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Mercedes GLE mit 212 Gramm CO2/km: Klimakonform dank Schlupfloch in den Vorschriften © PD

2020 kommt das Vier-Liter-Auto – leider nur auf dem Papier

Hanspeter Guggenbühl /  Ab Neujahr muss der CO2-Ausstoss von neuen Autos um ein Drittel sinken – theoretisch. Doch Löcher im Gesetz verschonen Spritsäufer.

95 Gramm CO2 pro Kilometer. Oder umgerechnet vier Liter Benzin pro 100 Kilometer Fahrt. Das sind die Zahlen, welche die Autobranche und die Klimapolitik ab Neujahr bewegen. Bei den 95 Gramm CO2 handelt es sich um den durchschnittlichen «Zielwert», den die EU und die Schweiz ab 1. Januar 2020 für neu zugelassene Personenwagen vorschreiben. Gegenüber diesem Mittelwert erhalten schwere Autos wie bisher einen Bonus, leichte einen Malus.

Riesige Kluft zwischen Vorschrift, Prüfstand und Praxis

Verglichen mit der heutigen Realität sind die 95 Gramm ein tiefer Wert. Das zeigen die folgenden Daten aus der nachfolgenden Grafik:

– Resultate auf dem Prüfstand Die Autos, die 2018 und 2019 in der Schweiz neu in Verkehr gesetzt wurden, stiessen bei der Typenprüfung im Schnitt rund 45 Prozent mehr CO2 in die Atmosphäre, als die Vorschriften ab 2020 anstreben, nämlich 138 Gramm CO2/km im Jahr 2018 und 139 Gramm im Jahr 2019. Dabei handelt es sich um die Messwerte auf dem Prüfstand (siehe Grafik: Werte auf dem Prüfstand).

– Im realen Verkehr, so zeigen die jährlichen Erhebungen des «International Councils of Clean Transportation» (ICCT), war der durchschnittliche CO2-Ausstoss und Treibstoffverbrauch 2018 nochmals 40 Prozent höher als auf dem Prüfstand (siehe Grafik: Praxiswerte).

Praxisverbrauch zwei Liter höher als auf dem Prüfstand

Die ICCT-Erhebung stützt sich auf Fahrten von 1,3 Millionen Personenwagen in Europa. Sie gilt damit als umfassendste Studie über den CO2-Ausstoss von neuen Personenwagen im realen Strassenverkehr.

Überträgt man den ICCT-Durchschnitt auf die Schweiz, puffte im Jahr 2018 ein neues Auto 192 Gramm CO2/km in die Atmosphäre. Das entspricht umgerechnet einem Verbrauch von acht Liter Benzin/100 km, während auf dem Prüfstand knapp 6 Liter Benzinäquivalent resultierten. Woher diese Differenz?

Der tiefere Verbrauch und CO2-Ausstoss bei der Typenprüfung ist vor allem auf die Messmethode zurück zu führen. Auf dem Prüfstand gilt ein viel sanfterer Fahrzyklus als im realen Strassenverkehr. Zudem werden spritverbrauchende Heizungen, Beleuchtungen und Klimaanlagen ausgeschaltet. Geprüft wird bei optimaler Aussentemperatur. Zudem schicken die Hersteller die Modelle mit dem tiefsten Gewicht (ohne Extras) und den schmalsten Reifen auf den Prüfstand. Das ist zwar nicht fair, aber legal.

Seit September 2018 wird der Messzyklus zwar schrittweise der Realität im Strassenverkehr angepasst; schrittweise deshalb, weil die nur für Fachleute verständlichen Vorschriften bis 2021 noch Rückrechnungen an den alten Fahrzyklus erlauben. Immerhin dürfte mit dem neuen Prüfzyklus die riesige Differenz zwischen Prüfstandmessungen und Praxisverbrauch allmählich schrumpfen.

4-Liter-Auto bleibt selbst auf dem Prüfstand Illusion

Politisch und rechtlich relevant ist die Differenz zwischen den heutigen Prüfstand-Messungen und den neuen Vorschriften. Diese CO2-Kluft wird ab 1. Januar viel grösser. Denn die EU und die Schweiz senken den durchschnittlichen «Zielwert» für Neuwagen von bisher 130 Gramm (Vorschriften bis Ende 2019) respektive 139 Gramm (Prüfstand-Durchschnitt 2019) ab 2020 auf 95 Gramm CO2/km. Umgerechnet sind das vier Liter Benzinäquivalent.

Doch das «Vier-Liter-Auto» bleibt graue Theorie; neue Autos mit sechs bis zehn Litern Spritverbrauch können weiterhin verkauft werden. Dafür sorgen in der betreffenden «Verordnung über die Reduktion der CO2-Emissionen» – neben weiteren Schlupflöchern – folgende zwei Ausnahme-Bestimmungen:

1. «Phasing-in», das heisst übersetzt: Ein Teil der Fahrzeuge muss die Vorschriften nicht einhalten. So werden im Jahr 2020 jene 15 Prozent der verkauften Fahrzeuge, die den höchsten CO2-Ausstoss ausweisen, bei der Berechnung des Mittelwerts von 95 Gramm CO2 ausgeklammert. 2021 gilt diese Gutschrift noch für die zehn Prozent grössten Spritsäufer, 2022 noch für fünf Prozent. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass das Parlament mit der laufenden CO2-Gesetz-Revision das Phasing-in fürs Jahr 2022 aufhebt und damit der weniger stark verwässerten Regelung der EU folgt.

2. «Supercredits» bedeutet konkret: Modelle mit weniger als 50 Gramm CO2-Emissionen/km können bei der Berechnung des mittleren Zielwertes im Jahr 2020 doppelt gezählt werden, 2021 noch 1,67fach und 2022 noch 1,33fach. Darunter fallen reine Elektroautos oder Autos mit Elektro- plus Benzinmotor (sogenannte Plugin-Hybride).

Wie der Mix aus SUV und Elektroauto sich auswirkt

Wie die Schweizer Autobranche die Verwässerung dieser komplizierten Vorschriften ausnutzen kann, illustriert folgendes vereinfachtes Muster:

Ein Importeur und Verkäufer von benzinbetriebenen «Sport Utility Vehicles», besser bekannt unter dem Kürzel SUV, bildet mit dem Verkäufer von Elektroautos eine Neuwagenflotte. In dieser Flotte stossen 15 Prozent aller neu verkauften Autos mehr als 220 Gramm CO2/km in die Luft, verbrennen also mehr als 9 Liter Benzin. Diese grossen Säufer werden in der Durchschnitts-Rechnung ausgeklammert. Die verbleibenden grossen Autos stossen im Schnitt noch 190 Gramm CO2/km aus.

Die Elektroautos bewertet der Gesetzgeber mit Null CO2; das ist deshalb fragwürdig, weil die Herstellung der grossen und schweren Batterien viel CO2 erzeugt, und weil der Schweizer Strommix im Winterhalbjahr auch Kohlestrom enthält und damit ebenfalls CO2-Emissionen verursacht.

Weil nun ein Elektroauto mit null CO2 doppelt zählt, kann der Verkäufer dieser Flotte im Jahr 2020 zwei Autos mit 190 Gramm CO2-Ausstoss plus ein Elektroauto verkaufen – und kommt damit just auf den «Zielwert» von 95 Gramm CO2/km hinunter.

Wie dieses Muster im konkreten Fall funktionieren kann, illustriert ein Pooling von zwei Fahrzeugen der Marke Mercedes:

Mercedes GLE-Coupe, 212 Gramm CO2/km Bild: PD

Das obere Bild zeigt das fossil betriebene Modell Mercedes GLE-Coupé mit einer Leistung von 320 Kilowatt und einer Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h. Es verbrennt auf dem Prüfstand 9,3 Liter Benzin pro 100 km und pufft damit 212 Gramm CO2 in die Atmosphäre, also mehr als doppelt soviel, wie der «Zielwert» der Vorschrift ab 2020 im Durchschnitt erlaubt.

Wenn Mercedes in der Schweiz nun neben dem GLE-Coupé zusätzlich ein elektrisches Auto verkauft, zum Beispiel das 2,4 Tonnen schwere SUV-Modell EQC (Bild unten), das auf dem Papier mit Null Gramm CO2 bewertet und doppelt gezählt wird, resultiert für die beiden Mercedes-Bolliden zusammen ein mittlerer CO2-Wert von 70 Gramm. Womit Mercedes die Vorschrift locker erfüllen kann. Das schönt die Schweizer CO2-Bilanz. Denn die Batterieherstellung belastet die CO2-Bilanz von China, der Kohlenstrom jene von Deutschland.

Mercedes Elektro-SUV EQC, null Gramm CO2 Bild: PD

Die Beispiele zeigen: Je mehr doppelzählige Elektroautos ab 2020 in der Schweiz gekauft werden, desto leichter fällt es den Autoverkäufern, die strengeren Emissionsvorschriften auf dem Prüfstand zu erfüllen, ohne den Absatz von grossen leistungsstarken CO2-Schleudern stark einschränken zu müssen. Darum freut sich die Autobranche über die Subventionen für Elektroautos, die der Staat in Form von Steuererlass, Kaufprämien oder Beiträgen an Ladestationen zahlt, und die auch einige grüne Politikerinnen gutheissen.

Fünf-Liter-Autos oder höhere Strafzahlungen

Doch trotz Subventionen lassen sich nächstes Jahr kaum genügend Elektro- und Hybridautos verkaufen, um den hohen CO2-Ausstoss der übrigen benzin- und dieselbetriebenen Neuwagen vollständig kompensieren zu können. «Phasing-in» und «Supercredits» werden den CO2-Mittelwert für Schweizer Neuwagen im Jahr 2020 um 20 bis 25 Gramm CO2/km erhöhen, schätzen befragte Fachleute; dies gegenüber dem theoretischen gesetzlichen «Zielwert» von durchschnittlich 95 Gramm.

Das heisst: Statt auf 95 Gramm (ohne Ausnahmen) sinkt der zulässige mittlere CO2-Ausstoss von Neuwagen in der Schweiz nächstes Jahr auf rund 120 Gramm CO2/km oder umgerechnet auf fünf Liter Benzinäquivalent. Gegenüber dem mittleren Ausstoss von 139 Gramm CO2 (auf dem Prüfstand) im Jahr 2019 bleibt damit immer noch eine Lücke von rund 20 Gramm CO2. Diese verbleibende Differenz können Verkäufer vermindern, indem sie nächstes Jahr vermehrt kleinere sparsamere oder elektrisch betriebene Autos anbieten. Einen Anreiz dazu bieten die im Gesetz vorgesehenen Sanktionszahlungen. Dank tieferem Grenzwert und trotz Ausnahmen werden diese Strafzahlungen nächstes Jahr deutlich steigen und Autos mit hohem CO2-Ausstoss verteuern.


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7 Meinungen

  • am 19.12.2019 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Einfache effiziente Massnahmen um Ressourcen zu schonen und Verschmutzung zu reduzieren können nicht beschlossen werden, weil sie weder dem Staat noch den Verbrauchern etwas kosten und deswegen sich niemandem bereichern kann.

    1.- Gewichtslimite!
    Braucht es wirklich mehr als eine Tonne Eisen und Plastik um 80 Kg. Fett zu bewegen?

    2.- Tempolimiten
    100 kmh oder besser 80 auf Autobahnen. (bis 40% Verbrauchsreduktion)

    Einer darf träumen oder?
    Luc

  • am 19.12.2019 um 23:31 Uhr
    Permalink

    Um es ganz kurz und bündig zu formulieren; es ist einfach ätzend, im Hinblick auf den jetzigen Klima- und Umwelt-Notstand, zu beobachten, wie die Autobranche – von den Fabriken bis zum Verbraucher – Alles versucht, um den Auflagen zu entgehen oder sie zu verwässern, die jetzt einfach notwendig sind. Sind diese Leute so Auto-besessen und Gewinn-süchtig, dass sie nicht checken, dass sie und ihre Nachfahren durch die Klima-und Umweltkatastrophe GERADE SO betroffen sein werden wie die «Grünen», die sie versuchen auszutricksen ?!

  • am 20.12.2019 um 07:32 Uhr
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    Wie immer von Herr Guggenbühl ein interessanter und sehr gut recherchierter Artikel. Nur ist es bezüglich der Elektroautos und des CO2 noch schlimmer als dargelegt. Es ist falsch, beim Stromverbrauch mit dem Strommix zu rechnen! Praktisch keine der zusätzlichen kWh werden durch Wasserkraft oder andere CO2 freie Energieträger produziert, ausser man lädt sein Auto mit extra dafür installiertem und selbst produzierten Solarstrom. Richtig ist, das für jede zusätzliche oder abnehmende kWh mit dem Grenzstroms ähnlich des Grenzsteuersatzes gerechnet werden muss. D.h. wie wird der zusätzliche Strom produziert? Wasserkraftwerke, Windkraftwerke, AKW’s laufen schon zu 100%. Geregelt werden konventionell thermische Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke. Diese verbrennen 4x mehr Energie als Elektroenergie an der Steckdose ankommt. Entsprechend hoch ist der CO2 Ausstoss auch beim Verbrauch nicht nur der Produktion des Akkus

  • am 20.12.2019 um 10:25 Uhr
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    Das 4-Liter Auto – so wie abgebildet als Hausmännerpanzer – ist Quatsch. Auch die Hoffnung mit ein paar AAA Batterien den WLTP Zyklus zu schlagen, ist Unsinn. Heraus kommen mit den Hybriden «servicefreundliche» komplexe Fahrzeuge, die für den Service die beste aller Welten ist: 2 mal Technik für die Wartung. Heute stehen beim Service eines Verbrenners 80% der Positionen auf der Rechnung, die irgendwas betreffen, was zwischen Einfüllstutzen und Auspuff (was für ein Wort!) liegt. Unsere französischen Nachbarn machen es richtig. Die langen bei Neuwagenkäufern jetzt richtig in den Geldbeutel. Wer dort ab Januar 2020 bei der Zulassungsstelle ein neues Auto anmeldet, das mehr als 185 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstösst (gemessen nach NEFZ), zahlt eine einmalige Steuer von 20 000 Euro. Ab März wird dann nach den Werten den neuen, realitätsnäheren Messzyklus WLTP abgerechnet, dann liegt die Höchstgrenze bei 212 g/km. Damit hat die französische Regierung die Beträge noch einmal drastisch verschärft. Zunächst waren als Höchstgrenze ab 2020 nur 12 500 Euro vorgesehen, bisher sind es 10 500 Euro.
    Mehr als 20 kWh auf 100 km sollte kein Personenwagen brauchen. Von mir aus kann er auch gerne ein bisschen mehr wiegen für eine begrenzte Zeit. Die Akkuentwicklung macht rasante Fortschritte. Über die letzten 5 Jahre kann man die Entwicklung so charakterisieren: 1% weniger Gewicht, 1% weniger Kosten, 1% mehr Kapazität, 1% mehr Zyklusstabilität – pro Monat! Seit 2010 sanken die Kosten z.B. um 87%.

  • am 22.12.2019 um 16:45 Uhr
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    Die Autobranche lebt vom Betrug an Kunden und Gesellschaft und wird dabei von der Justiz noch gestützt, Handelsgericht weist Sammelklagen, ab! Dazu kommt noch Unterstützung aus dem FDP / SVP Filz in Bern!

  • am 23.12.2019 um 02:44 Uhr
    Permalink

    Aufhören mit dem ganzen Quatsch mit dem Versprechen vom niedrigen CO-2 bei neu importierten Autos. Auch aufhören mit den unsinnigen Versprechen von «sogenannt» sauberen Batterie-Autos.
    Die Angaben/Versprechen betr. die Reichweite (egal welche Batterie) sind reine Laborbedingungen. Die Reichweite (Batterie-Kapazität) halbiert sich bereits bei 5 Grad Aussentemperatur. Und im Sommer beim Gebrauch der Klimaanlage ebenso um 20 %.
    Und all die Steckdosen, aus denen der Strom aus Braunkohle stammt, vorab im Winterhalbjahr, und jetzt erst recht nach dem Abschalten von Mühleberg?
    Es gibt bis dato nur einen «relativ» sauberen Antrieb, der hinsichtlich CO2-Immission mit Abstand jedes andere Fahrzeug schlägt: das Erdgas-Auto. Und wer zudem noch Biogas beimischt, fährt 30 % sauberer als jedes Elektroauto (Quelle: Deutsche Automobilzeitschrift). Doch noch sauberer ist es mit dem ÖV.

  • am 23.12.2019 um 14:18 Uhr
    Permalink

    Lieber Anton Suter
    Gestatten, das ich widerspreche. Es sind gerade 5 Grad draussen und mein Elektrofahrzeug zeigt mitnichten einen Halbierung der Reichweite. Ich liege jetzt im Bereich dessen, was der Hersteller versprochen hat bei 400 bis 450 km. Im Sommer liege ich sogar weit über dem angebenen Wert von 449 km laut WLTP. Ich hatte regelmässig Reichweiten weit über 500 km.
    Mag sein, dass ein paar Traditionshersteller aus Schaffhausen-Ausserrhoden noch dem «fine-tuning» der Verbrauchszahlen frönen – für meinen Koreaner lege ich die Hand sofort ins Feuer. Bis jetzt 10’200 km mit 13.1 kWh / 100 km gemessen über die gesamte Strecke – angekündigt war er mit 15.4 kWh / 100 km. Bis zum Frühling mag der Verbrauch noch steigen – ich mag meine Lenkradheizung und die Wärmepumpe.

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