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Broccolisorte mit hohem Gehalt an bestimmten Schutzmolekülen © BR

Dieser Brokkoli darf nicht mehr patentiert werden

Florian Fisch /  Eine Monsanto-Tochter lieferte eine Brokkolisorte nach England. Jetzt schützt das Europäische Patentamt solche Sorten nicht mehr.

Red. Folgender Beitrag erschien zuerst in der NZZ. Wir übernehmen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Die Brokkolisorte Beneforté soll vor Krebs schützen: Das Gemüse hat einen besonders hohen Gehalt an bestimmten Schutzmolekülen – und ist durch ein Patent geschützt.
Doch während eine Tochterfirma von Monsanto den patentierten Brokkoli in britischen Supermärkten bereits seit sechs Jahren exklusiv vertreiben durfte, tobte am Europäischen Patentamt ein Streit zwischen den traditionellen Pflanzenzüchtern und der agrochemischen Industrie. Ende Juni nun hat das Amt zugunsten der kleinen und mittleren Züchter entschieden: Eine Pflanze, die wie der Beneforté-Brokkoli durch konventionelle Kreuzungszucht entstanden ist, darf in Zukunft nicht mehr patentiert werden – dies darf seit dem 1. Juli 2017 ausschliesslich bei Pflanzen geschehen, deren Erbgut bewusst durch technische Methoden verändert wurde.
Damit hat ein rund zwanzig Jahre andauernder Streit um die gerechte Belohnung von Innovation in der Zucht von Nutzpflanzen ein (vorläufiges) Ende gefunden.

Zwei Schutzrechte
Die traditionellen Pflanzenzucht-Unternehmen möchten ihre Produkte nicht patentieren, sondern ausschliesslich mit andern rechtlichen Mitteln schützen: dem sogenannten Sortenschutz. So haben sie es schon immer gemacht. Das bedeutet, dass jemand, der die Samen dieser Sorte verkauft – der Saatguthändler also –, an den Züchter eine Lizenzgebühr bezahlen muss. Andere Züchter dürfen hingegen frei mit der Sorte weiter züchten und auf ihrer Basis neue Sorten entwickeln. Dadurch können sich nützliche Eigenschaften, wie etwa die «Antikrebswirkung» von Beneforté, in den Sorten unterschiedlicher Züchter verbreiten.

Die agrochemische Industrie hingegen möchte ihren Aufwand, neue Eigenschaften zu identifizieren und gezielt in Pflanzen einzubringen, stärker schützen können: mit Patenten. Dadurch schützen sie diese Eigenschaft einer Sorte. Der Patentschutz erstreckt sich auf sämtliche Pflanzen, in denen sich die neue Eigenschaft befindet.
Züchtet also jemand mit einer Sorte, die eine patentierte Eigenschaft besitzt, eine neue Sorte, die diese Eigenschaft dann ebenfalls besitzt, bekommt bei deren Verkauf nicht nur der Züchter Lizenzgebühren, sondern auch der Inhaber des Patents. Traditionelle Züchter wie Dario Fossati vom Eidgenössischen Forschungsinstitut Agroscope in Changins (VD) halten solche Patente daher für hinderlich: Sie zu erlangen und zu verteidigen, sei teuer und zudem werde durch die Lizenzzahlungen die Verbreitung des genetischen Fortschritts unnötig eingeschränkt, erklärt der Forscher.

Die Grenze zwischen konventioneller Pflanzenzüchtung und Biotechnologie verschwindet
Weitgehend unbestritten ist, dass eine gentechnische Veränderung einer Pflanze patentierbar sein soll. Doch zwischen Gentechnik und herkömmlicher Kreuzungszucht kommt eine ganze Palette an neuen technischen Hilfsmitteln zum Einsatz. Eines davon stand im Mittelpunkt der Entscheidung des Europäischen Patentamts: das sogenannte Smart Breeding, die effiziente Selektion von Pflanzen über genetische Marker. Mit diesen Markern können die Züchter die gewünschte Eigenschaft bereits im Erbgut jüngster Pflanzen nachweisen, bevor sie sich ausprägt, und sparen so viel Zeit. Auch der Beneforté-Brokkoli entstand so, am unabhängigen britischen John Innes Centre.
Das Patent auf ihn (EP1069819) wurde vor fast zwanzig Jahren von einer britischen Technologievermarktungsfirma eingereicht und dann von den Saatgutzüchtern Syngenta und Limagrain angefochten, um rechtliche Klarheit zu erhalten, wie Herbert Zech sagt, Professor für Life-Sciences-Recht an der Universität Basel. Dazu musste die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts den Artikel 53 b des Europäischen Patentübereinkommens neu auslegen, wonach weder «Pflanzensorten» noch «im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen» patentierbar sind.

Praxisferner Entscheid
In einer juristischen Haarspalterei fernab der Praxis der Pflanzenzucht entschied die Kammer im März 2015, dass Beneforté-Brokkoli sowohl eine Sorte sei als auch auf eine im Wesentlichen biologische Weise hergestellt worden sei. Da sich der Wortlaut des Patents aber nicht auf die Sorte bezog, sondern auf die «Pflanze und deren Teile», bestätigte die Kammer die Gültigkeit des Patents aber trotzdem.
Die Verwirrung war perfekt, und die Europäische Kommission wurde aktiv: Auf Druck der Niederlande und Deutschlands – beide mit starken mittelständischen Züchtungsunternehmen – bekundete sie in einer Erklärung ihr Missfallen über diese Interpretation. Obwohl diese Erklärung für das Europäische Patentamt nicht bindend ist, entschied es daraufhin, bis zur Klärung der Situation mit den Mitgliedsländern sämtliche Verfahren zu den betroffenen Pflanzenpatenten auszusetzen.
In der nun beschlossenen Änderung hat das Patentamt die Sicht der Europäischen Kommission übernommen: Ab jetzt sind nur noch Eigenschaften von Pflanzen patentierbar, die durch bewusste Erbgutveränderungen erzeugt werden, wie Rainer Osterwalder sagt, der Pressesprecher des Europäischen Patentamts. Denn diese Veränderungen werden durch technische Verfahren erzeugt, die patentierbar sind. Entscheidend ist dabei nicht, welches Verfahren eingesetzt wird: etwa eine Bestrahlung, die zufällige Mutationen erzeugt, oder die neue Crispr/Cas9-Technologie, mit der sich das Erbgut gezielt verändern lässt. Relevant für die Patentierbarkeit ist, ob die Veränderung nachvollziehbar und somit wiederholbar ist.

Alte Patente
So würden zum Beispiel die Patente auf Eigenschaften der Gerste von Carlsberg und Heineken (EP2373154, EP2384110) immer noch erteilt: Diese sollen dem Bier einen besseren Geschmack verleihen und energiesparenderes Brauen ermöglichen und gehen auf die durch Mutagenese herbeigeführte Inaktivierung von Genen zurück, die in den Patenten genau beschrieben sind.
Als gentechnisch verändert gilt die Pflanze aber nicht, was sie für konventionelle Züchter zur Weiterzucht interessant machen würde. Für François Meienberg, Experte für Saatgut bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye, ist diese Art von Produktpatent daher ein Problem, weil sie die Züchter nach wie vor behindere. Der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts wird die Arbeit vorerst also nicht ausgehen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Florian Fisch ist Wissenschaftsjournalist und Redaktor beim Schweizerischen Nationalfonds.

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

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2 Meinungen

  • am 27.08.2017 um 13:15 Uhr
    Permalink

    Ist wie wenn sich jemand an einer Wasserquelle (man nehme beliebige andere Rohstoffe, Ideen, Patente, Innovationen, Urheberrechte, geistiges Eigentum…etc.) vergreift, diese mit dumpfen Handlangern, Zäunen, Recht und Ordung und Waffen vor unerlaubtem Zugriff schützt. Schützt?
    Danebst wird das einstige Rechtlose und Eigentumslose Wasser das einst niemandem und doch allen gehörte abgefüllt und verkauft… Nun sitzt einer auf dem Wasser, befehligt eine Armee, kontrolliert die Waren, kassiert Geld mit der Arbeit von anderen, rafft gigantische Vermögen… korrumpiert am Ende alles. Imperialismus heute ist, nebst bekannten balistischen Systemen Krieg mit Patenten, Recht, Steuergesetzen, Währungskontrolle, Schuld und Kreditkontrolle, Urheberrechten, Lizenzen wie im vorliegenden Fall, völlige Absenz jeglicher Gesellschaftlicher Partizipation, Teilhabe, Transparenz… eine deutsche Agrarministerin verbot einst, Propagandtechnisch hervorragend geplant, eine rechtlich geschützte Kartoffelsorte bewilligte immgleichen Zeitraum dafür eine andere ebenso rechtlich geschützte Sorte. Blos stand darüber kein Wort in den Medien…

  • am 27.08.2017 um 15:34 Uhr
    Permalink

    Brokkoli Ein Anfang, der hoffen lässt.

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