Die Zukunft gehört den Kleinbauern, nicht den Monokulturen (2)
Miguel A. Altieri ist Professor der Agrarökologie an der University of California in Berkeley und Autor zahlreicher Artikel und Bücher über Agrarökologie. Darüber hinaus hilft er, Programme für nachhaltige Landwirtschaft in Lateinamerika und anderen Regionen der Welt mit der UNO und mit engagierten NGO’s zu koordinieren und zu fördern.
Red. Ein erster Teil dieses Artikels erschien auf Infosperber am 27. Juni. Er zeigte auf, warum die Kleinbauernbetriebe in der Summe produktiver sind als grosse Monokultur-Landwirtschaftsbetriebe. Zum Nachlesen hier anklicken.
Kleinbauernhöfe sind auch gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähiger
Die meisten Klimamodelle gehen davon aus, dass die Regionen, die von Kleinbauern bewohnt sind – vor allem in den Entwicklungsländern und in Regionen ohne Bewässerung – besonders heftig betroffen sein werden. Allerdings zeichnen die aktuellen Modelle eher ein grobes Bild und berücksichtigen die Variabilität interner Adaptionsstrategien nicht. Viele ländliche Gemeinschaften und traditionelle Bauernhöfe scheinen aber trotz Wetterfluktuationen relativ gut mit extremen Klimabedingungen zu funktionieren (15). Tatsächlich bewältigen viele Bauern den Klimawandel oder bereiten sich sogar auf diesen vor, indem sie den Ernteausfall minimieren, zum Beispiel durch das Anpflanzen von lokalen dürreresistenten Varietäten, durch Sammeln von Regenwasser, umfangreicheres Anpflanzen, Mischkulturen, Agrarförsterei, Jäten von opportunistischen Unkräutern, Sammeln von Wildpflanzen und einer Serie weiterer traditioneller landwirtschaftlicher Systemtechniken (16).
Die Vorherrschaft von komplexen und diversifizierten Anbausystemen in traditionellen Agroökosystemen ist von entscheidender Bedeutung für das System der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, denn sie erlaubt eine akzeptable Produktivität der Feldfrüchte auch bei stressvollen Umweltbedingungen. Traditionelle Agroökosysteme sind generell weniger durch katastrophale Ernteverluste bedroht, weil sie viele verschiedene Feldfrüchte und Varietäten an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten anbauen. Wissenschaftler konnten zeigen, dass Mischkulturen von Sorghum/Erdnüssen und Hirse/Erdnüssen eine höhere Ertragsstabilität und weniger Produktivitätsverlust während einer Dürre zeigen, als dies bei Monokulturen der Fall ist.
Die Resultate solcher Experimente kann man als «über-ergiebig» bezeichnen. Dies kommt vor, wenn zwei oder mehr Feldfrüchte zusammen angebaut mehr Ertrag bringen, als der Anbau alleine (z.B. wenn auf einer Hektare Hirse und Erdnüsse zusammen ergiebiger sind als jeweils auf einer halben Hektare jeweils nur Hirse und auf einer halben Hektare nur Erdnüsse angebaut werden). Alle Mischkulturen waren «über-ergiebig», wenn sie in der Anbauperiode zwischen 297 und 584 mm Wasser erhielten. Interessanterweise stieg die «Über-Ergiebigkeit» bei erhöhtem Wassermangel, so dass der Unterschied zwischen Mono- und Polykulturen bei den relativen Produktionsunterschieden um so grösser war, je mehr sich der Stress erhöhte (17). Viele Bauern pflanzen ihre Feldfrüchte nach dem Prinzip der Agroforstwirtschaft, bei dem das Laubdach der Bäume die Feldfrüchte gegen Extreme des Mikroklimas und Fluktuationen der Bodenfeuchte schützt. Bauern beeinflussen das Mikroklima, indem sie Bäume erhalten und anpflanzen, welche die Temperatur, Windgeschwindigkeit, Verdunstung und direkte Sonneneinstrahlung reduzieren sowie Hagel und Regen abfangen. Untersuchungen in Chiapas, Mexiko, zeigten, dass in Kaffee-Agrarlandwirtschaften die Fluktuationen von Temperatur, Feuchte und Sonneneinstrahlung zunahmen, je mehr das Laubdach abnahm. Die Untersuchungen machten so deutlich, dass das Laubdach in direktem Zusammenhang mit der Abschwächung der Variabilität des Mikroklimas und der Bodenfeuchtigkeit der Kaffeepflanzen steht (18).
Untersuchungen an Hanggrundstücken, die in Zentralamerika vom Hurrikan Mitch getroffen wurden, zeigten, dass Bauern, die nachhaltige Praktiken wie die Leguminose Juckbohne als Deckfrucht, Mischkulturen und Agrarforstlandwirtschaft anwandten, weniger Schaden erlitten als ihre konventionellen Nachbarn. Die Studie umfasste 360 Gemeinschaften und 24 Gebiete in Nicaragua, Honduras und Guatemala. Sie zeigten, dass diversifizierte Flächen 20 bis 40 Prozent mehr Oberboden, höhere Bodenfeuchte und weniger Erosion hatten und dass diese Bauern weniger finanzielle Verluste ertragen mussten als ihre konventionellen Nachbarn (19). Dies verweist auf die Tatsache, dass die Re-Evaluation indigener/ländlicher Technologien als Informationsquelle genutzt werden kann. Diese Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit – Resilienz – kleinbäuerlicher Betriebe zeigen die strategisch so wichtigen Faktoren, wie Bauern weltweit mit dem Klimawandel umgehen könnten. Zudem verweisen diese ländlichen/indigenen Technologien auf eine Weltansicht und auf ein Verständnis unserer Beziehung zur Natur auf realistischere und nachhaltigere Weise als unser westeuropäisches Erbe.
Produktivitätssteigerung des Kleinbauern-Systems durch Agroökologie
Trotz der erwiesenen Vorteile der Resilienz und der Produktion von traditionellen Kleinbauern argumentieren viele Wissenschaftler und Entwicklungsspezialisten und -Organisationen, dass die Leistung dieser Selbstversorgungslandwirtschaft nicht zufriedenstellend sei und dass Agrochemie und transgene Intensivierung der Produktion essentiell sei, um von der Selbstversorgung zur kommerziellen Produktion zu gelangen. Obwohl viele Versuche dieser Art der Intensivierung gescheitert sind, zeigt die Forschung, dass traditionelle Feldfrüchte in Kombination mit Tierhaltung die Produktivität steigern kann. Dies ist dann der Fall, wenn kleine Bauernhöfe mit ökologischen Prinzipien rekultiviert werden, so dass gesundes Pflanzenwachstum gefördert, Schädlinge gestresst und nützliche Organismen gestärkt und dabei Arbeit und lokale Ressourcen effizienter genutzt werden.
Verschiedene Studien haben dokumentiert, dass Kleinbauern einen Grossteil der Nahrung produzieren können, die die ländlichen und benachbarten städtischen Gemeinschaften benötigen, auch inmitten des Klimawandels und bei steigenden Energiekosten (20). Die Beweise sind schlüssig: Neue agrarökologische Methoden, eingeführt von Bauern, NGOs und einigen Behörden rund um den Globus, machen bereits einen ausreichenden Beitrag zur Ernährungssicherheit auf Stufe Haushalt, Region und Nation. In vielen Ländern zeigen eine Vielzahl agrarökologischer und partizipativer Vorgehensweisen positive Ergebnisse, auch unter ungünstigen Umweltbedingungen. Potential steckt in: Getreideertrag um 50 bis 200 Prozent zu erhöhen, die Stabilität der Produktion durch Diversität zu steigern, Nahrung und Einkommen zu verbessern und zur nationalen Ernährungssicherheit (und sogar zu Exporten) beizutragen, sowie die natürlichen Ressourcen und die Biodiversität zu bewahren.
Diese Beweise werden von einem Bericht der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen bestärkt. Dieser besagt, dass Biolandwirtschaft die Ernährungssicherheit Afrikas deutlich steigern würde. Basierend auf einer Analyse von 114 Fällen in Afrika zeigt der Bericht, dass Farmen, die auf Bio oder Fast-Bio umstellten, die Produktivität um 116 Prozent steigerten. Zudem hat der Umstieg zur Biolandwirtschaft eine nachhaltige Auswirkung, da er natürliches, menschliches, soziales, finanzielles und physisches Kapital aufbaut. Die Organisation «International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology» (AKST), beauftragt von der Weltbank und der «Food and Agriculture Organization» (FAO) der Uno, empfiehlt, dass sich die AKST mehr nach der agroökologischen Wissenschaft ausrichtet, die helfen wird, auch bei gleichem oder sogar gesteigertem Ertrag Umweltprobleme aktiv anzugehen. Gleichzeitig wird die Wichtigkeit des traditionellen und lokalen Wissens betont, das die Bodenqualität und Biodiversität zu verbessern imstande ist, den Nährwert erhöhen und die Schädlingsbekämpfung und den Umgang mit dem Wasser optimieren kann, aber auch die Fähigkeit verbessert, auf neue Umweltbelastungen, zum Beispiel auf Folgen des Klimawandels, zu reagieren.
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Red. In einem dritten Teil kommt Miguel Altieri auf die politischen Bedingungen zu sprechen, die für einen Strategie-Wechsel in der Landwirtschaft unumgänglich sind. Siehe hier.
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Die Übersetzung dieses Beitrags aus dem Englischen besorgte Stephan Klee. Herzlichen Dank!
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FUSSNOTEN:
15 ↩ M. A. Altieri and P. Koohafkan, Enduring Farms (Malaysia: Third World Network, 2008).
16 ↩ J. O. Browder, Fragile Lands in Latin America (Boulder: Westview Press, 1989).
17 ↩ M. Natarajan and R. W. Willey, «The Effects of Water Stress on Yield Advantages of Intercropping Systems», Field Crops Research 13 (1996): 117-31.
18 ↩ B. B. Lin, «Agroforestry Management as an Adaptive Strategy against Potential Microclimate Extremes in Coffee Agriculture», Agricultural and Forest Meteorology 144 (2007): 85-94.
19 ↩ E. Holt-Gimenez, «Measuring Farms Agroecological Resistance to Hurricane Mitch», LEISA 17 (2001): 18-20.
20 ↩ N. Uphoff and M. A. Altieri, Alternatives to Conventional Modern Agriculture for Meeting World Food Needs in the Next Century (Ithaca: Cornell International Institute for Food, Agriculture and Development, 1999); M. A. Altieri, «Applying Agroecology to Enhance Productivity of Peasant Farming Systems in Latin America», Environment, Development and Sustainability 1 (1999): 197-217
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Miguel A. Altieri ist Professor der Agrarökologie an der University of California in Berkeley und Autor zahlreicher Artikel und Bücher über Agrarökologie. Darüber hinaus hilft er, Programme für nachhaltige Landwirtschaft in Lateinamerika und anderen Regionen der Welt mit der UNO und mit engagierten NGO’s zu koordinieren und zu fördern.
Diese beiden Artikel (Folge 1 und 2) sind doch wirklich sehr interessant und wissenswert. Ob diese auch Wege in Schulen und zu den Milainiens findet? Das wäre
wichtig.
Aber wenn man vergleicht die vielen Kommentare wegen dem Doppeladler im Fussball und die allgemein spärlichausfallenden Kommentare zu Artikel wie diesen.
Die Massenmedien halten sich mit solchen Informationen auch «diskret» zurück.
esch
in der Tat, sind es (ge)wichtige Beiträge. Es gibt, weltweit kleinere und grössere Betriebe, welche sich sehr erfolgreich mit der Permakultur auseinandersetzen.
Beispiel: « eine kleine Obtsplantage im Süden Kanadas (Stefan Sobkowiak) zeigt, wie durch gezielten und geplanten Einsatz von Strategien einen Obstgarten geschaffen, der vollkommen autark funktioniert und unglaubliche Erträge höchster Qualität erwirtschaftet.
Durch eine spezielle Bepflanzungsmethode und Kombination gezielter Gattungen ist ein eigenständiges Ökosystem entstanden, welches klassische Industriemethoden komplett in den Schatten stellt.»
Es entsteht anschliessend ein natürliches Gleichgewicht, für die Tier und Pflanzenwelt. Letztendlich auch für den Menschen. Diese Tatsachen sind bekannt! Die Erfolge offensichtlich. Möglicherweise, zu offensichtlich.