Rettet die Nacht!
Lichtverschmutzung war in der Schweiz lange Zeit kein Thema, obwohl das Problem seit Jahren besteht. Und die Nächte werden immer heller – spätestens seit sich das Siedlungsgebiet in vormals ländliche Gebiete ausbreitet. Schon seit Jahren ist der Sternenhimmel für Städter selbst in klaren Nächten kaum mehr zu sehen. Auch in grossen Gebieten des Mittellandes ist der Himmel in einen diffusen Schimmer getaucht – die berüchtigte Lichtglocke, die die Sterne zum Verschwinden bringt.
Aufdringliche Leuchtreklamen beeinträchtigen die Lebensqualität vieler BewohnerInnen von Städten und Agglomerationen und stören deren Schlaf, weil sie oft die ganze Nacht hindurch eingeschaltet bleiben. Grossflächige Überbauungen und Baustellen werden mit viel Aufwand und ohne Grund nächtelang beleuchtet. Nicht zuletzt waren es die immer dichteren und helleren Strassenbeleuchtungen, die AnwohnerInnen Anlass zu Klagen gaben. In jüngster Zeit kamen Alarmrufe von Naturschützern hinzu. Sie weisen darauf hin, dass die anhaltende nächtliche Beleuchtung für viele Tierarten negative Folgen hat. Besonders gefährdet sind Insekten. Neuste Untersuchungen stellen fest, dass die Artenvielfalt und Zahl der Insekten in den letzten Jahren drastisch abgenommen haben, was ökologisch höchst bedenklich ist.
Grundsatzentscheid: Lichterlöschen!
Bereits im Jahr 2013 gab es ein Bundesgerichtsurteil, nachdem Bürger aus dem Kanton Aargau die nächtliche Beleuchtung an einer Hausfassade beanstandet und den Streit bis zur höchsten gerichtlichen Instanz weitergezogen hatten. Die Richter kamen zum Schluss, dass jede private oder geschäftliche Beleuchtung, die nicht aus Sicherheitsgründen erforderlich sei, um 22.00 Uhr abgeschaltet werden müsse. Einzige Ausnahme seien Weihnachtsbeleuchtungen, die jedoch um 01.00 Uhr gelöscht werden müssten.
Dieser Grundsatzentscheid ist allerdings noch lange nicht ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Vermehrt gibt es Klagen gegen solche nächtlichen Störungen. Als Reaktion auf die Beschwerden haben in den vergangenen zwei Jahren diverse Gemeinden die Strassenbeleuchtungen umgerüstet, die Leuchten besser abgeschirmt und die Lichtstärke nachts massiv gedämpft, wo es die Sicherheit erlaubte.
Steigende Zahl von Nachbarschaftsklagen
Von Lichtverschmutzung betroffen sind vor allem die grösseren Agglomerationen der Schweiz – die Nordwestschweiz, der Grossraum Zürich oder Bern. Hat auch hier ein Umdenken stattgefunden? Das wollten wir von den entsprechenden Fachstellen wissen. Zuständig für Lichtverschmutzungen sind neben den Gemeinden die kantonalen Lufthygieneämter.
Hans-Peter Tschirren von der Fachstelle Immissionsschutz des Kantons Bern teilte auf Anfrage mit: «In den letzten fünf Jahren stellen wir in der Bevölkerung eine Zunahme der Sensibilität für die Lichtverschmutzung fest. Dies äussert sich durch eine zunehmende Anzahl von Bürgerfragen zum Thema.» Pro Jahr werden etwa zwei bis drei Dutzend Baubewilligungsfragen oder Nachbarschaftsklagen wegen übermässigen, störenden oder lästigen Lichtemissionen behandelt – Tendenz steigend.
In der Fachstelle weiss man, dass übermässiges Licht einen negativen Einfluss auf die nächtliche Landschaft, die Artenvielfalt und den Menschen hat. «Der Kanton Bern setzt sich deshalb für die Begrenzung des unerwünschten Lichts in der Umwelt ein», sagt Tschirren. Einerseits soll eine sachgerechte Information von Behörden und Privaten über den Stand der Lichtverschmutzung und die Massnahmen zu deren Verhinderung erfolgen. Anderseits werden die Einhaltung der Umweltschutzvorschriften zur Begrenzung der Lichtemissionen für Baubewilligungsverfahren überprüft, Kontrollen durchgeführt und Nachbarschaftsklagen wegen übermässigen Lichtimmissionen oder Blendungen bearbeitet.
Auch im Kanton Zürich hat man sich in jüngster Zeit vermehrt mit dem Thema auseinandergesetzt. So gibt es seit dem 1. Oktober 2019 ein Merkblatt für alle Zürcher Gemeinden, bei Baubewilligungsverfahren unnötige Lichtemissionen im Aussenraum zu vermeiden. Denn es sind zuerst die Gemeinden, die sich mit Bewilligungen und Beanstandungen auseinandersetzen müssen. Zudem hat die Regierung erst kürzlich auf eine umfangreiche parlamentarische Anfrage im Kantonsparlament reagiert und damit den Willen bekundet, die Anstrengungen gegen unnötige Lichtverschmutzung zu verstärken. Die Zürcher Fachstelle verweist auf neue Bemühungen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu), das im Auftrag des Bundesrates eine Vollzugshilfe zur Vermeidung von Lichtemissionen erarbeitet hat, die schweizweit gültig sein soll.
Auch das Lufthygieneamt beider Basel bezieht sich auf das erst kürzlich veröffentlichte Merkblatt zu den Baubewilligungsverfahren, wie Andrea von Känel, Leiter des Lufthygieneamtes beider Basel, mitteilt. In Basel-Stadt ist die Anzahl der Klagen gegen Lichtverschmutzung auf rund 20 pro Jahr gestiegen. Im baselstädtischen Kantonsparlament gab es bereits 2010 eine Motion (Brigitta Gerber), die verlangt, dass vermehrt gesetzliche Grundlagen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung erarbeitet werden. Die Motion wurde in ein Postulat umgewandelt und im Juni 2019 erneut stehen gelassen.
In diesem Zusammenhang weist Andrea von Känel ebenfalls auf die Vollzugshilfe des Bafu hin, die bereits im Oktober dieses Jahres hätte verabschiedet werden sollen. Allerdings verzögere sich die endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat, teilte das Bafu auf Anfrage mit, der Entwurf sei aber vollumfänglich publiziert und könne von den Kantonen bereits genutzt werden.
«Die Nacht ist schön»
Eine positive Nachricht kam diesen Herbst aus der Westschweiz. Auf Initiative des Naturhistorischen Museums von Genf sollten im Grossraum Genf in der Nacht vom 26. September möglichst alle überflüssigen Lichtquellen gelöscht werden, um der Bevölkerung die Schönheit der Nacht näher zu bringen und sie für den Kampf gegen die Lichtverschmutzung zu gewinnen. An diesem Ereignis beteiligten sich die Gemeinden im Kanton Genf, und viele Gemeinden der Anrainergebiete von Frankreich und der Waadt.
Die Mühlen der Politik mahlen oft langsam. Viel energischer ist man in Sachen Lichtverschmutzung in andern Ländern vorgegangen, allen voran in Frankreich, wie einem fundierten Artikel von Razmig Keucheyan in «Le Monde Diplomatique» (August 2019) zu entnehmen ist. Bereits 1993 wurde eine Charta für den Erhalt der nächtlichen Umwelt veröffentlicht, der die Gemeinden Frankreichs zur Selbstverpflichtung aufruft. Damit wird das Thema auch mit der Energieverschwendung verknüpft. Es zeigte sich, dass die Aussenbeleuchtung rund 50 Prozent des Energieverbrauchs der Gemeinden ausmachen, und mit dem sorgsamen Umgang fast 40 Prozent der Stromrechnungen der Kommunen gesenkt werden konnten.
Auch international gab es einige Anstrengungen. So gibt es mittlerweile weltweit 40 Sternenparks, in denen nachts überhaupt kein Licht brennt. In der Schweiz lädt der Sternenpark Gantrisch dazu ein, den Nachthimmel zu bestaunen. Das ist sogar im Berggebiet an einigen Orten nicht mehr möglich, sei es wegen unnötiger Beleuchtung von Gebäuden oder touristischen Anlagen.
Lichtverschmutzung ist nicht nur ein ästhetisches Problem. Die nächtliche Dunkelheit ist wichtig für unsere Erholung. Ständige Störungen durch Lichtimmissionen beeinträchtigen den Schlaf und damit längerfristig die Gesundheit von Menschen. Das gilt in grossem Ausmass auch für die Tierwelt. Rund 60 Prozent der wirbellosen Tiere und ein Drittel der Wirbeltiere sind nachtaktiv und reagieren äusserst empfindlich auf Störungen durch Licht. Zugvögel verlieren die Orientierung, und schlimmer noch: Unzählige nachtaktive Insekten werden von künstlichem Licht angezogen und sterben in den Lichtfallen. So trägt Lichtverschmutzung zum massiven Schwund mancher Insektenarten bei, wie aktuelle Untersuchungen zeigen. Die Umweltorganisation «Pro Natura» hat über die jüngsten Erkenntnisse im «Pro-Natura-Magazin» informiert.
Dabei wäre es ein Leichtes, Abhilfe zu schaffen: mit griffigen Gesetzen, die unnötiges nächtliches Licht verbieten, durch den Einsatz von umweltschonenderen Lichtquellen – und generell durch mehr Sorgfalt im Umgang mit nächtlicher Beleuchtung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Gratulation zum sorgfältig recherchierten Artikel von Linda Stibler «Rettet die Nacht!»
Die Organisation «Dark-Sky Switzerland» kämpft seit über 20 Jahren gegen die zunehmende Zerstörung der natürlichen Dunkelheit. Soeben ist eine Metastudie erschienen, die anhand von 150 Studien weltweit den Zusammenhang von Lichtverschmutzung und Insektensterben nachweist: http://www.darksky.ch/dss/de/2019/11/the-guardian-lichtverschmutzung-ist-ein-schluesselfaktor-des-insektensterbens-uebersetzung/
Das muss zu denken geben!
Anders als die Autorin Frau Stibler sind wir nicht der Meinung, dass wir in der Schweiz «griffigere Gesetze» brauchen. Das Umweltschutzgesetz verlangt bereits das Wesentliche, nämlich dass die Verursacher von Emissionen selber dafür verantwortlich sind, diese an der (Licht-)Quelle schonend einzusetzen. Bundesgerichtsentscheide nehmen dabei Bezug auf die SIA-Norm 491, welche besagt, es solle nur so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig beleuchtet werden.
Das Problem sind viel mehr die Einhaltung, der Vollzug dieser und weiterer Gesetze und Normen durch Behörden, staatliche und private Unternehmen sowie Einzelpersonen im Alltag. Dafür kämpfen wir – als Verein mit Verbandsbeschwerderecht – auf verschiedenen Ebenen. Wer mehr erfahren und dieses Engagement unterstützen möchte, ist als Mitglied willkommen!
Marianne Biedermann
Vorstandsmitglied von Dark-Sky Switzerland, darksky.ch
Die Ökos erzwangen das Verbot der guten alten Glühbirne («Die Sonne des kleinen Mannes»), den Zwang zu LED: netzhaut-schädlich, sogar die normale Haut schädigt, deshalb forschen französische Kosmetikkonzerne (Alterung, Apoptose). Zwang zu schädlichem Licht (ein deutscher Familienvater startete sogar ein eigenes Forschungsprojekt an der Schule seiner Tochter und belegte, dass LED die Denkleistung schwächt). Solch ein totalitäres Verbot wäre in anderen Bereichen (über die Hälfte der Autofahrten aus Langeweile, «zum Spass» laut Zeitung) indizierter und effektiver. Aber nein, die Glühbirne muss dran glauben, wir: für Energieersparnis, angeblich, denn wenn es denen wirklich um Energieersparnis gehen würde, würden sie die seither sich seuchenartig ausbreitende infantile Beleuchtungsarmada von Balkonen und Gärten aus längst verboten haben. Meine Meinung: Wer punkto Klima auf die Grünen setzt, wettet auf den falschen Gaul. Dafür bräuchte man Format und Strategie.
Coopzeitung 27/2018:
Die Selfie-Generation könnte schneller alt aussehen, als ihr lieb ist: Wie mehrer Studien zeigen, geht vom HEV-Licht (High Energy Visible) aus dem Handy eine bisher unbekannte Gefahr aus: Das Blaulicht dringt tief in die Haut ein und wirkt sich negativ auf die Haut aus. Es fördert die Entstehung von Fältchen und Altersflecken, sogar von Hautkrebsgefahr ist die Rede. Forscher halten das HEV-Licht für noch gefährlicher als UV-Strahlung. Wirksame Substanzen, die vor HEV-Licht schützen, gibt es noch nicht.