So brutal geht es in deutschen Schlachthöfen zu
Vor einem Jahr haben Tierschutz-Aktivisten gravierende Missstände in einem Schlachthof in Fürstenfeldbruck heimlich mit der Kamera dokumentiert: Schweine werden mit Betäubungszangen gequält und bei vollem Bewusstsein geschlachtet – während der Tierschutzbeauftragte des Betriebs nur zuschaut. Die Hälfte des Fleischs landete später mit einem Bio-Siegel in deutschen Supermärkten. Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, musste der Schlachthof monatelang schliessen. Ein Prozess steht noch aus.
Solche Brutalitäten in deutschen Schlachthöfen sind kein Einzelfall wie Recherchen von «ZDFzoom» zeigen. Auf aktuellen Videoaufnahmen von Tierschützern sind Schweine in einem Schlachthof zu sehen, die schreiend und zappelnd an Haken hängen und noch zuckend auf dem blutigen Fliessband liegen. Dass die Tiere nicht ausreichend betäubt sind und leiden, ist offensichtlich. Doch das scheint hier niemanden zu kümmern. Die Schweine werden abgestochen und ausgeblutet, obwohl sie bei Bewusstsein sind.
Schweine zappeln am Haken: Im Video ist deutlich zu sehen, dass die Tiere nicht richtig betäubt sind. (Quelle: ZDFzoom)
Unwirksame Kontrollen
In deutschen Schlachthöfen passiere das «wortwörtlich am laufenden Band», sagen Tierschützer. Laut offiziellen Angaben liegt die «Fehlbetäubungsrate» bei elektrisch betäubten Schweinen bei 3,3 Prozent. Bei Rindern ist sie noch höher. «ZDFzoom» hat ausgerechnet, dass so jedes Jahr rund 465’000 Schweine und 330’000 Rinder im Schlachthof unnötig leiden müssen.
Das verstösst klar gegen das Tierschutzgesetz und die Schlachtverordnung. Trotzdem haben Betriebe kaum Konsequenzen zu befürchten. «Schlachthöfe sind ein kontrollfreier Raum. Da trifft man auf eine Schattenwelt, die unter enormem Preisdruck und mit einer gehörigen Portion Verrohung arbeitet», kritisieren Tierschützer. Es sind zwar regelmässige Kontrollen durch amtliche Tierärzte vorgeschrieben, doch in der Praxis haben diese Stichproben kaum eine Wirkung.
Die heimlich aufgenommenen Videos von Tierschutz-Aktivisten belegen immer wieder: Tierquälerei ist in deutschen Schlachthöfen weit verbreitet. Trotzdem gibt es laut «ZDFzoom» kaum Anzeigen von amtlichen Tierärzten gegen die verantwortlichen Betreiber. Das könnte auch wirtschaftliche Gründe haben, vermuten Tierschützer: Schlachthofbetreiber sind oft wichtige regionale Arbeitgeber und Steuerzahler, deshalb würden sie von den Behörden geschont und Missstände vertuscht.
«Es kommt immer wieder vor, dass Veterinäre einfach wegschauen, weil sie Konflikte im Betrieb vermeiden wollen», sagt die Amtstierärztin Ines Advena gegenüber «ZDFzoom». Sie arbeitet seit 25 Jahren in verschiedenen Schlachthöfen und kritisiert vor allem die grosse Nähe der Veterinäre zu den Betrieben, die sie eigentlich «unabhängig» kontrollieren müssten. In grossen Schlachthöfen arbeiten Tierärzte häufig Vollzeit und vor Ort – oft Tür an Tür mit dem Unternehmer. Die Gefahr, dass die Distanz verloren geht und die Kontrollen dann eher mild ausfallen oder Missstände im Betrieb nicht angezeigt werden, sei «zwangsläufig gross», sagt die Veterinärin.
Geringes Interesse an voller Transparenz
In Grossbritannien haben Schockbilder von Tierschutz-Aktivisten Wirkung gezeigt. Seit diesem Jahr müssen dort alle Schlachtbetriebe mit Videoüberwachung arbeiten, um mehr Tierschutz zu garantieren. Doch in Deutschland ist man offensichtlich nicht daran interessiert, Tierquälereien in Schlachthöfen aufzudecken. Eine solche Regelung halte man «als nicht für geboten», heisst es aus dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Stattdessen schlägt die Regierung eine Regelung vor, die Tierschützer mundtot machen soll: «Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.»
Die grossen Schlachtkonzerne in Deutschland – Westfleisch, Tönnies und Vion – arbeiten bereits jetzt freiwillig mit Kameraüberwachung und geben sich transparent – zumindest im Internet. Doch keiner von ihnen gestattete «ZDFzoom» den Besuch eines Betriebs.
Der Todeskampf wird ausgeblendet
In einem Internet-Video zeigt Vion wie Schweine vor dem Schlachten mit Kohlendioxid betäubt werden und stellt diesen Vorgang als besonders tierschutzgerecht dar. Allerdings fehlen im Film entscheidende Sekunden: die panische Todesangst der Schweine, die im engen Käfig verzweifelt nach Sauerstoff schnappen, bevor sie bewusstlos werden. Solche Bilder wollte man den Konsumenten dann wohl doch nicht zumuten. Die ganze Wahrheit haben – einmal mehr – Tierschützer heimlich mit versteckter Kamera gefilmt.
Todespanik beim Betäuben mit Kohlendioxid (Quelle: SOKO Tierschutz/ZDFzoom)
Der Chef eines Veterinäramts, Kai Braunmiller, bezeichnet die Betäubung mit CO2 als «sehr, sehr krass», trotzdem ist die Methode legal. Jedes Jahr werden in Deutschland 37 Millionen Schweine so betäubt. Dabei gäbe es «tierfreundlichere» Alternativen, zum Beispiel Helium oder Argon. Doch ob diese Edelgase jemals in Schlachthöfen eingesetzt werden, ist mehr als fraglich. Denn sie kosten wesentlich mehr als Kohlendioxid, das würde den Schlachtprozess verteuern.
Schlachtkosten für ein Schwein: 1.50 Euro
Deutsches Schweinefleisch ist konkurrenzlos günstig – auch weil das Schlachten in den Grossbetrieben fast nichts kostet. Gerade mal 1.50 Euro betragen in Deutschland die Schlachtkosten für ein Schwein. Sogar ausländische Konzerne karren ihre Tiere nach Deutschland, weil das Schlachten dort so billig ist. Da bleibt häufig nicht nur das Tierwohl auf der Strecke, sondern auch die Billiglöhner aus Polen, Ungarn und Bulgarien, die in deutschen Schlachthöfen unbezahlte Überstunden leisten oder keinen Lohn erhalten, wenn sie krank sind.
Der Gesetzgeber könnte hier einiges verbessern: zum Beispiel Videoüberwachung zur Pflicht machen, die tierärztlichen Kontrollen in Schlachthöfen verschärfen und gegen fehlbare Betriebe konsequent vorgehen. Auch der verbreitete Einsatz von Kohlendioxid zum Betäuben von Schweinen liesse sich verbieten. Aber der Druck der Fleischlobby ist gewaltig. Selbst die EU will an der umstrittenen Betäubungsmethode nicht rütteln, weil dies «aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragbar» sei.
Die heimlich gefilmten Schockbilder aus Mastbetrieben und Schlachthöfen genügen offensichtlich nicht, um Behörden und Konsumenten wachzurütteln: Den Preis für billiges Fleisch zahlen letztlich die Tiere.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Der Preis zahlt jeder, der an diesem sinnlosen Quälen und Töten beteiligt ist. Die Geschäftemacher genauso wie die Konsumenten. Das ist das Gesetz des Karma, was der Mensch sät, wird der Mensch ernten.
Einfach die Augen zu verschliessen, um nichts zu sehen, kann niemanden beschützen. Der Mensch ist frei, aber Freiheit bringt auch Verantwortung für das eigene Tun.
Wer glaubt, es gäbe eine tierfreundliche (human ist da ein zwiespältiges Wort) Art Tiere zu töten, der irrt. Zwar kann es mehr oder weniger grausam sein. Die Tiere kommen letztlich alle durch massivste Gewaltanwendung ums Leben. Da der Mensch von Natur aus auch ein Fleischfresser ist, muss er diese Eigenschaft wohl mit anderen, ebenso grausamen Fleischfressern teilen. Leben könnte der Mensch allerdings durchaus ohne Fleisch. Ohne riesige unpersönliche und versteckte Schlachthöfe und ohne fette Gewinne allemal.
Und für die nicht besonders Tierfreundlichen: Den Preis zahlt auch die Gesundheit dieser KonsumentInnen.
Fleischkonsum markant reduzieren oder ganz abschaffen, sofern die gesundheitliche Verfassung das zulässt, das ist die einzige wirkungsstarke Konsequenz, die allein von den Konsumenten bestimmt werden kann. Alle anderen möglichen Kontroll-Instanzen der Wirtschaft und des Gesundheitssystems haben nichts bewirkt und werden das auch in Zukunft nicht tun. Denn bestimmte Kreise scheffeln dabei grosse Gewinne. Wie die Tiere getötet werden – der Artikel ist diesbezüglich schwer zu lesen und zu verdauen – ist den gewinnenden Kreisen völlig egal.