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Plug-In-Hybridautos verbrauchen auf der Strasse bis vier Mal so viel wie auf dem Prüfstand. © pd

Der faule Zauber mit den Hybridautos

Felix Schindler /  Plug-In-Hybride fahren angeblich fast emissionsfrei. Jetzt zeigt eine Studie, wie schlecht deren Bilanz tatsächlich ist.

Für Unkundige: Ein Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid ist ein knapp fünf Meter langer Geländewagen, mit dem der gut situierte Geschäftsmann bequem ins Büro fahren kann. Im Spurt fährt er einem Ferrari 360 Modena locker davon, obwohl er so viel wiegt wie vier Milchkühe (2,5 Tonnen). Und dabei ist er so sparsam wie ein sparsamer VW Golf, der bloss die Hälfte wiegt. Der Cayenne – das verrät die Bezeichnung Hybrid – verfügt zusätzlich zum Benzinmotor noch einen Elektromotor und eine Batterie, die an einer Ladestation aufgeladen werden kann. Deshalb stösst er laut Herstellerangaben nur 110 Gramm C02 aus. Die «Verbindung von Nachhaltigkeit und Fahrdynamik», schreibt das Porsche-Marketing.

Ein nachhaltiger Porsche SUV. Wem das krumm vorkommt: Es ist krumm. Schon lange ist bekannt, dass die Werte, die für Benzin- und Dieselautos in standardisierten Testzyklen ermittelt werden, wenig mit der Realität zu tun haben. Über Emissionen und Verbräuche bei sogenannten Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen (PHEV) wie dem Cayenne war bisher wenig bekannt. Jetzt hat eine Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) Daten von über 100’000 Plug-in-Hybrid-Autos* ausgewertet und herausgefunden, dass diese viel mehr Treibstoff verbrauchen und viel mehr CO2 ausstossen, als auf dem Prüfstand gemessen wird – die Abweichungen sind sogar wesentlich grösser als bei konventionellen Benzin- und Dieselautos.

Nur 20 Prozent rein elektrisch

Normale Benzin- und Dieselautos verbrauchen in Realität etwa 40 Prozent mehr als im Testzyklus. PHEV hingegen verbrauchen auf der Strasse doppelt bis vier Mal so viel Benzin wie vom Hersteller angegeben. Bei unserem Beispiel-SUV aus dem deutschen Zuffenhausen wären das 10 bis 20 Liter pro 100 Kilometer. Der Grund für die Differenz zwischen Werbung und Realität: PHEV fahren viel seltener elektrisch als angenommen, private Besitzer legen nur 37 Prozent der Distanz mit dem Elektromotor zurück, Fahrer von Dienstfahrzeugen fahren sogar nur 20 Prozent rein elektrisch.

Das liegt unter anderen daran, dass die Besitzer von Plugin-Hybriden ihre Autos zu selten laden. Private Besitzer fahren laut der Studie an jedem vierten Tag ohne zu laden aus der Garage, Dienstwagenfahrer sogar an jedem zweiten Tag. Dann fährt das Auto nur mit Benzin – wiegt aber mehr als ein vergleichbarer Benziner, weil er ja noch eine leere Batterie und einen stillgelegten Elektromotor im Gepäck hat.

PHEV führen CO2-Grenzwert ad absurdum

Das heisst: Plugin-Hybride sind noch ineffizienter als bisher angenommen, auch deshalb, weil sie von Menschen gefahren werden, die so bequem sind wie Menschen nun mal sind. Problematisch sind die Erkenntnisse aber noch aus zwei weiteren Gründen: Hybridautos werden, weil sie als klimaschonende Variante zum reinen Verbrenner gelten, durch steuerliche Vergünstigungen staatlich gefördert (um wie viel ist je nach Modell und Kanton verschieden). Da dies aufgrund völlig unrealistisch tiefen Emissionsangaben gemacht wird, wird ein falscher Anreiz geschaffen.

Zweitens spielen Hybridautos eine wichtige Rolle bei der Berechnung des CO2-Zielwerts, den neu zugelassene Autos seit dem 1. Januar 2020 im Durchschnitt erreichen dürfen. Seit Anfang Jahr wird im Durchschnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer toleriert. Nun gibt es in der Verordnung über die Reduktion der CO2-Emissionen zahlreiche Mechanismen, um den errechneten Durchschnittswert künstlich tief zu halten, unter anderen mit sogenannten «Supercredits».

Demnach dürfen Autos mit einem CO2-Ausstoss von weniger als 50 Gramm doppelt berechnet werden – und dazu gehören etliche PHEV. Wenn ein Grossimporteur also ein Plug-In-Hybrid verkauft, dessen Ausstoss um 45 Gramm unter dem Grenzwert liegt, darf er als Belohnung dafür zwei Autos verkaufen, die den Grenzwert um 45 Gramm CO2 überschreiten. Der Importeur wird nun für den Verkauf von Autos belohnt, die den Grenzwert um bis 100 Prozent überschreiten. Das führt die Reduktionsbemühungen – gelinde gesagt – ad absurdum.

Die Supercredits sind eine Übergangsbestimmung, sie werden zunächst gesenkt und gelten ab 2023 gar nicht mehr. Trotzdem empfehlen die Studien-Autoren, die europäische Union solle die CO2-Schwellenwerte für die Vergabe von Supercredits sofort senken. So oder so: Bis der durchschnittliche Flottenverbrauch tatsächlich auf 95 Gramm CO2-Ausstoss pro Kilometer sinkt, dürfte es noch sehr lange dauern.

* Korrekturhinweise vom 2. und vom 7. Oktober: In einer früheren Version dieses Textes wurden Plug-In-Hybridautos und Hybridautos ohne Lademöglichkeit sprachlich ungenügend voneinander abgegrenzt. Ausserdem war im Bild ein Logo zu sehen, das bei einem Modell ohne Lademöglichkeit verwendet wird. Die Studie untersuchte ausschliesslich Plug-In-Hybridautos. Und schliesslich war in einem Satz fälschlicherweise von «Modellen» statt von «Autos» die Rede.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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7 Meinungen

  • am 1.10.2020 um 16:55 Uhr
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    Der Krux mit den meistens reinen Elektroautos ist, dass sie für maximale Reichweiten gebaut werden, die selten benötigt werden, und somit sehr schwer sind. Plugin-Hybride wären effizienter, wenn sie leichter wären und hauptsächlich elektrisch verwendet würden, aber dies widerspricht offenbar den Bequemlichkeiten. Das Problem ist, dass die Leute offenbar lieber Tanken, als (etwas häufiger) ein Kabel anschliessen. Ich könnte mir vorstellen, dass automatische induktive Lademöglickeiten dies umkehren würden.

    Ich selber würde ein leichtes reines Elektromobil bevorzugen mit einem optionalen Modul, dass nur mitgenommen wird wenn benötigt. Am besten ein mietbarer Koffer mit Brennstoffzellen und Wasserstofftank. Auch Solarzellen und/oder Pedale (wie Twike) bieten gute Dienste selbst wenn sie den Hauptantrieb nur ergänzen. Aber genial ist es trotzdem: während der Fahrt Kreislauftraining und sogar wenn parkiert lädt sich die Batterie langsam aber sicher auf!

  • am 1.10.2020 um 22:15 Uhr
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    Die meisten Deutschen PHEV`s sind nur halbherzig konzipierte PHEV`s.
    Ich fahre seit 3 Jahren einen Mitsubishi Outlander PHEV, elcher von Grund auf als PHEV konzipiert wurde. D.h. der Hauptantrieb besteht aus 2 Elektromotoren, einer für die Vorderachse und einer für die Hinterachse. Der «Nebenmotor» ist ein für diese Aufgabe angepasster 2 L Benzinmotor.
    In den 3 Jahren bin ich 68000 km gefahren mit einem Durchschnitts-Verbrauch von 2.9 L /100 km.
    Ich lade eigentlich nur zu Hause an einer normalen 230V Steckdose. Das laden ist zu einem Automatismus geworden, manchmal auch 2 mal pro Tag.
    Wenn ich nicht laden würde käme ein verbrauch von 6.5 L /100 km raus. Was für ein Fahrzeug dieser Grösse ein sehr guter Wert wäre.
    Die Zukunft gehört ganz klar den reinen E-Fahrzeugen, aber bis es soweit ist, ist der PHEV eine sehr gute Lösung! (Das äusserlich gleiche Fahrzeug mit Benzinmotor brauch ca. 10 L /100 km)

    Die normalen Benziner wurden seit x Jahrzehnten «verbessert», der Verbrauch wurde um 20% reduziert, Da macht der PHEV doch schon eine viel bessere Falle!

    Auch das Fahren ist weniger stressig, dank Rekuperation kann mann meisten nur mit dem Gaspedal arbeiten. Kein schalten mehr, keine Automatik. Weniger Wartungskosten.

    Ich würde nie mehr was anderes kaufen.

  • am 2.10.2020 um 01:48 Uhr
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    Plug-in Hybrid ist das Stichwort für die Malaise, eine Idee, gewachsen hauptsächlich in den Köpfen fehlgeleiteter deutscher Entwickler, die ja schon öfters gezeigt haben, das tricksen ein wichtiger Bestandteil in ihrer Werkzeuge Kiste ist. Echte Hybrid Autos anderer Herkunft ohne Plug-in Option haben diese Probleme nicht und verbrauchen wesentlich weniger Treibstoff. da gibt es auch nichts zu «vergessen».

  • am 2.10.2020 um 09:11 Uhr
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    Der Ansatz des Artikels ist grundsätzlich korrekt. Allerdings wird dabei die Tatsache ausgeblendet, dass der Fahrer eines Porsche Cayenne wohl kaum auf einen sparsamen Kleinwagen wechseln wird. Somit sollte der Nutzen eines Hybridantriebs mit dem Basismodell der gleichen Marke und des gleichen Leistungstyps verglichen werden. Ich fahre auch ein Hybridfahrzeug (Volvo XC90 T8) und habe über die gesamte Nutzungsdauer 5.6 Liter pro 100 km verbraucht. Mit gleichem Motor ohne Hybrid dürfte der Verbrauch bei etwa 10 Litern liegen. Selbst die nicht aufladbaren Mildhybride ("Feigenblatt-Hybrid") reduzieren den Schadstoffausstoss erheblich, da sie die kinetische Energie beim Bremsen nicht einfach in heisse Luft und Bremsstaub verwandeln, sondern einen erheblichen Teil davon elektrisch «zwischenspeichern». Nicht ohne Grund setzen viele Taxi-Unternehmen auf Hybridfahrzeuge.

  • am 3.10.2020 um 15:02 Uhr
    Permalink

    Mein plug-in-hybrid braucht kaum mehr Benzin. Die täglichen Fahrten übers Jahr sind nicht länger als 50Km. In der Nacht wird mit Niedrigtarif geladen und am Morgen bin ich wieder startbereit. So dumm, wie im Artikel dargestellt, ist das doch nicht. Mein Auto wiegt allerdings auch nicht 2.5 Tonnen. Das Problem liegt wohl eher in den unkomfortablen Lademöglichkeiten. Das Ladekabel muss eben neben dem abends zu Hause parkierten Auto gerade bei der Ladebuchse hängen. So geht das Laden schneller als jedes Tanken.

  • am 4.10.2020 um 15:58 Uhr
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    Ich finde die Diskussionen um die verschiedenen Auto-Typen ganz unterhaltsam.
    Es ist ein sekundäres Problem, in welcher Form im Auto chemisch gespeicherte Energie mitgeführt wird, als Benzin, Diesel, Methan, Wasserstoff, Akkumulatoren (Li-Ionen und andere Typen), synthetisch oder landwirtschaftlich hergestellte organische Stoffe.
    Wirklich interessant ist folgende Frage: Wie wird mittelfristig genügend Energie bereitgestellt, um schlussendlich als chemisch gespeicherte Energie im Auto mitgeführt werden zu können?
    Womit werden diese Energien bereitgestellt? Mit fossilen Rohstoffen (Erdgas, Erdöl, Kohle), Solarzellen, Wind, Atomkraftwerke, Kernfusion, Geothermie, Wärme von Seewasser, Gezeitenkraftwerke, Wasserkraft, Biogas oder zweckgebundenem Anbau von Pflanzen (aber ohne die Lebensmittelproduktion zu verdrängen!)?
    Trotz allem ist unbestritten, dass Einsparungen mit zu den wichtigsten Massnahmen gehören.

  • am 12.10.2020 um 11:35 Uhr
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    Was mich an dem Artikel etwas stört ist, dass dieser Hyprid-Autos zumindest unterschwellig und generell in eine schlechte Ecke stellt. Auch ich fahre ein japanisches Modell und komme bei weiten Strecken mit etwas Höhenunterschied auf max. 4.5L/100km. Und dies trotz sehr kleinem Akku (3.3KWh) und einem mittlerweile doch schon etwas älterem Modell. Bei Kurzstrecken unter 20km, was der Normalfall ist, komme ich sogar unter 2L/100km.
    Da mein Modell nur einen sehr kleinen Akku hat, kann man dieses auch gut an einer normalen 220V Steckdose aufladen und braucht dafür keine besondere Elektroinstallation.
    Das Problem ist doch einfach, dass die meisten Hersteller in (D) einfach die Zeichen der Zeit verpasst haben und noch sehr viel Nachholbedarf in der Entwicklung haben.
    Der Artikel stellt nun alle Hybridprodukte in die selbe (Porsche SUV) Ecke, was ich nicht in Ordnung finde. Es gibt gute und sinnvolle Hybridautos!

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