halten und ihr Risiko an die Nationalbank und das Schweizer Volk abtreten. Das noch mehr Leute in den SFr flüchten könnten wurde schon angesprochen. Daher ist eine Bankenreform der bessere Weg.

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