Bundesrat Cassis› Leute haben «dilettantisch verwedelt»
Kurz zur Erinnerung: Nachdem Bundesrat Ignazio Cassis im Januar eine Kupfermine des Rohstoffkonzerns Glencore in Sambia besichtigt hatte, liess er über seine PR-Leute im EDA verbreiten: «Die schädlichen Emissionen halten jetzt die Höchstwerte ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO festgesetzt hat.» Diese Information an die Öffentlichkeit war falsch, wie Recherchen der Rundschau und von Infosperber aufdeckten. Die Unwahrheit korrigierte das EDA auf seiner Webseite erst nach zehn Tagen.
Cassis selbst ruderte später im «Echo der Zeit» etwas zurück und meinte, die Grenzwerte der Belastungen mit Schwefeldioxid würden «im Grossen und Ganzen» eingehalten. Das EDA habe darüber «auch mit lokalen NGO gesprochen». Diese letzte Aussage erwies sich wiederum als falsch, weil EDA-Vertreter keine einzige von dreissig lokalen NGO kontaktierten. Infosperber berichtete darüber: «Bundesrat Cassis und seine Leute bleiben uneinsichtig».
Ombudsmann: Professionalität vs Dilettantismus
Trotz dieser unprofessionellen Fehlleistungen beschwerte sich EDA-Sprecher Jean-Marc Crevoisier beim SRF-Ombudsmann über die Berichterstattung von SRF mit dem Argument, ein Interview des Bundesrats sei «manipuliert worden mit dem Ziel, eine Polemik auszulösen».
In seiner abschliessenden Stellungnahme vom 12. Juni urteilt Ombudsmann Roger Blum «nach Studium der Akten und der Sendungen», dass ein Vergleich der Publikationen von SRF mit dem Verhalten des EDA zeige: «Hier Professionalität, dort Dilettantismus». Das EDA habe korrekturbedürftig informiert und anschliessend zu verwedeln versucht:«SRF hat alles richtig gemacht. Es war richtig, die Verwedelungen und Unklarheiten klarzustellen. Und es war richtig aufzuzeigen, dass die Glencore-Mine halt die WHO-Richtwerte noch immer überschreitet. Ich kann Ihre Beanstandung beim besten Willen nicht unterstützen.»
Wie kann ein Bundesrat eine Mine besuchen und keine Fragen stellen?
Es falle ihm schwer, meint Ombudsmann Blum in seinem «Schlussbericht», das Verhalten des Aussenministers und seiner Kommunikationsabteilung nicht zu kommentieren. Er tat es trotzdem:«Wie kann man eine Mine besuchen, die mehrheitlich Glencore gehört, ohne die seit Jahren vorgetragene Kritik an der Firma anzusprechen und auf die Abgas-Richtwerte der WHO hinzuweisen sowie die Kritik an der Steuermoral zu thematisieren? Wie kann man nach dem Besuch euphorische Tweets absondern, die das Unternehmen dann für seine PR benutzt? Wie kann man im Zusammenhang mit einer Mine in Mufulira erwähnen, man habe auch lokale NGOs getroffen, aber solche in Lusaka meinen und auf Schweizer Seite nicht sich selber, sondern die Botschaft im Vorfeld?»
EDA-Kommunikationschef Jean-Marc Crevoisier wird «ab Mitte 2019 eine neue Aufgabe im Kommunikationsbereich an der Mission der Schweiz bei der UNO in New York übernehmen», teilte das EDA mit.
Glencore-Mine in Sambia überschreitet SO2-Richtwerte noch immer massiv
Bundesrat Cassis hatte Mitte Januar nach dem Aufdecken von SRF-online eingeräumt, dass Glencore die WHO-Grenzwerte entgegen den ersten EDA-Angaben nicht immer einhält: Aber nur im «winzigen Moment», wenn die Minen angefahren werden, könnten «Grenzwerte» überschritten sein. Also nicht der Rede wert, lautete die verharmlosende Botschaft des Aussenministers.
Als früherer Kantonsarzt sollte es Cassis besser wissen. Es gibt zwei Richtwerte der WHO – einen 24-Stunden-Wert und einen 10-Minuten-Wert. Beide sollten nicht überschritten werden. Denn selbst nur kurzzeitig austretende Dämpfe von Schwefeldioxid (SO2) sind für Menschen mit Atmungsproblemen gefährlich und können Asthma-Attacken auslösen. Aus diesem Grund erliess die Weltgesundheitsorganisation WHO im Fall von SO2 ausnahmsweise einen speziellen Richtwert für kurzzeitige Luftkonzentrationen von SO2. Dieser beträgt maximal 500 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft über eine Zeitspanne von zehn Minuten. Selbst während des Anlaufens der Anlagen darf dieser Wert nicht überschritten werden.
Kupfermine und Kupferschmelzwerk von Glencore in Mufulira (Fotos Res Gehriger SRF)
Neue Messungen des Rundschau-Redaktors Res Gehriger vor Ort ergaben jetzt, dass Glencores Kupfermine Mopani in Mufulira weiterhin nicht – wie von Glencore behauptet – nur kurzfristig beim Anfahren die WHO-Richtwerte überschreitet, sondern auch die WHO-Limiten beim Normalbetrieb um ein Vielfaches übertrifft: Eine Messung ergab eine Überschreitung des WHO-Richtwerts um den Faktor 77.
In der Rundschau-Reportage vom 12. Juni kamen mehrere Einwohner, darunter Lehrerinnen und Kinder zu Wort, welche am Einatmen von SO2-Dämpfen erkrankten. Glencore weigert sich weiterhin, die Ergebnisse der eigenen Messstationen in Wohngebieten rings um die Fabrik zu veröffentlichen.
Zufällig konnte die Rundschau Einblick nehmen in firmeneigene Messdaten von zwei Tagen. An beiden traten hohe Peaks von SO2 auf. An einem Tag war der Kurzzeitrichtwert der WHO (der auch dem gesetzlichen sambischen Grenzwert entspricht) deutlich überschritten. Laut Nino Künzli, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene, können Empfindliche und Asthmatiker auf solche SO2-Konzentrationen mit Attacken reagieren, die zuweilen sogar einen Spitalaufenthalt nötig machen.
Bedenklich sind die Messresultate der Rundschau über die Dauerbelastungen. Zertifizierte Messgeräte erfassten die SO2-Belastung an fünf Standorten während fünf Tagen. Der Spitzenwert während dieser fünf Tage erreichte 1552 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das ist das 77-Fache des WHO-Richtwerts für die Dauerbelastung und das 22-Fache des gesetzlichen Grenzwerts in Sambia.
Glencore meinte dazu lediglich, das Unternehmen würde «technische Probleme bekämpfen» und es seien ihr «keine Klagen bei Normalbetrieb» bekannt. Das EDA meinte lapidar, das Aussendepartement setze sich dafür ein, «dass bei Emissionen und Immissionen nationale und international vereinbarte Grenzwerte eingehalten werden». Bundesrat Cassis stehe für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.
Gerichtsverhandlung über Schadenersatz
Der Rundschau-Reporter war auch während einer Gerichtsverhandlung in letzter Instanz dabei. Die Familie der wahrscheinlich an SO2-Folgen verstorbenen Politikerin Beatrice Mithi verlangt gerichtlich Schadensersatz. Eine erste Instanz hatte Glencore zur Zahlung von 40’000 Dollar verurteilt, worauf Glencore Berufung einlegte. Das Urteil des höchsten Gerichts Sambias wird erst in den nächsten Wochen bekannt. Es könnte zu einem wichtigen Präzedenzfall für andere Geschädigte werden.
*********************************************************
Weitere Informationen zur Politik des Glencore-Konzerns.
*********************************************************
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Grenzwerte sind sowieso eine Gratwanderung – einfach so dass es keine Todesfälle gibt!!!
Es begann schon vor seiner Wahl in den Bundesrat: Ignazio Cassis l�sst prinzipiell kein Fettn�pfchen an seinem Weg aus, um mit Wonne in selbiges hineinzutreten ! & Zur Erinnerung: Diffamierung der AHV-Bez�ger als �Rentner-Tsunami� w�hrend der Debatte zur Altersvorsorge 2020; Stichwort �pro-Tell"-Mitgliedschaft f�r wenige Tage, um sich damit bei den Waffenfans und der SVP einzuschleimen; Stichwort opportunistischer Verzicht auf seine italienische Zweitstaatsangeh�rigkeit, um sich so als astreiner 100%-Edgenosse aus der Sonnenstube Helvetiens zu pr�sentieren !
So lange Wirtschaft und Politik in einer derart menschenunwürdigen und nur auf Profit und Macht orientierten Weise miteinander verschmolzen sind, kann keine Wendung zu Besserem lediglich erhofft werden. Gott sei Dank hat wenigstens die Kirche ihre einst brutale Machtausübung in vielen Ländern eingebüsst. Nun geht es darum, dass Menschen weltweit gegen die Bevormundung durch die Verfilzung von Politik und Wirtschaft ankämpfen. Wirtschaft und Politik sollten – gemäss den Staatsverfassungen der meisten Staaten – für die Menschen da sein und nicht umgekehrt. Die Realität weist in eine andere Richtung. Die auf grenzenlosen Profit orientierte Finanzwirtschaft wird alles zerstören, alles! Einfach alles!
Es wird in der Schweiz bald die Konzernverantwortungsinitiative zur Abstimmung kommen, dann stimmen wir JA dazu.
Genauso wie die beginnende Säkularisierung im 18./19. Jahrhundert ist es höchste Eisenbahn für eine «Oeconomisierung» oder falls jemand ein besseres Wort findet für: Eine komplette Entflechtung von Wirtschaft und Staat!
Im späten Mittelalter haben die Gesellschaften erkannt, dass die Trennung von Kirche und Staat zentral für das funktionieren und prosperieren einer Gesellschaft sind.
Entsprechend ist es in der Mitte des Informationszeitalters angebracht, den nächsten logischen Schritt zu vollziehen und für ein nachhaltiges funktionieren unseres Planeten durch die komplette Entflechtung von Wirtschaft und Staat zu sorgen.
Im Grunde ein Segen der von vielen verteufelten allseits möglichen Kommunikationsmedien: Es bleibt fast nichts mehr geheim!
Es begann schon vor seiner Wahl in den Bundesrat: Ignazio Cassis lässt prinzipiell kein Fettnäpfchen an seinem Weg aus, um mit Wonne in selbiges hineinzutreten ! … Zur Erinnerung: Diffamierung der AHV-Bezüger als «Rentner-Tsunami» während der Debatte zur Altersvorsorge 2020; Stichwort «pro-Tell"-Mitgliedschaft für wenige Tage, um sich damit bei den Waffenfans und der SVP einzuschleimen; Stichwort opportunistischer Verzicht auf seine italienische Zweitstaatsangehörigkeit, um sich so als astreiner 100%-Eidgenosse aus der Sonnenstube Helvetiens zu präsentieren ! … Stil- und prinzipienlos bis zum Abwinken ! Und unanständig obendrein !
Viele Schweizer decken solche Machenschaften und Bestechungen aus blossem Eigen-Interesse und bloss eigenverantwortlich, nicht nur bei der Kapital-Gesellschaft Glencore. Mit anständiger Arbeit ist die Entlohnung eben deutlich niedriger.
Danke, dass Ihr dran geblieben seid und uns, soweit möglich, fundiert darüber orientiert.