Mosambik-Skandal: Was die Anklageschrift CS-Managern vorwirft
upg. Im Jahr 2013 hatte Mosambiks damaliger Präsident Armando Guebuza über drei halbprivate, vom Sicherheitsdienst geleitete Firmen gigantische 2,0 Milliarden Dollar Kredite aufgenommen, um – angeblich – bei einer französischen Werft eine Fischereiflotte für den Thunfischfang bauen zu lassen und die Küstenwache gegen Piraterie zu stärken – unter Ausschaltung der Nationalbank Mosambiks, des Ministerrats, des Parlaments, des Verwaltungsgerichts, des IWF und der Weltbank.
Die Credit Suisse war mit über einer Milliarde Dollar dabei. Hunderte Millionen Dollar verschwanden laut einem Untersuchungsbericht als Korruptionsgelder.
Thomas Kesselring, bis 2013 Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern und bis 2015 Dozent an der Pädagogischen Universität von Mosambik, hat seit Ende 2016 im Infosperber regelmässig darüber berichtet. Heute fasst er die Anklageschrift eines New Yorker Gerichts gegen neun Personen zusammen.
Schweizer Behörden nehmen den Skandal nicht ernst
Bereits seit mindestens zwei Jahren hätten die Finanzaufsichtsbehörde Finma, die Bundesanwaltschaft oder sogar der Bundesrat zu diesem Skandal, in den verschiedene in der Schweiz ansässig Firmen involviert sind, öffentlich Stellung nehmen können. Jetzt ist es ein Gericht in New York, der «United States District Court – Eastern District of New York», das Anklage erhob und den wahrscheinlich riesigen Korruptionsfall öffentlich macht. Infosperber hat am 4. Januar darüber berichtet: «USA klagen Manager der Credit Suisse an».
Spitze des Eisbergs
Die Anklageschrift vom 19. Dezember 2018 gegen Hauptakteure des Mosambik-Skandals stützt sich grossenteils, wenn auch nicht ausschliesslich, auf die Geldflüsse, die im Kontext mit dem CS-Mosambik-Deal über New Yorker Bankkonten liefen. Die Anklageschrift macht aber nur die Spitze des Eisbergs sichtbar. Denn die Anklage, die auf Bestechung, ungetreue Geschäftsführung, Urkundenfälschung und Geldwäscherei lautet, bezieht sich auf Geldflüsse in der Höhe von 200 Millionen Dollar. Das ist bloss ein Bruchteil der Summe, von der vermutet wird, dass sie im Mosambik-Skandal veruntreut wurde.
Laut dem Untersuchungsbericht Kroll vom Juni/Juli 2017 ist die in Wirklichkeit veruntreute Summe mit gut 1,2 Milliarden Dollar sechsmal höher: Über den Abfluss von mindestens einer halben Milliarde Dollar verweigerten die Verantwortlichen gegenüber Kroll jegliche Auskunft. Die Schiffe, um die es in dem Deal offiziell ging, waren um mindestens 713 Millionen Dollar überteuert – und zudem kaum brauchbar.
Die Credit Suisse trifft offensichtlich eine viel grössere Schuld, als bislang gemeinhin angenommen wurde. Angeklagt werden jetzt in New York neun Personen, darunter drei ehemalige hohe Investmentbanker der CS London. Fünf Personen sind zwischen dem 29. Dezember 2018 und dem 3. Januar 2019 verhaftet worden und namentlich bekannt.
Die folgende Zusammenfassung der Anklageschrift1 ist mit Hinweisen auf die Skandalgeschichte ergänzt. Ein zweiter Teil wird die dringlichsten Fragen aufgreifen, die sich jetzt stellen.
Bei allen genannten Angeklagten gilt bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung.
I. Die Anklage
Neben den 9 Angeklagten bezieht sich die Anklageschrift auf eine Reihe von Helfershelfern („Co-conspirators“). Die Namen der noch nicht gefassten Angeklagten sind eingeschwärzt und die Co-conspirators werden anonym behandelt. Das CIP (Centro de Integridade Público) in Maputo identifizierte einige der fehlenden Namen.2 Der öffentliche Ankläger in Mosambik hat die Namen von 17 in den Skandal involvierten Mosambikanerinnen und Mosambikaner publiziert.3
Die fünf festgenommenen Angeklagten sind:
Den Angeklagten 2 bis 5 wird vorgeworfen, ein teures Küstenschutzprojekt für Mosambik zu dem Zweck aufgezogen zu haben, «Geld aufzutreiben, um sich zu bereichern und absichtlich Teile der Kredite abzuzweigen, um mindestens 200 Millionen US-Dollar an Bestechungs- und Schmiergeldern an sich selbst, an mosambikanische Regierungsbeamte und andere zu zahlen».6
Gemäss Angaben und Schätzungen in der Anklageschrift (Ziff. 56, 75, 76, 78, 83, 92, 93) erhielten die Angeklagten folgende Schmiergeldzahlungen:
Chang: Je 5 Millionen Dollar für die Unterschriften unter die mosambikanische Staatsgarantie für den Proindicus-Kredit sowie den MAM-Kredit und 7 Millionen Dollar für die des Ematum-Kredits,
Pearse: 45 Millionen Dollar [darin sind die 32,6 Millionen, welche er anlässlich der Umstrukturierung des Ematum-Kredits als Chef der Firma Palomar erhielt, nicht inbegriffen],
Singh erhielt 4,5 Millionen Dollar, Subeva 2,2 und Boustani 15 Millionen.
Schiffsbaufirma Privinvest von Iskandar Safe im Zentrum
Der Ursprung des Skandals liegt laut Anklageschrift bei der Schiffbau-Firma Privinvest, die zum Firmenimperium des libanesischen Geschäftsmanns Iskandar Safa gehört (das Centro de Integridade Pública in Mosambik, CIP, vermutet, dass Safa zu den 9 Angeklagten gehört): Jean Boustani der Privinvest soll einem hohen mosambikanischen Funktionär vorgeschlagen haben, Schiffe für ein Küstenschutzprojekt zu bauen.
Das Motiv dazu sei die Chance auf persönliche Bereicherung durch hohe Summen an Bestechungsgeldern für Privinvest und die mosambikanischen Partner gewesen. Für die Sondierungsgespräche auf mosambikanischer Seite verantwortlich war laut CIP António de Rosário, der darauf als Chef die drei mosambikanischen Küstenschutz-Firmen befehligte.
Falls Iskandar Safa tatsächlich zu den Angeklagten gehören sollte, könnte sich auch für Deutschland ein Problem ergeben, denn Safa besitzt dort die German Naval Yards (vormals Abu Dhabi Mar) mit rund 1000 Arbeitsplätzen. Die Bundesregierung gab bei ihm den Bau von Marine-Korvetten in Auftrag7.
Kredit an die mosambikanische Firma Proindicus: 620 Millionen Dollar (Februar – November 2013)
Um die Mosambikaner für den Deal zu gewinnen, wurde laut Anklageschrift eine Bestechungssumme von 50 Millionen Dollar reserviert. Ein Privinvest-Mittäter (sein Name ist in der Anklageschrift eingeschwärzt), begründete das wie folgt: «Denn für die Projektumsetzung wird es andere Akteure geben, deren Interessen beachtet werden müssen, z.B. Verteidigungsministerium, Innenministerium, Luftwaffe usw… In demokratischen Regierungen wie den unseren kommen und gehen die Leute, und alle Beteiligten werden ihren Anteil an dem Deal während ihrer Amtszeit haben wollen, denn wenn sie das Amt einmal verlassen haben, wird das schwierig.»8
Die Anklageschrift listet neben Finanminister M. Chang fünf weitere mosambikanische Persönlichkeiten auf, die je zwischen 2 und 9,7 Millionen Dollar an Schmiergeldern erhielten [Ziff. 91].
In Mosambik zirkuliert inzwischen die Information, dass unter der Präsidentschaft Guebuza die Minister aus den folgenden Ressorts in den Skandal involviert seien: Finanzen, Verteidigung, Fischerei, Transport und Kommunikation, Inneres sowie möglicherweise der damalige Präsident Armando Guebuza persönlich. Am 6. Januar setzte sich dieser sicherheitshalber per Hubschrauber in ein Ferienhaus in felsiger Umgebung in der Provinz Tete ab.
Als nächstes musste für die Finanzierung eine Bank gefunden werden. Die CS-Filiale in London zeigte sich interessiert. Trotz der Warnung durch einen Mitarbeiter, ein Privinvest-Verantwortlicher sei für seine massiven Bestechungen berüchtigt, setzten die Angeklagten (2), (3) und (4) ihren Plan durch. Wichtige Bedingungen der Bank wurden ausgehebelt und übergangen: 1. Meldung an den IWF; 2. Zustimmung durch die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft; 3. Begleitung des Deals durch die mosambikanische Staatsbank.
Zur Erfüllung einer vierten Bedingung, eine unterschriebene Staatsgarantie durch Mosambik, konnte man gegen eine Bestechungssumme von 5 Millionen Dollar Finanzminister Chang gewinnen. Diese Staatsgarantie war aber ungültig, da laut Verfassung das mosambikanische Parlament hätte darüber befinden müssen. Die Profiteure bei der CS, bei Privinvest und den mosambikanischen Funktionären hielten die Kredite aber geheim und umgingen das Parlament.
Es ging zunächst um 622 Millionen Dollar, einen Kredit an die Firma Proindicus, welche diese an die Firma Privinvest überwies. Diese sollte Mosambik mit Schiffen und Infrastruktur für den Küstenschutz ausstatten.
Die Frage, weshalb die Compliance-Abteilung der CS diesen Kredit billigte, wurde von der CS-Chefetage bislang so beantwortet, dass die Angeklagten die Londoner Compliance-Abteilung ausgetrickst hätten. Ihre Titel – «director», «vice-president» – galten offenbar als Zeichen der Vertrauenswürdigkeit.
Kredit an die Firma Ematum: 850 Millionen Dollar (Juli – Sept. 2013)
Nachdem die Sache so gut geklappt hatte, wurde ein zweiter Deal eingefädelt – der Kredit an die Firma Ematurm. Laut Anklageschrift lag die Initiative diesmal bei den Mitarbeitern der CS in Zusammenarbeit mit Akteuren bei Privinvest. Ziel soll gewesen sein, die Kreditsumme für weitere Eigenprofite, Schmiergelder usw. zu erhöhen und die erste Rückzahlungstranche für den Proindicus-Kredit zu finanzieren (Ziff. 59).
Zwei der angeklagten Investmentbanker der CS, Pearse und Subeva, waren bereits auf dem Absprung von der CS und nutzten, wie Singh, ihre privaten Computer für die weitere Vorbereitung des Geschäfts. Ziffer 61 der Anklageschrift klingt so, als sei die Idee, als Kreditzweck den Aufbau einer Thunfischflotte auszugeben, von Andrew Pearse gekommen (Quelle: E-mail vom 4. Juli 2013). Daher der Name Ematum (Empresa moçambicana de atum) für die gegründete Firma.
Auch die Zusammensetzung der Flotte und ihre Ergänzung durch militärische Überwachungsboote (Trimarane) war Gegenstand des Email-Austauschs (Ziff. 62).
Damit die Credit Suisse den Kredit bewilligte, ohne an der Identität der Empfängerfirma Privinvest Anstoss zu nehmen, schufen sie Informationsmaterial, das einen Bieterwettbewerb vortäuschte (Ziff. 66). Zudem nahmen die Angeklagten (2)-(4) versteckterweise wiederum direkten Einfluss auf den Due Diligence-Prozess (Ziff. 67, 68).
Die Täter erhofften sich eine Kreditsumme von 800 Millionen Dollar, die in Wirklichkeit dann sogar um weitere 50 Millionen getoppt wurde. Am 30. August 2013 bewilligte die CS einen Kredit von bis zu 850 Millionen unter mosambikanischer Staatsgarantie (Ziff. 58). Davon organisierte sie 500 Millionen. Die russische VTB-Bank (Filiale London) sorgte für die restlichen 350 Millionen. Die VTB-Bank kam anscheinend im Oktober 2013 ins Spiel, weil sich die CS weigerte, weitere Kredite zu organisieren (Ziff. 58).9
Um Investoren für den Ematum-Kredit zu finden, gaben die Banken Anleihen (Darlehenszertifikate; engl. Bonds, loan certificates) aus. Deshalb erfuhren der IWF und die interessierte Weltöffentlichkeit von diesem Kredit, über dessen Höhe in Mosambik allerdings noch zwei Jahre lang gerätselt wurde.10
Die französische Presse feierte Anfang September 2013 den mosambikanischen Thunfischflotten-Bauauftrag an eine Privinvest-Schiffswerft in Cherbourg (mit Bildern des Kleeblatts François Hollande – Armando Guebuza – Iskandar Safa, siehe Bild oben). Das war ein zweiter Grund, weshalb der Ematum-Kredit nicht geheimgehalten werden konnte.
Als die Darlehenszertifikate anlässlich einer Umstrukturierung des Ematum-Kredits im März 2016 in Eurobonds umgewandelt wurden, waren die Angeklagten (2) und (4) wieder mit von der Partie – diesmal als Vertreter der Firma Palomar – und gaben sich alle Mühe, die weitere Geheimhaltung des Proindicus- und MAM-Kredits abzusichern (Ziff. 85-88).
Das gelang ihnen allerdings nicht. Der Skandal flog unmittelbar nach der Umschuldung des Ematum-Kredits durch einen Artikel des Wallstreet Journals auf.11
Kredit an die Firma MAM: 540 Millionen Dollar (April – Mai 2014)
Dieser Kredit wurde von der russischen Bank VTB in London organisiert. Die CS war daran nicht mehr beteiligt. Konstitutiv mitgewirkt haben hingegen die Angeklagten (2) und (4), diesmal als Vertreter der zu Privinvest gehörenden Firma Palomar (mit Sitz in Zürich). Der angeklagte damalige Finanzminister (1) unterschrieb wieder die mosambikanische Staatsgarantie (Ziff. 80).
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Lesen Sie die Fortsetzung in den nächsten Tagen
II. Offene Fragen an die Credit Suisse und an Behörden.
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Zum ganzen Infosperber-DOSSIER:
Die Credit Suisse im Mosambik-Skandal
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FUSSNOTEN
1Im Folgenden verweisen wir auf die einzelnen Ziffern der Anklageschrift, die im Internet einsehbar ist.
2https://cipmoz.org/wp-content/uploads/2019/01/Aspectos-chave-do-%E2%80%9Cgolpe%E2%80%9D-da-di%CC%81vida-ilegal.pdf
3Zitamar News, 10.01.2019. Die Namen hat auch J.Hanlon in Mozambique News, reports & clippings no. 432 vom 10.01.19 erwähnt. [Derzeit, 10.01.19, im Internet noch nicht abrufbar]
4Im Kroll-Bericht wird die Vermutung geäussert (S.20), Pearse sei Mitinhaber der Firma Palomar Capital Advisors, die zu Privinvest gehört, und 30,6 Millionen Dollar seien im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Proindicus-Kredits an die Firma Palomar Capital Advisors AG mit Sitz in Zürich geflossen (S.13, 17). Nach Veröffentlichung des Kroll-Berichts haben die Firmen Palomar und Privinvest (teilweise mit Erfolg) sowohl auf die Audit-Crew Druck ausgeübt, den Bericht zu ihren Gunsten abzuändern, als auch diverse Online-Journale, einschliesslich Infosperber, zu erpressen versucht, damit sie ihre Berichterstattung vom Netz nehmen.
5https://de.reuters.com/article/usa-schweiz-credit-suisse-idDEKCN1OY0GR
6They „created the maritime projects as fronts to raise money to enrich themselves and intentionally diverted portions of the loan proceeds to pay at least $200 million in bribes and kickbacks to themselves, to Mozambican government officials and others” (Ziff. 25)
7Frontal 21 : Fragwürdiger Geschäftspartner. Korvetten für die Marine: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/korvetten-fuer-die-marine-100.html
8“Because for the project implementation there will be other players whose interest will have to be looked after e.g. ministry of defense, ministry of interior, air force, etc, … in democratic governments like ours people come and go, and everyone involved will want to have his/her share of the deal while in office, because once out of the office it will be difficult.”
9Zu ergänzen ist hier, dass die insgesamt in den Sand gesetzten Kredite von 2,07 Mrd $ praktisch hälftig von der CS (1,04 Mrd $) und der VTB (1,03 Mrd $) organisiert worden sind. Wer es genau wissen will: CS und VTB teilten sich wie folgt in die Anteile der drei geleisteten Kredite: Proindicus total 622 Millionen Dollar (CS 504/ VTB 118); Ematum total 850 Millionen Dollar (CS 500/VTB 350); MAM total (535 Millionen Dollar (CS 000, VTB 535). Die Kredite wurden jeweils in mehreren Tranchen abgewickelt.
10Die Vermutung des CIP (Aspectos-chave do ‚golpe‘ da dívida ilegal…, vom 9.1.19, p.7), der IWF habe bereits 2015 um die Höhe der geheimen Kredite gewusst (“FMI provavelmente sabia sobre os empréstimos, mas não sobre as garantias do governo“ ; https://cipmoz.org/wp-content/uploads/2019/01/Aspectos-chave-do-%E2%80%9Cgolpe%E2%80%9D-da-di%CC%81vida-ilegal.pdf), halte ich für unzutreffend. Bekannt war nur der Ematum-Kredit. Die Kredite Proindicus und MAM wurden erst am 3.April 2016, kurz nach der Ematum-Umschuldung, durch einen Artikel im Wallstreet Journal publik. IWF und Geldgeberländer reagierten umgehend, indem sie Zahlungen und Budgethilfe an Mosambik sofort einfroren.
11Matt Wirz, Julie Wernau: Tuna and Gunships: How $850 Million in Bonds Went Bad in Mozambique. The Wall Street Journal, 03.04.2016: http://www.wsj.com/articles/tuna-and-gunships-how-850-million-in-bonds-went-bad-in-mozambique-1459675803 – Erste Meldung in der Schweiz: CS-Kunden droht teurer Ausfall durch Thunfisch-Deal. Bilanz / Handelszeitung, 05.04.2016: http://www.handelszeitung.ch/invest/cs-kunden-droht-teurer-ausfall-durch-thunfisch-deal-1038920
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Keine. Thomas Kesselring ist auch Mitglied von Rat Kontrapunkt.