maldives666122_640

Malediven, das heisst weisser Sand, blaue Lagunen, künstliche Inselchen und paradiesische Aussicht. © CC

Malediven: Der Ausverkauf des Paradieses

Daniela Gschweng /  Die Malediven haben gerade einen neuen Präsidenten gewählt. Die Altlasten des letzten werden sie jedoch nicht so schnell los.

Am 24. September hat die Bevölkerung der Malediven einen neuen Präsidenten gewählt. Dass es mit der Presse- und Meinungsfreiheit im Land der tausend Inseln nicht zum Besten steht, ist bekannt. Das politische System der Malediven wird als instabil eingeschätzt. Die Wahlen, so wurde es nicht nur von der Opposition prognostiziert, versprachen weder frei noch fair zu sein. Ausländische Wahlbeobachter hatte sich der Inselstaat verbeten. Dennoch gewann der Oppositionskandidat Ibrahim Mohamed Solih bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung von 88 Prozent – sehr zur Überraschung internationaler Beobachter.

Womöglich ein Zeichen, dass die Bevölkerung des Inselstaats im Indischen Ozean von der bisherigen Regierung einfach genug hatte – von Ex-Präsident Abdulla Yameen, von der Korruption, den Unruhen, der Einschränkung der Meinungsfreiheit und von seiner autoritären Regierungsführung, die Oppositionelle regelmässig zwang, ins Exil zu gehen. Der neugewählte Solih versprach nun einen Wandel, etliche Auswirkungen der Regierung Yameen werden jedoch bleiben, darunter nicht zuletzt einige Tourismusdestinationen, die es so gar nicht geben dürfte.

Vom Tourismus profitieren nur wenige

Eines der Grundprobleme des seit 2008 demokratisch regierten Staates ist offenkundig: Der Tourismus sollte die Einwohner der sonnigen Inseln eigentlich wohlhabend machen. Ständig werden neue Resorts gebaut, wofür es Baumaterialien und Personal braucht. Auch die Gäste müssen transportiert, verpflegt und versorgt werden. Neben wenig umweltverträglichen Folgen für die sensiblen Korallenriffe und einem gravierenden Müllproblem führte das alles zwar sehr wohl zu einem Wachstumsschub im Inselstaat. Bei der Bevölkerung allerdings kam davon so gut wie nichts an, weil die Verantwortlichen vor und nach 2008 vor allem in die eigene Tasche wirtschafteten.

Der eben abgewählten Regierung unter Präsident Abdulla Yameen kann man nicht nur fehlende Transparenz, sondern ganz direkt Korruption und Rechtsbruch vorwerfen. Während nur 18 Monaten in den Jahren 2014 und 2015 zum Beispiel schaffte es die Regierung, dass ganze 50 Inseln und Atolle an eine Reihe von Investoren gingen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfahren hat, berichtet die Investigativplattform OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project).

Wenn die Pachterlöse aufs Privatkonto gehen

Der Ausverkauf der Inselwelt funktionierte mit einem Trick. Eine Schlüsselrolle dabei spielte der ehemalige Tourismusminister Ahmed Adeeb. Nach dem maledivischen Recht sind unbewohnte Inseln dem Agrar- und Fischereiministerium unterstellt. Mit Hilfe einiger Komplizen in der Regierung unterstellte Adeeb aber einige davon dem Tourismusministerium und ebnete damit den Weg zu lukrativen Pachtverträgen. Verpachtungen von öffentlichem Besitz ohne öffentliche Ausschreibung sind auf den Malediven illegal. Selbst die Investoren und erst recht ihre Mittelsmänner müssen das gewusst haben. Die Gelder landeten über ein staatsnahes Unternehmen trotzdem auf Privatkonten und wurden an Günstlinge der Regierung verteilt.

Die Mitglieder des Klüngels nannten sich gegenseitig «Bro» (wie Brother, Bruder), wenn sie per Handy kommunizierten. Inwiefern Ex-Präsident Abdulla Yameen, ein Gönner und Unterstützer Adeebs, in die Vorgänge verwickelt war, ist unklar. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er davon gewusst, wenn nicht sogar selber mitgewirkt und dabei profitiert.

Ausge«bro»t

Das Geschäft ging recht lange gut, bis der Tourismusminister und zeitweilige Vizepräsident Adeep bei Präsident Yameen in Ungnade fiel. Adeebs kurze und steile Karriere endete 2016 abrupt in einem Verfahren wegen Terrorismus, Korruption und Machtmissbrauch, das ihn für ein Jahrzehnt hinter Gitter brachte. Das Verfahren legte den Korruptionsfall in Einzelheiten offen. Rund 80 Millionen Dollar waren an der Wirtschaft des Landes vorbeigeflossen. Al Jazeera dokumentierte den Ausverkauf des Inselstaates 2016 in einem Dokumentarfilm namens «The Bro Economy», zu Deutsch etwa: Vetterliwirtschaft.

Wer alles zugegriffen hat

Die mehr als eine Million Urlauber, die jedes Jahr in den Resorts Ferien machen, interessiert das allerdings meist wenig. Die Hauptstadt Male, in der 40 Prozent der Bevölkerung leben, müssen sie auf ihrer Reise oft nicht einmal betreten. Wie das paradiesische Resort zwischen Korallenriffen und weissem Sandstrand dort hingekommen ist, wo die Feriengäste gerade Sand und Sonne geniessen, wissen die meisten von ihnen nicht. Davon, wer von ihren Ferien-Dollars profitiert, haben die meisten Feriengäste höchstens eine vage Ahnung.

Reporter des OCCRP haben aus den seit 2016 bekannten Informationen und einigen neuen Leaks zusammengestellt, wer die heimlich vermieteten Inseln erhielt.

Darunter sind einige lokale Tourismusunternehmen wie Universal Enterprises und Champa Brothers and Crown Company, die zusammen mindestens acht Inseln erhielten, sowie vorwiegend asiatische Unternehmen und deren Vertreter, die OCCRP als «foreign veterans» bezeichnet. Zusammen bekamen diese zehn Inseln. Marken wie Four Seasons, Holiday Inn und COMO, die der Familie Ong aus Singapur zuzuordnen sind, dürften dem westlichen Gast eher bekannt vorkommen. Soneva, das einem britisch-schwedischen Ehepaar gehört, eher weniger. Ganz neue Investoren kamen ausserdem aus der Türkei, dem nahegelegenen Sri Lanka, aus Japan und oder auch aus Katar. Die türkischen Ali Bey Hotels beispielsweise gehören zu den global aktiven Marken.

Die Verträge laufen …

Rückgängig machen will die neue Regierung der Malediven die einmal abgeschlossenen Verträge allerdings nicht, auch wenn sie illegal zustande gekommen sind. Generell sind Tourismusunternehmen fast jeden Landes auf den Malediven aktiv, bauen oder betreiben dort Resorts. Eine Pflicht, einen rechtmässigen und ethisch einwandfreien Nutzungsvertrag für ihr Stück vom Paradies vorzuweisen, gibt es dabei nicht.
_
Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «OCCRP» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Polizei1

Justiz, Polizei, Rechtsstaat

Wehret den Anfängen, denn funktionierende Rechtssysteme geraten immer wieder in Gefahr.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.