Agromining: Erz aus dem Acker
Sie heissen Alyssum murale, Arabidopsis Hallieri und Noccaea caerulescens. Wem das nichts sagt: Das sind die botanischen Bezeichnungen für das Mauer-Steinkraut, die Hallersche Schaumkresse und das Gebirgs-Hellerkraut. Diese Pflanzen wachsen als Unkräuter auf Böden mit hohem Nickelgehalt und ziehen dabei grosse Mengen des Metalls aus dem Boden. So viel, dass andere Pflanzen daran eingehen würden.
Warum das so ist, darüber zerbricht sich die Wissenschaft noch immer den Kopf. Eine mögliche Erklärung: Das Metall schmeckt ihren Fressfeinden nicht. Genutzt wurde die Fähigkeit der sogenannten «Hyperakkumulatoren», Metalle aus dem Boden zu ziehen, lange nicht. Seit einigen Jahren beginnt sich das zu ändern.
Erz-Ernte aus dem Süden Europas
Nickel wiederum ist ein häufig verwendetes Element, das hauptsächlich in der Stahlveredelung gebraucht wird. Es steckt in Münzen und Brennstoffzellen und macht Stahl korrosionsbeständig.
Mehrere Projekte weltweit beschäftigen sich damit, Nickel aus den aussergewöhnlichen Pflanzen zu lösen. Pflanzenbergbau, englisch «Agromining», ist erstaunlich ergiebig, stellt sich heraus. Die Asche von verbranntem Mauersteinkraut enthalte zehn bis zwölf Prozent Nickel, sagt Markus Puschenreiter von der Universität für Bodenkultur Wien gegenüber dem «Deutschlandfunk». Durchschnittliches Erz aus dem Bergbau enthalte zwei bis vier Prozent davon.
Puschenreiter betreut für ein Testprojekt der französischen Universität Lorraine Pflanzungen in Griechenland, Albanien, Spanien und Österreich. Das Steinkraut, das ursprünglich ein lokales Unkraut ist, braucht wenig Pflege und wird zur Ernte einfach gemäht. Ein Gewinn auch für Landwirte, da Böden mit hohem Nickelgehalt für die Agrarwirtschaft wenig abwerfen. Die Felder werden sich voraussichtlich jahrzehntelang für den Nickelanbau nutzen lassen.
Nickelreiche Böden vulkanischen Ursprungs (ultramafische Böden) gibt es vor allem in der Türkei, in Griechenland, dem Iran, Indonesien und den Philippinen. (A. Bani, G. Echevarria, A. van der Ent, P. Erskine «Agromining: Farming for Metals in the Future?»)
Die Universität Lorraine gewinnt aus getrocknetem Mauersteinkraut von griechischen und albanischen Bio-Erz-Feldern ein Nickelsalz. Mit Hilfe von Säure wird Nickel in mehreren Schritten aus der Pflanzenasche extrahiert.
Ein vorderhand eher unpraktischer Prozess, bei dem die getrockneten Pflanzen zuerst nach Frankreich transportiert werden. Umweltfreundlicher und ressourcenschonender wäre es, die Pflanzen vor Ort kontrolliert zu verbrennen. Eine Anlage in Griechenland ist bereits geplant, die Verbrennungswärme soll zur Energiegewinnung genutzt werden.
Ganz CO2-neutral ist die Bio-Nickel-Gewinnung nicht, aber sehr viel umweltfreundlicher als konventioneller Bergbau. Agromining ist jedoch nicht grundsätzlich «bio». Die Behandlung des Ackers mit Unkrautvernichtungsmitteln vor der Aussaat steigert den Ertrag, Düngung ebenfalls. Es gibt aber Möglichkeiten, Agromining auch in biologisch-dynamischer Form zu betreiben.
Nicht nur Nickel – auch Cadmium, Kupfer und Blei
Insgesamt gibt es mehr als 500 bekannte Hyperakkumulatoren. Pflanzen speichern nicht nur Nickel, sondern auch Metalle wie Arsen, Selen, Cadmium, Kupfer, Kobalt, Lanthan, Mangan, Blei, Thallium und Zink. Ein Agromining-Projekt in Deutschland experimentiert mit dem Anbau von Germanium-reichen Pflanzen. Germanium wird zum Beispiel in der Computertechnik verwendet.
Oft speichern die Pflanzen jedoch nur wenig Metall, es gibt nicht genügend geeignete Böden oder der Gewinnungsprozess ist derzeit noch zu teuer. Sobald die Preise für Metalle steigen oder die Gewinnung in Entwicklungsländern nicht mehr so günstig ist, kann sich das ändern.
Testfelder mit Nickel-Akkumulatoren finden sich nicht nur in Albanien, Griechenland, Spanien und Österreich, sondern auch in Kalifornien und Südafrika. In Frage kämen nach einer wissenschaftlichen Zusammenfassung von 2015 auch Bosnien, Serbien, Portugal, Italien, Korsika, Russland, Puerto Rico, die Dominikanische Republik und Zimbabwe. Wissenschaftler der Uni Lorraine können 150 Kilogramm Nickel pro Hektar aus Testfeldern in Griechenland und Albanien gewinnen.
Phytomining – Bodensanierung mit Zusatzgewinn
Ein noch effektiverer Nickelstaubsauger als das Mauersteinkraut ist ein Baum namens Pycnandra acuminata, der vor allem in Neukaledonien wächst. Sein türkisgrüner Saft enthält 25 Prozent Nickel. Pro Jahr und Hektar kann er ungefähr 200 Kilogramm des Metalls aus dem Boden aufnehmen.
Pycnandra acuminata enthält so viel Nickel, dass sein Saft türkisgrün ist. (Tanguy Jaffré et al, New Phytologist)
Gepflanzt wird Pycnandra acuminata nicht auf brachliegenden Feldern, sondern auf dem Gelände ehemaliger Minen, wo der Boden stark belastet ist. Hyperakkumulatoren können so bei der Abmilderung von Bergbau-Schäden helfen, indem sie giftige Schwermetalle aus dem Boden holen. Gelegenheit dazu gibt es reichlich: Neukaledonien ist neben den Philippinen und Indonesien eines der grössten Nickelabbaugebiete weltweit.
Phytosanierung oder Phytomining reduziert die Belastung von Abraumhalden und produziert dabei Wertstoff. Das macht den Schaden zwar nicht ungeschehen, vermindert aber die Sanierungskosten. Übrigens nicht nur in Übersee: Im deutschen Ruhrgebiet wird die Hallersche Schaumkresse eingesetzt, um Blei, Cadmium, Nickel und Zink aus Abraum zu entfernen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Es wird immer skurriler auf dieser Welt: Nachdem man aus Pflanzen Treibstoff herstellt, obwohl ein Drittel der Menschen nicht genug zu essen haben, folgt nun wieder so ein perverser Plan zur Ausbeutung der Natur. Würden wir die Schöpfung endlich in Ruhe lassen, so hätten wir weder Klima- noch Hungerprobleme. Wir nennen dies «Fortschritt», ja, nach dem Muster «Heute stehen wir am Abgrund, aber morgen sind wir einen Schritt weiter"!
Die Akkumulation von Metallen (insbesondere Schwermetallen) in Pflanzen ist schon längst bekannt. Dass sie benützt wird, um belastete Böden zu «reinigen», macht durchaus Sinn. Allerdings funktioniert das nur bis in eine relativ geringe Tiefe (= Reichweite der Wurzeln). Dann müsste der «gereinigte» Boden abgetragen und die daunter liegende Schicht erneut «bearbeitet» werden. Es ist sofort klar, dass (einmal mehr) das Prinzip «Vermeiden kommt vor rezyklieren» auch hier gilt: Diese Metalle dürften in der Biosphäre schon gar nicht freigesetzt werden! Das sich das System zur aktiven Gewinnung von Metallen lohnt, glaube ich nicht. Hingegen ist «Goldgraben im Müllberg» durchaus auch ökonomisch lohnend, d.h. Rückgewinnung von Metallen aus Deponien, insbesondere (Trocken-) Schlacke.