Mosambik: Verfassungsgericht erklärt Kredit der CS für nichtig
Red. Die Credit Suisse hatte zusammen mit einer russischen Bank die Veruntreuung hunderter Millionen Dollar ermöglicht. Namentlich Thomas Kesselring hat auf Infosperber bereits seit 2016 über den Fall berichtet. Er unterrichtete jahrelang als Professor an einer Universität in Mosambik.
Mosambik hatte 2013 und 2014 bei der Credit Suisse London und der russischen Staatsbank VTB London drei riesige Kredite für ein Küstenschutzprojekt aufgenommen, deren Mittel danach zu einem grossen Teil in den Sand gesetzt wurden:
- ProIndicus-Kredit (622 Millionen Dollar);
- Ematum-Kredit (850 Millionen Dollar);
- Mozambique Asset Management-Kredit (MAM-Kredit, 535 Millionen Dollar).
Der ProIndicus- und der MAM-Kredit waren Konsortial-Kredite, den Ematum-Kredit haben die Credit Suisse und die Bank VTB über Bonds (Anleihen) finanziert. Alle drei Kredite wurden auf verfassungswidrige Weise, unter Umgehung des Parlaments, aufgenommen. Weil der Ematum-Kredit jedoch später in Euro-Bonds umgewandelt und von einer mosambikanischen Parlamentsmehrheit legalisiert wurde, bestehen die Ematum-Gläubiger auf einer Rückzahlung.
Null und nichtig
Nun veröffentlichte aber am 3. Juni das mosambikanische Verfassungsgericht seine Entscheidung, den im August und September 2013 aufgenommenen Ematum-Kredit für null und nichtig zu erklären.1
Das Gericht beantwortete damit ein Begehren, das die zivilgesellschaftliche Organisation Budget Monitoring Forum FMO im Mai 2017 eingereicht hatte. Die gleiche Organisation besuchte Ende April dieses Jahres die Schweiz und appellierte an die Führung der Credit Suisse, die Milliardenschuld Mosambiks aus den geheimen Krediten abzuschreiben.
Der Gerichtsentscheid fiel wohl nicht zufällig erst jetzt: Am 29. Dezember 2018 veröffentlichte ein amerikanisches Gericht eine Anklage unter anderem gegen drei Banker der Credit Suisse London, die bei der Vorbereitung des Ematum-Kredits federführend waren, gegen Mosambiks ehemaligen Finanzminister, der für den Kredit eine Staatsgarantie unterschrieb, und gegen zwei weitere in die Sache involvierte mosambikanische Apparatschiks. Am 20.Mai gestand die ehemalige CS-Investmentbankerin Detlina Subeva vor einem New Yorker Gericht ihre Mitwirkung bei Bestechung und Selbstbereicherung in diesem Kontext.
Die mosambikanischen Verfassungsrichter unterschrieben ihr Urteil genau 14 Tage später. Am nächsten Tag demissionierte der Präsident des Verfassungsgerichts. Trotzdem wurde das Urteil in Mosambik grossmehrheitlich mit Erleichterung aufgenommen: Es hält ausdrücklich fest, dass die verantwortlichen Regierungsvertreter durch die Umgehung des Parlaments gesetz- und verfassungswidrig gehandelt haben und dass der nachträgliche (im April 2017 erfolgte) Legalisierungsversuch durch die Frelimo-Mehrheit im Parlament lediglich einen politischen, aber keinen rechtlich gültigen Entscheid darstellt: Ein politisches Gremium könne einen verfassungswidrigen Akt nicht legalisieren. Gegen das Verdikt des Verfassungsgerichts kann nicht rekurriert werden – auch nicht durch die Regierung. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Verfassungsgericht unabhängig genug ist, um sich auch gegen die Exekutive stellen zu können.
Blickt man näher hin, so erweist sich die Bedeutung dieses Entscheids jedoch als unklar. Die Verfassungswidrigkeit des Ematum-Kredits ist ja keineswegs eine neue Tatsache. Ein Untersuchungsausschuss des mosambikanischen Parlaments legte bereits am 9. Dezember 2016 die Umstände offen, unter denen dieser Kredit aufgenommen worden war (siehe Infosperber: «Kein Communiqué der CS – kaum Medienberichte» ). Und Mitte Februar dieses Jahres klagte ein mosambikanisches Gericht 20 Personen an, die in Mosambik für den Kreditskandal mitverantwortlich sind.
Die zentrale Frage, um die es im Zusammenhang mit dem Ematum-Kredit geht, bleibt im Gerichtsurteil ausgeklammert: Ende März 2016 wurde dieser Kredit umstrukturiert und in Staatsanleihen (in Eurobonds) umgewandelt. Später segnete die Frelimo-Fraktion des mosambikanischen Parlaments den Ematum-Kredit ab (die anderen Parteien stimmten dagegen oder verliessen vor der Abstimmung aus Protest den Saal). Ob aus der Nichtigkeits-Erklärung des ursprünglichen Ematum-Kredits auch die Nichtigkeit der Schulden gegenüber den Gläubigern der Ematum-Staatsanleihe abgeleitet werden kann, ist eine Frage, mit der Laien überfordert sind.
Mosambiks Regierung weiterhin rückzahlungswillig
Dass darüber wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, belegt die Tatsache, dass die mosambikanische Regierung mit den Gläubigern der aus der Ematum-Umstrukturierung hervorgegangenen Staatsanleihen weiter verhandelt. Um die Rückzahlung auf die Jahre 2029 bis 2033 hinausschieben zu können, liess sie sich auf höchst ungünstige Forderungen der Gläubiger ein, denen zufolge sich der ursprüngliche Kredit von 850 Millionen Dollar wegen der fälligen Zinszahlungen schliesslich mehr als verdreifachen wird. Im Mai dieses Jahres machte die Regierung von sich aus ein Angebot, das eine Rückzahlung zwischen 2028 und 2031 vorsieht.2 Beide Varianten sind für das Land höchst nachteilig.3 In beiden Fällen soll die Rückzahlung grossenteils aus Revenuen künftiger Gasförderung im Norden des Landes finanziert werden.
Auslieferung des Ex-Finanzminister Manuel Chang aus Südafrika bleibt pendent
Wirtschafts- und Finanzminister Adriano Maleiane behauptet, mit seiner Rückzahlungsbereitschaft die Glaubwürdigkeit Mosambiks gegenüber internationalen Investoren beweisen zu wollen. Diese ist allerdings wegen des Versteckspiels um die geheimen Kredite seit Jahren massiv beschädigt. In Wirklichkeit tut die Regierung noch immer alles Mögliche, um einer Ausweitung der Untersuchung des Skandals vorzubeugen, weil unter anderen der aktuelle und der vorherige Präsident in ihn verstrickt sind. Südafrikas Justizminister Masutha wollte Mosambik kürzlich den Gefallen tun, den von den USA angeklagten und in Johannesburg verhafteten vormaligen Finanzminister, Manuel Chang, nach Mosambik zurückzuschicken, statt ihn an die USA auszuliefern, wo er vermutlich gezwungen wäre, die mosambikanische Beteiligung am Skandal weiter offen zu legen. Die USA haben angekündigt, gegen die Nicht-Auslieferung Changs rekurrieren zu wollen. Nach den Mai-Wahlen in Südafrika ist zudem der Justizminister ausgewechselt worden. Die Angelegenheit ist nun wieder in der Schwebe, Chang bleibt weiterhin in Südafrika festgehalten.
Immerhin weigert sich die mosambikanische Regierung, den zweiten Kredit, ProIndicus, zurückzuzahlen: Er ist nicht in Staatsanleihen umgewandelt worden, und das Parlament hat ihn nachträglich nicht zu legalisieren versucht. Dasselbe trifft auch für den dritten geheimen Kredit („MAM“) zu, den die russische Staatsbank VTB allein ausgerichtet hatte.
Doch wie kürzlich durchsickerte, machte die mosambikanische Regierung den „MAM“-Gläubigern trotzdem ein grosszügiges Rückzahlungsangebot. Die Bedingungen, unter denen die Kredite ProIndicus und „MAM“ vergeben wurden, sind einander sehr ähnlich. Weshalb die mosambikanische Regierung den einen zurückzahlen will und damit anscheinend als legal einstuft, den anderen aber nicht, ist unklar. Immerhin dürfte sich das Urteil des Verfassungsgerichts auf die weiteren Verhandlungen um Rückzahlungen des „MAM“-Kredits auswirken: Weil die Argumentation des Gerichts auch auf die Bedingungen dieses Kredits zutrifft, entzieht sie der Berechtigung seiner Rückzahlung den Boden. Das Gericht kann der Regierung aber offenbar nicht verbieten, den Gläubigern weiterhin attraktive Angebote auf Kosten der Bevölkerung zu unterbreiten.
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Infosperber-DOSSIER:
«Die Credit Suisse im Mosambik-Skandal»
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FUSSNOTEN
1República de Moçambique, Conselho Constitutional: Acórdão no 5/CC/2019, de 3 de Junho 2019 (im Internet nicht verfügbar).2Agentur Bloomberg: Mozambique Reaches Agreement on Restructuring of Eurobonds (31.05.19)3Erster Vorschlag (November 2018): Zitamar Weekly Newsletter, 9.11.2018: https://zitamar.substack.com/p/buying-back-credibility-for-three . Vergleich des zweiten Vorschlags (Mai 2019) mit dem ersten: Zitamar Weekly Newsletter, 10.06.19
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.