Glosse

Häberli, wie er leibt, lebt und verkehrt

Beat Gerber © bg

Beat Gerber /  Unser Mann ist nonstop unterwegs auf klimatischen Höhenflügen, beflügelt vom ökologischen Schleuderkurs. Total normal.

Er ist Mitte 40, zum zweiten Mal verheiratet, zwei erwachsene Kinder, verdient anständig und gehört zum mittleren Mittelstand. Herbert Häberli* will das Leben in vollen Zügen geniessen, wohnt in der Agglomeration, im geräumigen, ölbeheizten Einfamilienhaus am Waldrand. Der Einbau von Solarzellen sei ihm zu teuer, das Subventionsgesuch für die Anlage zu umständlich, die Vergütung des selbst produzierten Stroms zu niedrig. Er heize aber mit erneuerbarem Holz, nämlich im Cheminée während des Winters und im Herbst, und leiste damit einen ökologischen Beitrag. In echt heimeliger Atmosphäre!
Häberli ist Feinschmecker, er liebt gutes Essen und edle Weine. Die aromatischen Steaks für seinen gigantischen Gasgrill stammen vorwiegend aus Argentinien, gewürzt wird mit Salz aus dem Himalaja. Die prallen Austern zur Vorspeise lässt der Lebemann aus Südafrika einfliegen und den Sauvignon blanc dazu aus Neuseeland. Welch fruchtiger Tropfen! Den Féchy aus dem Waadtland findet Häberli schlichtweg zu sauer. Gemüse und Eier kaufe er jedoch, respektive seine Frau, hie und da beim Bauern im Dorf, schliesslich sollen auch die lokalen Produzenten profitieren.
Wild gewordener Tiger
Häberli fährt einen spritzigen SUV mit fast 500 Pferdestärken und sattem 15-Liter-Spritkonsum. Wenn er aufs Pedal drückt, reagiert die mächtige Karosse wie ein wild gewordener Tiger, Häberli freut das ungemein, vor allem im Vierrad-Antrieb auf engen Bergstrassen. Juhui! Samstags hingegen zum «Poschten» im Supermarkt pedale er jeweils auf dem Elektrovelo, da komme rein nichts hinten raus. Energie vom Saubersten!
Häberli ist vernarrt ins Reisen. Jährlich mehrmals jettet der Weltenbummler mit Frau und Freunden in die Ferne, letzthin auf eine zehntägige Kreuzfahrt in die Karibik. Der Dampfer habe zwar dreckiges Schweröl verfeuert und entsprechend duster aus den Kaminen geraucht, was Häberli aber keineswegs störte. Das Essen dreimal am Tag sei super gewesen, auch der aufmerksame Service und die Doppelkabine mit Meersicht. Schade, dass er letzten Winter seine Kollegen nicht zum Heli-Skifahren in den Kaukasus habe begleiten können. Ein Leistenbruch sei daran schuld gewesen. Sehr schmerzhaft, aber das Klima habe es ihm gedankt!
Anrecht auf Fleisch und Flugreisen
Häberli sagt, er verhalte sich generell ökologisch, keinesfalls übertrieben verschwenderisch. Er kaufe häufig Bio und bekenne sich zum Klimaschutz, das sei ein überaus wichtiges Problem, das wir nicht kommenden Generationen aufbürden könnten. Er habe aber auch ein Anrecht auf Fleisch und Flugreisen, wobei er letztere manchmal CO2-kompensiere. Und das Auto brauche er für seinen Job, in seiner Position müsse das Vehikel ein gewisses Niveau repräsentieren. Man ist schliesslich wer!
Häberlis führen ein bequemes Leben, optimal versichert in der helvetischen Blase. Ihre Reiseziele liegen geografisch zwar in weiter Ferne, doch die Gesinnung bleibt zurück vor der eigenen Haustüre. Und was erstaunt, ja in hohem Masse erschreckt: Häberli & Konsorten sind beileibe keine Ausnahme, sondern ehrbare Normalos, solider Mainstream und guter Durchschnitt. Mit ihrer Lebensart gehören sie zur überwältigenden Mehrheit im Lande. Häberli fühlt sich nämlich mit seinen Ansichten und Handlungen im vollen Recht, auch wenn er absolut keine Ahnung hat.
*Herbert Häberli ist eine Kunstfigur und keineswegs identisch mit Personen gleichen Namens.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der langjährige Wissenschaftsjournalist des «Tages-Anzeiger» war bis 2014 Öffentlichkeitsreferent der ETH Zürich. Er publiziert heute auf seiner satirischen Webseite «dot on the i».

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Beat Gerber: Tüpfelchen auf dem i

Die Welt ist Satire. Deshalb ein paar Pastillen für Geist und Gaumen.

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Beat_Gerber_200

Beat Gerber

Der langjährige TA-Wissenschaftsjournalist und ehemalige ETH-Öffentlichkeitsreferent publiziert auf www.dot-on-the-i.ch Texte und Karikaturen. Kürzlich erschien sein erster Wissenschaftspolitkrimi «Raclette chinoise» (Gmeiner-Verlag).

4 Meinungen

  • am 31.05.2019 um 15:51 Uhr
    Permalink

    Normal eben. Deshalb werden wir wohl auf diesen Beitrag viele Kommentare sehen, die entweder a) diesen ganz normalen Wahnsinn kleinzureden versuchen resp. das «Ich-hab›-nicht-er-hat-auch"-Mantra nachbeten oder b) die präsentierten Tatsachen – ich wiederhole: Tatsachen – mit Aggressivität kontern um eben jenen Lebensstil bis zum bitteren Ende zu verteidigen.

    Das Kali Yuga kommt wie immer schmerzvoll zu Ende. Der Mensch mittendrin als dümmstes aller Lebewesen, von Ökologie, Kooperation und Syntropie nie etwas gehört.

  • am 1.06.2019 um 06:09 Uhr
    Permalink

    Guten Tag, mich würde interessieren, wie sich ein Häberli informiert? Schätze, Tagi, 20 Minuten und Tagesschau. Ich denke, er betreibt auch ein Facebook Profil, wo sonst soll er denn sein Ferienbilder und Food Pornos zum Besten geben ? Wen wundert’s, dass er alles richtig macht und im Trend liegt. Schliesslich ist die Erde eine Scheibe und das Wirtschaftswachstum ewig.

  • am 1.06.2019 um 08:45 Uhr
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    Ein imperialer Lebensstil gehört nun mal zu den Verlockungen des Kapitalismus. Häberli fühlt sich bei den Grünliberalen gut aufgehoben, da geht das alles.

  • am 3.06.2019 um 16:26 Uhr
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    @G. Besmer: Der vielbeschäftigte Herbert Häberli orientiert sich kaum am Tagi. Das kostet zuviel Zeit. Eher im Vorbeigehen mit 20Minuten.

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