Bayer-Monsanto: Pestizid-Hersteller wird zur Daten-Krake
Mit Bayer und Monsanto haben sich zwei der weltgrössten Agrarwirtschaftsunternehmen zusammengeschlossen. Die Firmenfusion, die überall mit gemischten Gefühlen beobachtet wird, findet insbesondere bei den US-Verbrauchern keinen Anklang. In einer Umfrage sprachen sich 90 Prozent der US-Amerikaner sowie 93 Prozent der dortigen Landwirte gegen die Fusion aus.
Nach ChemChina und Syngenta sowie Dow Chemical und DuPont ist es der vorerst letzte Zusammenschluss in der Agroindustrie innerhalb kurzer Zeit. Bayer-Monsanto ist keine gute Nachricht für die Umwelt, die Verbraucher und am Ende auch nicht für den Markt. Das ist zumindest die Meinung von Tiffany Finck-Haynes, Programm-Managerin für Pestizide und Bestäuber bei «Friends of the Earth». Die Fusion führe zu einem Monopol, das Innovation behindern und bei den Verbrauchern die Auswahl einschränken werde, prognostiziert sie in einem Interview mit Marc Steiner bei «The Real News». Sie weist auch auf eine Gefahr hin, die bisher weitgehend unbeachtet blieb: der Mega-Konzern ist im Begriff, ein Datenmonopolist zu werden.
Big Agriculture, big Money, big Data, big Problem
Durch Zusammenschlüsse haben sich Unternehmen zu allen Zeiten das Überleben gesichert. Allerdings, sagt Finck-Haynes, gebe es mit Bayer-Monsanto und Dow-DuPont schliesslich nur noch zwei grosse Anbieter auf dem Markt. Monsanto diktiere den Bauern schon jetzt, welche Chemikalien sie verwenden müssen, wieviel davon und wann. Zusammen mit Bayer entstehe nicht nur der grösste Samenvertrieb der Welt, sondern auch die grösste Herbizidmaschine, zum Schaden der Landwirte und der Umwelt.
Ob sich Bayer mit dem Merger in Hinblick auf das Herbizid Glyphosat einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt. Die gerade verhandelten ersten Klagen krebskranker US-Amerikaner könnten der Anfang einer ganzen Reihe sein. Das Unkrautvernichtungsmittel sei ein «wesentlicher Faktor» dafür, dass ein heute 70-Jähriger an Lymphdrüsenkrebs erkrankt sei, urteilten die Geschworenen am 20. Februar 2019. Bereits im Sommer 2018 hatte ein Gericht Bayer-Monsanto wegen eines ebenfalls krebskranken ehemaligen Hausmeisters zu einer zweistelligen Millionenstrafe verurteilt.
Der digitale Landwirt
Umso mehr wird sich das Unternehmen bemühen, die potenziellen Verluste in anderen Bereichen finanziell wettzumachen. Beispielsweise beim Angebot an genetisch modifiziertem Saatgut oder anderen Pestiziden. Eine Auswirkung der Fusion, die noch wenig Beachtung findet, ist die Konzentration von Agrardaten. Der neu entstandene Konzern ist unter anderem im Begriff, ein Datenmonopolist zu werden.
Das hängt zum Teil mit dem Bild zusammen, das die Öffentlichkeit von Landwirten hat. Der moderne Bauer in den USA ist alles andere als IT-fremd. Schon jetzt verwalten Programme, wo wann gesät und geerntet wird, wo wieviel Dünger wo eingesetzt wird und wie gross der Ertrag ist. Bauern bestücken ihre Felder mit Sensoren, überwachen das Wachstum mit Drohnen oder steuern ihre Landwirtschaftsmaschinen mit dem Computer.
WiFi an jeder Milchkanne
Im November 2018 veröffentlichte «Die Zeit» ein Interview mit Thomas Böck, Technologiechef des Landmaschinenherstellers Claas, der ausführlich erklärt, warum die Einführung der Mobiltechnologie 5G in Deutschland zu einem Entwicklungsschub in der Landwirtschaft führen könnte.
In den USA, wo grossflächige Landwirtschaft üblich ist, ist dieser Prozess schon weiter fortgeschritten. Bauern nutzen dabei Software, die quasi jeden Tag im Leben eines Ackers protokolliert. Sie führt Buch, wann wo gedüngt, gesprüht und umgegraben wird. Und sie schreibt Bauern teilweise direkt vor, wie viel Dünger und Pestizid sie für ihren Boden und ihre Kulturen einsetzen müssen, um einen optimalen Ertrag zu bekommen. Meist stammt die Software direkt von den Düngemittel- und Pestizidherstellern. Dabei entstehen grosse Mengen Daten.
Finck-Haynes befürchtet eine noch grössere Abhängigkeit der Landwirte von den Konzernen. Eine ihrer Sorgen ist auch das «Individual Pricing». Dadurch, dass zwei nebeneinanderliegende Farmen für die Konzerne direkt und im Detail vergleichbar sind, können Konzerne nicht nur ihre Produktion, sondern auch die Preise auf den einzelnen Abnehmer abstimmen.
Wem die Landwirtschafts-Software nützt
Noch besteht landwirtschaftliche Software aus Einzelsystemen. Sie zu vernetzen, ist jedoch nur eine Frage der Zeit. Eine Drohne kann beispielsweise schon heute einen lokalen Schädlingsbefall feststellen. Für die Zukunft vorstellbar ist ein System, das die Wettervorhersage, die Düngemittelpreise und die Kosten von Landmaschinen mit einbezieht, um auszurechnen, wie der Befall am wirtschaftlichsten bekämpft werden kann.
Oder eben, um die Umsatzprognose zu senken, was ausser dem betreffenden Landwirt noch viele andere interessieren dürfte. Vor allem dann, wenn diese Daten nicht nur für einen, sondern für viele Äcker verfügbar sind. Das ist nur eines der möglichen Szenarien.
Darüber, wem die schon jetzt gesammelten Daten gehören, herrscht noch nicht einmal im datenbewussten Europa Einigkeit. Auch wenn er datengestützte Landwirtschaft generell befürworte und sie für umweltschonender halte, in Bezug auf Daten, die von Landmaschinen stammen, habe er Bedenken, sagte Hans Griepentrog von der Universität Hohenheim bei Stuttgart, in einem Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung». Die Hersteller versprächen zwar, dass sie die Daten nicht weitergäben, es gebe aber keine rechtlichen Grundlagen, das zu prüfen oder eine Weitergabe zu sanktionieren.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine