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Subventionen für Grossbanken nicht nur im Krisenfall, sondern immer. © DailyStar

Grossbanken sind stärker subventioniert als die Landwirtschaft

Urs P. Gasche /  Jedes Jahr profitieren Schweizer Grossbanken von rund 25 Milliarden Franken Subventionen, erklärt Finanzprofessor Marc Chesney.

Es geht nicht um direkte Subventionen aus der Staatskasse, sondern um indirekte Subventionen wie etwa in der Landwirtschaft oder bei den Fluggesellschaften. Die Flüge sind nur so billig, weil Fluggesellschaften für die gewaltigen verursachten Umweltschäden nichts zahlen müssen. Der Flugverkehr wird nicht mit Benzin- und Mehrwertsteuern belastet wie der Autoverkehr. Von einer CO2-Steuer ganz zu schweigen.

Andere indirekte Subventionen kommen der Landwirtschaft zugute. Neben den direkten Subventionen von jährlich rund 3,7 Milliarden Franken aus Steuergeldern müssen die Konsumentinnen und Konsumenten wegen des Grenzschutzes zusätzliche 3,5 Milliarden Franken in Form von höheren Preisen zahlen. Die Landwirtschaft profitiert also von insgesamt über sieben Milliarden Franken Subventionen jährlich. Das hat die OECD ausgerechnet.

Doch dies ist nur ein Bruchteil der Subventionen, von welchen die Grossbanken profitieren. Es handelt sich durchwegs um indirekte Subventionen, nur sind diese etwas weniger augenfällig als bei der Landwirtschaft oder beim Flugverkehr.

Finanzprofessor Marc Chesney von der Universität Zürich zitiert in seinem neusten Buch* eine wenig beachtete Berechnung des Internationalen Währungsfonds aus dem Jahr 2014. Der IWF wies die indirekten Subventionen an die Schweizer Grossbanken für die Jahre 2011 und 2012 mit jährlich 25 Milliarden Dollar aus, was ungefähr 26,7 Milliarden Franken entsprach. Hauptgrund: Grossbanken können sich viele Milliarden zu tieferen Zinsen beschaffen als andere Marktteilnehmer. Ihre Gläubiger und Investoren sind überzeugt, dass die Grossbanken nicht pleite gehen können, weil sie von einer impliziten Staatsgarantie profitieren. Dank diesem Vorteil können sich Grossbanken auf Kosten anderer Banken noch stärker ausbreiten. Das Gleiche gilt für die Grossbanken im Ausland: Für die Eurozone gab der IWF den Wert der impliziten Staatsgarantien mit jährlich 150 Milliarden Dollar an, für Grossbritannien und Japan mit je 55 Milliarden Dollar.

Gründung von «Bad Banks»

Grossbanken würden noch von weiteren indirekten Subventionen profitieren als nur vom Zinsvorteil, erklärt Chesney. Falls ihre hochspekulativen Aktivitäten mit grösseren Verlusten enden, dürfen sie zu Schrott gewordene Wertschriften in eine «Bad Bank» auslagern. «Welcher andere Wirtschaftszweig geniesst so viele Vorteile», fragt Chesney rhetorisch. Man könne sich nicht vorstellen, dass etwa ein Bäcker oder ein Computerunternehmen eine «Bad Bäckerei» oder ein «Bad Computerunternehmen» gründen dürfen, um riskante oder zweifelhafte Aktivitäten ausserhalb ihrer Bilanzen abzuwickeln, um auf Kosten der Steuerzahler eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu umgehen. Ohne solche Privilegien wäre schon manche Grossbank in Konkurs gegangen, erklärt Chesney, allen voran Banken in Italien oder in Deutschland die Deutsche Bank.

Implizite Staatsgarantie verleitet zu hochspekulativen Anlagen

Damit nicht genug. Zusätzlich profitieren Grossbanken von der marktwidrigen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank EZB. Mit dem Gratisgeld können sie beispielsweise in fragwürdige Staatsanleihen Griechenlands, Italiens und anderer Problemländer investieren. Deren Zahlungsfähigkeit «wird von der EZB quasi garantiert» und deren Staatsanleihen werfen bis etwa zwei Prozent, also heute «lukrative» Erträge ab.
Oder dann schaffen und vertreiben Grossbanken mit dem Gratisgeld «komplexe und häufig toxische Finanzprodukte». Solche Produkte bergen Risiken, die «vom Pechvogel, der sie von der Bank erwirbt, nicht durchschaut werden». Deren schiere Menge mache diese Produkte zu einem «systemrelevanten Risiko für die Wirtschaft, weil Privatkunden oder Unternehmen in grosse finanzielle Schwierigkeiten geraten, sobald sich ‹das Gift ausbreitet› und die wahre Beschaffenheit dieser Finanzprodukte zutage tritt».

«Finanzcasino ohne grosses Verlustrisiko»

Heute wie damals im Jahr 2008 müssten die Steuerzahlenden in Not geratene Grossbanken retten. Dies wiederum verleite Grossbanken dazu, beziehungsweise erlaube es ihnen, übermässige Risiken einzugehen: «Ihre Chefs gehen davon aus, dass die Bank für diese Risiken nicht geradestehen muss». Sie könnten deshalb ein eigentliches «Finanzcasino» betreiben, ohne selber ein grosses Verlustrisiko einzugehen, kritisiert Chesney. Der Staat könne eine UBS, deren Bilanzsumme im Jahr 2017 bei 119 Prozent des gesamten Schweizer Bruttosozialprodukts lag, oder eine Credit Suisse, deren Bilanzsumme das BSP sogar um 37 Prozent übertraf, nicht fallen lassen.

Die tatsächlichen Systemrisiken seien sogar noch viel grösser. Denn die meisten spekulativen Derivatgeschäfte würden Grossbanken ausserhalb ihrer Bankbilanzen und ausserhalb der Börsen abwickeln. Dieses «gigantische Ausserbilanzgeschäft» erreiche ein Mehrfaches der Bilanzsummen. Das genaue Volumen würden die Banken «in besonders undurchsichtiger und komplexer Manier» verschleiern.
Die Grössenordnung dieser Aktivitäten schätzt der Finanzprofessor aufgrund der Derivatgeschäfte, die meist ausserhalb der Bilanz abgewickelt werden.
Ein Teil davon sind die sogenannten «Credit Default Swaps» CDS, deren Funktion die Risikoabsicherung von Krediten sein sollte. In der Realität, werden in den meisten Fälle diese CDS dazu benutzt, auf den Ausfall eines Unternehmens oder sogar eines Landes zu wetten.
Allein bei der Credit Suisse ein Volumen von 28’000 Milliarden Franken
Im Jahr 2017 habe die Credit Suisse mit allen gehandelten Derivaten ein Geschäftsvolumen von unglaublichen 28’800 Milliarden Franken erreicht, was ungefähr 36 Mal der CS-Bilanzsumme und 687 Mal dem CS-Eigenkapital entsprach. Dieser Saldo ist ausserdem etwa 43 Mal grösser als das BIP der Schweiz von 2017 und entsprach 37,3 Prozent des Welt-BIP.
Nur 0,2 Prozent dieser astronomischen 28’000 Milliarden dienten realen Absicherungsgeschäften. Der Rest seien reine Wetten einer Casino-Finanzwirtschaft sowie Marktmanipulationen, die der Realwirtschaft keinen Nutzen, sondern nur Gefahren bringe.

Bei der UBS entsprach das Volumen der Derivate im Jahr 2017 18’500 Milliarden Franken, was 20-Mal der UBS-Bilanzsumme und 361-Mal dem UBS-Eigenkapital entsprach. «Wer kann da noch glauben, die Situation sei unter Kontrolle?», fragt Chesney.

Zu den Ausserbilanzgeschäften der Grossbanken gehören auch «strukturierte Produkte», die meistens aus einer Kombination von mehreren Derivaten bestehen. Für Chesney gehören sie zu den «besonders lukrativen Wetten der Casino-Finanzwirtschaft». Deren gute Noten der Rating-Agenturen seien «für die Kunden irreführend». «Strukturierten Produkte», deren Volumen bei Schweizer Banken im Jahr 2017 die Summe von 275 Milliarden ausmachten, seien «eine echte Gefahr für Privatanleger, Pensionskassen und Gemeinden», warnt Chesney. «Paradoxerweise» würden die Aufsichtsbehörden dies zulassen.

Bei der Deutschen Bank «betrug das Derivatevolumen im selben Jahr 48‘265 Milliarden Euro, das heisst 33 Mal ihre Bilanzsumme, 708 Mal ihr Eigenkapital und ungefähr 15 Mal das deutsche BIP und circa 67 Prozent des Welt-BIP.»

Notwendige Massnahmen

Der Zürcher Finanzprofessor analysiert nicht nur die gegenwärtigen Risiken, sondern schlägt eine ganze Reihe Massnahmen vor mit dem Ziel, die implizite Staatsgarantie für Grossbanken abzuschaffen. Die Finanzindustrie hat solche Massnahmen bisher mit Erfolg abgeblockt. Fünf davon seien hier aufgezählt:

  1. Den Grossbanken muss ein (ungewichtetes) Eigenkapitel von 20 bis 30 Prozent vorgeschrieben werden. Heute liegt es bei nur 4 bis 5 Prozent. Für die Hypothek eines Kunden verlangen die gleichen Banken ein Eigenkapital von mindestens 20 Prozent. «Wie können Grossbanken für ihre eigenen Geschäfte sich der Zwänge entledigen, die sie ihren Kunden auferlegen?»
  2. Die Grossbanken sollen das spekulative Investmentbanking vom Kreditgeschäft trennen müssen, wie dies in den USA bis 1999 vorgeschrieben war. Dann können Investmentbanken keine Kundengelder mehr als Spielgeld im Finanzcasino einsetzen.
  3. Neue Finanzprodukte für Anleger, namentlich strukturierte Produkte sollen von einer unabhängigen Behörde zertifiziert und bewilligt werden – so wie dies bei Medikamenten, Nahrungsmitteln oder Autos der Fall ist.
  4. Der Verkauf toxischer Produkte soll als Finanzdelikt geahndet werden können, wie es in andern Wirtschaftszweigen meistens der Fall ist. Es handelt sich um Produkte, die für die wirtschaftliche Stabilität als schädlich bewertet werden, weil sie das systemrelevante Risiko erhöhen.
  5. Derivate wie CDS sollten transparent gehandelt und hauptsächlich als sinnvolle Absicherungsprodukte gehandelt werden. Der Verkauf von Finanzprodukten, die dazu dienen, auf den Ausfall oder den Bankrott eines Unternehmens oder sogar eines Landes zu wetten, wäre damit stark eingeschränkt.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

*Marc Chesney: «Die permanente Krise – Der Aufstieg der Finanzoligarchie und das Versagen der Demokratie», Zweite Überarbeitete Auflage, Versus Verlag Zürich, 2019, 20 CHF.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 30.08.2019 um 20:41 Uhr
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    Man würde meinen wir leben im Kapitalismus. Vom Staat gestützte Banken hat aber nichts damit zu tun, im Gegenteil. Wenn man die Banken regulieren will dann schreien sie nach Freiheit und möchten nicht das der Staat eingreift und wenn sie dann Pleite gehen, lassen sie sich vom Staat retten. In meinen Augen ist das kriminell.

  • am 27.08.2021 um 16:01 Uhr
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    @Philipp Schüpbach: So geht Kapitalismus. Schon immer. Wie früher der Adel angeblich «von Gottes Gnaden» herrschte und sich alimentieren liess.
    All das Gerede vom unternehmerischen Risiko und so – ist Käse, Volksverdummung.
    Der kleine Handwerker oder Händler um die Ecke, ja der darf strampeln.
    Der ist aber auch kein Kapitalist.
    «Wenn dir einer sagt, er sei durch Arbeit reich geworden, dann frage ihn, durch wessen Arbeit…»

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