triftstausee

Die KWO möchten die Geländemulde des schmelzenden Trift-Gletschers für einen neuen Stausee nutzen © Kraftwerke Oberhasli KWO

Subventionen fördern umstrittenes Stausee-Projekt

Hanspeter Guggenbühl /  Das Volks-Ja zur Energiewende gibt dem umstrittenen Wasserkraft-Projekt «Trift» im Grimselgebiet neuen Auftrieb.

Die Kraftwerke Oberhasli (KWO), welche die Kraftwerkketten im Grimselgebiet betreiben, werden Ende September ein Konzessionsgesuch für ein neues Wasserkraftwerk samt neuem Stausee im Gebiet des Sustenpasses einreichen. Es handelt sich um eines der grössten hydrologischen Projekte der letzten Jahre. Die Opposition dagegen ist kleiner als der Widerstand gegen den ebenfalls geplanten Höherstau des Grimselsees. Subventionen, die das Volk mit dem Ja zur Energiestrategie bewilligte, geben dem Projekt zusätzlich Auftrieb.
Weniger Natur, mehr Winterstrom
Geplant ist eine neue, 167 Meter hohe (!) und 330 Meter lange Staumauer am Fuss des schmelzenden Trift-Gletschers auf 1770 Meter Höhe ü.M. nahe am Sustenpass (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Gletscher im Wallis). Dahinter soll ein Speichersee mit 85 Millionen Kubikmeter Inhalt entstehen. Zum Vergleich: Der neue Stausee wäre fast gleich gross wie der bestehende Grimselsee, und sein Volumen wäre mehr als dreimal so gross wie jenes des kürzlich höher gestauten Muttsees im Kanton Glarus, der das Oberbecken des Pumpspeicher-Kraftwerks Linth-Limmern bildet.
400 Höhenmeter unterhalb des neuen Speicherbeckens planen die KWO ein neues Kraftwerk mit einer Turbinenleistung von 80 Megawatt (Pumpen sind hier keine geplant). Wie viel Restwasser im heute noch wild rauschenden Bergbach übrig bliebe, wird das Konzessionsgesuch Ende September zeigen.

Das Wasserkraft-Projekt im Grimsel-Gebiet: rot eingezeichnet das neue Stollensystem und das neue Kraftwerk Trift; blau: bestehendes Stollensystem; gelb: Zufahrtstrasse
Dieses neue Wasserkraftwerk könnte pro Jahr zusätzlich 145 Millionen Kilowattstunden (Mio. kWh) Strom produzieren; das entspricht einem Anteil von bloss 0,23 Prozent an der jährlichen Stromproduktion in der Schweiz. Wichtiger ist den KWO das zweite Ziel: Mit dem neuen Stausee, dem ein abgelegenes, landschaftlich reizvolles Bergtal geopfert würde, liessen sich 215 Mio. kWh Stromproduktion vom Sommer- ins Winterhalbjahr verlagern. Energiewirtschaftlich ist das erwünscht, denn im Sommer gibt es heute Strom im Überfluss, während das Angebot mit dem Abschalten der Atomkraftwerke im Winterhalbjahr sinken wird.
Wenig politischer Widerstand
Von den grossen Schweizer Umweltorganisationen Pro Natura, WWF und Stiftung Landschaftsschutz, welche in einer Gruppe mit den Betreibern und dem Kanton Bern das Projekt begleiteten, ist kaum Opposition zu erwarten. Dies aus zwei Gründen: Im Unterschied zum Höherstau des Grimselsees, der eine im Bundesinventar enthaltene geschützte Landschaft und ein Moorgebiet tangiert, gibt es gegen dieses Projekt wenig rechtliche Hebel.
Zweitens stecken die nationalen Umweltverbände im Konflikt zwischen der von ihnen erwünschten Nutzung der erneuerbaren Energie und dem Natur- und Landschaftsschutz. Im Vergleich zum Höherstau des Grimselsees, welche die Umweltverbände seit Jahren bekämpfen, erscheint ihnen das Trift-Projekt als kleineres Übel. Der lokale kleine Grimselverein hingegen wird das Konzessionsgesuch trotz kleinen Erfolgschancen anfechten. Dazu erhofft er sich die Unterstützung der ebenfalls kleinen aber sehr sachkundigen Organisation Aqua viva.
Subventionen geben Auftrieb
Der Konjunktiv in den vorangegangenen Abschnitten zeigt: Trotz politisch schwachem Widerstand ist heute noch ungewiss, ob das Trift-Projekt mit budgetierten Investitionskosten von 387 Millionen Franken tatsächlich realisiert wird. Denn die Erzeugung von Strom aus neuen Kraftwerken ist teurer als aus bisherigen, und die Schweizer Stromproduzenten klagen, schon der Strom aus bisherigen Anlagen bringe ihnen Verluste in Milliardenhöhe. Darum verlangt die Stromlobby Subventionen sowohl für bisherige als auch für neue Wasserkraftwerke.
Dank revidiertem nationalem Energiegesetz, das die Schweizer Stimmberechtigten im Mai befürworteten, kann der Bund Investitionsbeiträge von bis zu 60 Prozent an die Baukosten von neuen Wasserkraftwerken bis 10 Megawatt Leistung bezahlen, bis zu 40 Prozent für Wasserkraftwerke in der Grösse des Trift-Projekts. Zudem beantragt der Bundesrat in seiner Vorlage zur Senkung der Wasserzinsen, dass neue Wasserkraftwerke während zehn Jahren ab Inbetriebnahme vom Wasserzins und damit vom Entgelt für die Primärenergie vollständig befreit werden, also von den Berggebieten die Primärenergie Wasserkraft gratis erhalten. Solch happige Subventionen könnten neue Kraftwerke rentabel machen, selbst wenn die Stromschwemme in Europa noch einige Jahre dauert und die Marktpreise für Strom im Keller bleiben.
Momentan beantragt die KWO lediglich die Konzession für das Trift-Projekt. Ob und wann er das Projekt ausführen will, wird der KWO-Verwaltungsrat frühestens in vier Jahren entscheiden In der Prioritätenliste der verschiedenen KWO-Projekte stehe das Trift-Projekt aber an der Spitze, erklärt auf Anfrage KWO-Direktor Daniel Fischlin. Denn das Projekt ist dank grösserem Speichervolumen und zusätzlicher Kraftwerkleistung wirtschaftlich vorteilhafter als der Höherstau des Grimselsees oder das – unbestrittene aber sistierte – Pumpspeicher-Projekt Oberaarsee-Räterichsboden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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Eine Meinung zu

  • am 12.09.2017 um 21:10 Uhr
    Permalink

    Da setzt sich der Autor nachweislich für die ‹Energiewende› ein und wenn dann ein Nebental der Alpen geflutet werden soll, argumentiert er mit ‹weniger Natur›. Lächerlich und inkonsequent. Batze und Weggli, das geht bekanntlich nicht. Diese unausgegorene ‹Energiewende› wird uns noch lange beschäftigen.

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