Die unerträgliche Leichtigkeit der schnellen Worte
Vorbemerkung: Diese Vorbemerkung ist eigentlich eine Nachbemerkung. Ich schreibe sie anstelle einzelner Antworten auf die einzelnen Kommentare. Und auch als Klarstellung nach persönlichen Mails, die ich erhalten habe. Die Klarstellung scheint mir notwendig.
Zuerst, und das ist das Wichtigste: Jonas Fricker steht für mich aus persönlicher und aus politischer Sicht nach seiner öffentlichen Entschuldigung und nach seinem Rücktritt absolut untadelig da. Das galt für seine Person schon immer, und er hat als Politiker ein ganz klares Zeichen gesetzt. Das verdient unsere Hochachtung. Und darum steht im Text nach dem «Innehalten» und «Nachdenken» auch der Satz; «Alle weitere Entwicklung bleibt offen.» Das schliesst, wenn er es denn will, die mögliche Fortsetzung einer politischen Laufbahn ein.
Persönlich verbinde ich mit seinem Rücktritt grosses Bedauern – Traurigkeit wäre, offen gestanden, das zutreffende Wort. Politisch halte ich den Schritt nach wie vor für richtig und unvermeidlich. Allerdings gehört zum politischen Teil die Frage, ob wir darüber die notwendige Debatte führen.
Ausgelöst hat meinen Artikel nämlich nicht die Handlung und die Haltung von Jonas Fricker und der grünen Partei- und Fraktionsspitze. Sie haben eine verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen, der man zustimmen oder die man ablehnen kann. Ausgelöst wurden meine Überlegungen vielmehr durch die seltsame Verschiebung der Debatte in einigen Medien, die sich nur noch mit dem angeblich so opportunistischen Verhalten der Politik beschäftigt haben.
Die Kernfragen lauten aber aus meiner Sicht: Bedeutet es etwas, wenn man vom Redepult des Nationalrats spricht? Ist das ein Teil der Wahrnehmung gesellschaftlicher, politischer Verantwortung oder ein Ort, den man einem beliebigen politischen Stammtisch gleichsetzen kann? Bringt das Amt eine Verpflichtung auf gemeinsame Werte mit sich?
Mit anderen Worten: Gibt es Dinge, Werte, Menschenrechte und Menschenwürde, die wir absolut respektiert haben möchten – deren Verletzung also ein absolutes «No Go» wäre? Würde die respektvolle Erinnerung an den wohl grössten Völkermord aller Zeiten dazu gehören? Auch und gerade in unserer Zeit? Oder soll auch im Schweizer Parlament das «Everything goes» gelten, das die Abschaffer des Rassismus-Artikels oder die populistischen Provokateure für sich nutzen können, nach dem Motto: kleine, oder grössere Grenzüberschreitung, schnelle Entschuldigung, rasche Erledigung?
Zu dieser Art von Politikern hat Jonas Fricker nie gehört. Wenn sein Rücktritt einen Sinn haben soll, dann muss diese Diskussion geführt werden. In einer geeigneten Form.
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Er hat sich nach dem Vergleich zwischen Tiertransporten und Menschentransporten ganz schnell entschuldigt. «Naivität» hat er zur Begründung angeführt, und die organisierte Vertretung des verfolgten Volkes, der Israelitische Gemeindebund der Schweiz ISG, hat die Entschuldigung von Jonas Fricker angenommen. Damit, so sagen Autorinnen und Autoren der grossen Zeitungen der Schweiz und angesehene Kommunikationswissenschaftler, damit sollte es nun auch sein Bewenden haben.
Wenn jemand flehentlich um etwas bittet, oder auch nur aufrichtig, soll ihm das auch gewährt werden, heisst es. Und da die Entschuldigung nun angenommen worden ist, soll sie ihm helfen, den Frieden zu finden und vielleicht wirklich die Einsicht in das, was da geschehen ist. Das ist ein Grundwert, der zwischen den beiden Parteien gilt. Das sehe ich auch so. Und ich werde Jonas Fricker auch künftig die Hand reichen und mit ihm friedlich diskutieren, wie wir das auch schon getan haben.
Aber die Sätze fielen nicht nach einem langen, ermüdenden Arbeitstag in der Eisenbahn und auch nicht am Abend am Stammtisch. Sie waren Teil einer Rede, vom Rednerpult des Nationalrats, das Verantwortung bedeutet für das ganze Land und hohe Ansprüche stellt an das Urteilsvermögen. Ansprüche, die gewiss nicht jeder, und die auch nicht jeder immer zu erfüllen vermag. Aber es gibt Dinge, die alle Grenzen überschreiten und die ganz einfach nicht gehen – die ein absolutes «No Go» sind, wie man heute sagt.
Schnelle Entschuldigung: Ende der Geschichte?
Die Entschuldigung kam schnell. Vielleicht müssen wir aber auch deshalb noch eine Weile darüber nachdenken, was eine solche Entschuldigung eigentlich bedeutet. Wir alle.
Diejenigen, die dem Redner so schnell Absolution erteilen wollen, und die die verantwortlichen grünen Politikerinnen und Politiker zu parteipolitischen Opportunisten und «Skandalisierern» stempeln, machen es sich ein bisschen leicht. Nicht nur damit, dass sie die Verantwortlichen nur begrenzt oder überhaupt nicht nach ihren Motiven fragen oder dadurch, dass sie, wie im «Tagi», Zitate des einen oder andern nach ihrem Gusto so zusammenstellen, dass sie ihre Meinung stützen. Oder dadurch, dass sie das Wahlvolk gegen die Entscheidung des Betroffenen und der Beteiligten zu Hilfe rufen, wie in der NZZ, weil die nachrückende Aargauer Nationalrätin links vom Zurücktretenden politisiert. Es sind durchsichtige Gründe und durchsichtige Verfahren. «Man merkt die Absicht und ist verstimmt», möchte man den grossen deutschen Dichter leichthin zitieren, wenn es nicht so tief ginge.
Auch das schnelle Urteil über Politikerinnen und Politiker, denen man zügig nur die schiere Parteitaktik unterstellt und offenkundig die Möglichkeit nicht einmal erwägt, dass auch ihre Reaktion vielleicht zuerst und dauerhaft nichts anderes war als eine entsetzte Fassungslosigkeit und die grosse Frage, wie so etwas denn geschehen konnte. Und dass bei manchen vielleicht sogar eine schwere, anhaltende Trauer über den Vorgang zurückbleibt und über die Entscheidung, die unvermeidlich schien und für die Verantwortlichen offenkundig unvermeidlich war.
Doch dieses schnelle Urteil von professionellen Beobachtern muss einer anderen Diskussion überlassen werden. Und auch die abschätzige Abqualifizierung der angekündigten Aufarbeitung als Herstellung eines «Reglements». Als ob verantwortliche Politiker gerade aus dem Kreis der Grünen nicht vielleicht ihre Hannah Arendt gelesen hätten und wüssten, dass man der Banalität des Bösen nicht mit bürokratischen Massnahmen begegnen kann.
All das kann heute offen bleiben.
Der Holocaust: nebenbei abzuhaken?
Nicht offen bleiben kann aber die Feststellung, dass diese öffentlichen Beobachter jeweils mit einer kurzen routinierten Bemerkung die historische Katastrophe des Völkermords an den Juden abhaken (und an den Roma und an Homosexuellen und an Andersdenkenden…). Der «Holocaust» ist zu verurteilen, heisst es immer wieder in aller Selbstverständlichkeit, denn dieses Bedauern ist ja rituelle Pflicht. «Holocaust»: wir verwenden den Namen geläufig, seit die Judenverfolgung in einer amerikanischen Fernsehserie (1978) unter dem Titel «Holocaust» mit grossem Publikumserfolg weltweit präsentiert wurde. In einer «Soap», einer Seifen-Oper – es müsste einem bei diesem Begriff schon der Atem stocken und das Herz stehen bleiben.
Der Antisemitismus ist eine Urform des menschenvernichtenden Rassismus, hat mir der in Basel lehrende Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte Alfred Bodenheimer vor Jahren gesagt, bevor er in ein Fernseh-Interview über eine mögliche Versöhnung nach der Klärung der nachrichtenlosen Vermögen in der Schweiz eingewilligt hat. Die Schweiz hat am Ursprung dieses Problems, in der Zeit des «Holocaust», auch die Grenzen geschlossen und Etliche, die den Weg trotzdem geschafft hatten, über die gleiche Grenze zurück in den Tod geschickt.
Diese Geschichte ist nicht erledigt. Sie wird nie erledigt sein. «Jonas Fricker hat Jahrgang 1977. Er ist Teil einer Generation, die Gefahr läuft zu vergessen», schreibt Sarah Schmalz in der WOZ (Nr. 40, 5. Oktober 2017). Ihr Text ist am gleichen Tag erschienen, an dem der «Spiegel online» über die Entdeckung einer sorgfältig versteckten Schrift berichtete, in der ein Häftling aus Auschwitz – vor seiner eigenen Ermordung – festhält, wie er gezwungen wurde, den anderen Häftlingen die Kleider abzunehmen, bevor sie in die Gaskammer geführt wurden, und ihnen danach die Haare abzurasieren und die Goldzähne herauszubrechen.
Schnelle Worte, leichtes Vergessen?
Nein, ich bin kein Jude. Ich bin Mitglied der Grünen Partei der Schweiz. Eine meiner Vorfahrinnen hiess Salome Edelmann. Es ist schwer vorzustellen, dass sie nicht Jüdin war. Aber das liegt vier oder fünf Generationen zurück, vielleicht sogar sechs. Der «jüdische Einfluss» liegt also wohl lang genug zurück, dass ich damals, unter der Herrschaft der nationalsozialistischen, rassistischen Judenmörder, wohl davongekommen wäre. Glück gehabt hätte ich wahrscheinlich, wie der Redner sagte. – Glück?
Viele von denen, die jetzt an den Redaktionspulten sitzen und auf den Lehrstühlen und an den Schaltpulten von Wirtschaft und Gesellschaft und Politik gehören zu Jonas Frickers Generation, und die Nachkömmlinge, die jetzt auf den Schulbänken sitzen, brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die nicht nur «niemals vergessen», sondern die ihr Wissen auch weitergeben an die künftigen Generationen.
Wenn der Antisemitismus eine Urform des menschenvernichtenden Rassismus ist, wie Bodenheimer sagte, dann gehört zu dieser Erinnerung auch das Bewusstsein für die Gegenwart. Es gehört die Wahrnehmung für antisemitische Zwischenfälle in unseren Städten dazu und für die Mühe des Bundesrats, sich am Schutz jüdischer Einrichtungen gegen militante Bedrohungen zu beteiligen.
Und auch dieses: Wir leben heute global in einer Zeit der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit, der Diskriminierung, des Ausbaus der Festung Europa, der nationalistischen Aussperrung von Fremden – zurzeit vor allem der Muslime – und des zunehmenden Rassismus. In etlichen europäischen Ländern ist das unübersehbar, bei uns sind diese Strömungen auf eigentümliche Weise politisch «integriert». Ich halte es auch deshalb für eine politische Verpflichtung, ganz klare Zeichen zu setzen und Grenzen zu markieren, die nicht überschritten werden dürfen.
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Nachtrag
Zurzeit lese ich das Buch «Smartphone-Demokratie» von Adrienne Fichter. Ohne es schon ganz gelesen zu haben: Ich denke, es ist ein hervorragendes Buch. Es ist ein vorzüglich aufgebauter Sammelband kompetenter Autorinnen und Autoren. Es begnügt sich nicht mit den mittlerweile gängigen Erklärungen für die Misere der Presse durch den Verweis auf die Digitalisierung, die Abwanderung der Werbung und die fehlende Zahlungsbereitschaft der Kundschaft.
Es stellt den Vertrauensverlust der Presse in den schon immer bestehenden Zusammenhang der Fehlleistungen von der Verbreitung von Gerüchten bis hin zu Manipulation und Propaganda – und es schildert unmissverständlich und klar, wie in den USA die rassistische «Alt-Right»-Bewegung mit ihrer Ideologie der weissen Überlegenheit auch deshalb das Netz erobern konnte, weil auf Websites wie 4chan bewusst und gezielt jede Werthaltung abgelehnt, jede «political correctness» verfemt wurde, und wie bestimmte Bereiche durch rasend schnelles Massen-Voting mit «The_Donald»-Posts geflutet wurden. 4chan ist eine der meistbesuchten Websites der Welt.
»Wahr» ist dort und anderswo am Schluss, was durch Emotionalisierung und Provokation die grösste Massen-Aufmerksamkeit gewinnt und sich auf diese Weise durchsetzt. Aufmerksamkeits-Hack nennt man das. Wir kennen dieses Phänomen auch ganz direkt aus dem politischen Machtkampf. Es ist mit der Digitalisierung und dem Internet lediglich einfacher geworden.
Die Konsequenz ist klar. Die Entscheidung für den Rücktritt von Jonas Fricker ist kein Beschluss opportunistischer Moralapostel. Es ist die Entscheidung für eine Politik, die sich bei aller auch erwünschten Emotionalität an den Grundsätzen des Menschenrechts und der Menschenwürde orientiert. Wo die politischen Grenzen dieser Rechte und Werte – auch nur verbal – überschritten werden, müssen die politischen Konsequenzen gezogen werden.
Für die betroffene Person ist das ein Augenblick des Innehaltens, des Nachdenkens und des Aufarbeitens ausserhalb der grossen politischen Öffentlichkeit. Alle weitere Entwicklung bleibt offen.
Die vorschnelle Absolution hingegen durch ein Medienschaffen, das im schnellen Alltag des politischen Getriebes offenkundig befangen ist, gehört in den Bereich der unerträglichen Leichtigkeit der schnellen Worte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Im Text erwähnt.
Zum Begriff «Entschuldigung»:
Genau genommen kann man sich nicht selbst entschuldigen, man kann bloss um Entschuldigung bitten. Diejenigen, in deren Schuld man steht, können dann dieser Bitte entsprechen und den Schuldigen entschuldigen. Es genügt also nicht zu sagen «ich entschuldige mich» und alles ist wieder in Ordnung. Das ist nur eine nicht statthafte Verkürzung.
@Robert Ruoff – Ihren Text empfinde ich als zu lang. Zuviele Aspekte rund um Judenverfolgung, Nationalratverhalten und Fricker mit Entschuldigungen wollten Sie unter einen Hut bringen. Das ist Ihnen nur teilweise gelungen. Gut gemeint, aber nicht optimal gemacht.
Weshalb stört mich ihr langer Text? Am Ende des Textes angekommen wusste ich nämlich schon nicht mehr, welches Anliegen Sie an wen adressieren wollten. Und ich bin mir berufeshalber das Lesen von z.T. komplizierten und langen Texten gewöhnt.
War die Message etwa, dass Nationalräte politisch korrekte Reden halten sollten? Oder dass Fricker und Grüne tragische Figuren sind?
Oder dass von Nationalräten ein besonders anständiges und moralisch korrektes Verhalten verlangt wird? Klammer auf – Nationalräte sind Volksvertreter und sind damit nichts Besonderes – Klammer zu.
Oder dass wir solche Greueltaten nie vergessen sollten? Da müssten wir aber ein grosses Gedächtnis haben. Kennen Sie z.B. noch die Kreuzzüge? Christen schlachten Araber ab? Oder alte Römer schlachten Christen und Araber ab? Das waren ebenfalls wir hier in Europa. Schon vergessen?
Solange es Menschen gibt, wird geschlachtet, vernichtet, gemordet dass sich die Böden röten. All diese Greultaten sind und bleiben schlimm. Und niemand von uns war dabei. Auch der Journalist nicht. Deswegen soll er aufhören, die Moralkeule zu schwingen. Wir sollten stattdessen stets an unsere eigene Vergänglichkeit und Vergesslichkeit denken.
Ich glaube, man muss einen gewissen Weg gegangen sein in der Vorstellung nichtmenschlichen Leidens, im Versuch solches zu erfassen und nachzuempfinden.
Um auf diesen Weg zu kommen, braucht es Mitgefühl, Mitleid – auch für nichtmenschliche Kreaturen.
Jonas Fricker hat nichtmenschliches Leiden gegen menschliches aufgewogen.
Für viele ist das tabu. Es aber als „Vergleich zwischen Schweinen und Juden“ zu umschreiben, das ist für mich so daneben wie die Äusserungen von Jonas Fricker im Wortlaut. Vielleicht hat der israelitische Gemeindebund einfach verstanden, was gemeint war und konnte deshalb auch die Entschuldigung einfach annehmen?
Lieber Robert
Ich bin auch Mitglied der Grünen Partei und war ebenfalls entsetzt, als ich las, was Jonas Fricker im Nationalrat gesagt hatte. Aber ich dir nicht in allem folgen. Du sagst, er habe sich zu schnell entschuldigt. Warum das? Es wäre wohl kaum besser gewesen, wenn er damit zugewartet hätte. Man hätte den Eindruck gewonnen, er sträube sich dagegen, sei uneinsichtig oder bedauere seine Aussage nicht wirklich. Man hätte ihm das mit Sicherheit vorgeworfen. Es ist doch denkbar, dass er schon nach kurzer Zeit erkannt hat, dass er einen Riesenblödsinn gemacht hat. Vielleicht brauchte es die Aufklärung eines Kollegen oder einer Kollegin. Das einzig Richtige ist doch dann, sofort um Entschuldigung zu bitten.
Ich bin der Meinung, dass Menschen Fehler machen dürfen und dass man ihnen diese verzeihen soll, wenn sie einsichtig sind und sich dafür entschuldigen. Das gilt auch für NationalrätInnen aller Parteien. Dass Jonas zurückgetreten ist, kann ich verstehen, finde ich aber bedauerlich.
Ich bin sicher kein Sympathisant für die Grünen, unterstütze teilweise aber gleichwohl grüne Anliegen. Doch scheint mir Jonas Fricker in keinster Weise ein «Brauner» zu sein. Mit der unglücklichen, vergleichenden Aussage wollte er ganz sicher nur der Grausamkeit Nachdruck geben, wie nicht nur mit Menschen, sondern heute immer noch mit Tieren umgegangen wird, eingepfercht in Transportfahrzeugen, was genau so abscheulich ist. Meiner Meinung nach hätte man mit Wissen, für was Jonas Fricker einsteht und politisiert, anders vorgehen müssen. Besonders, nachdem die jüdische Gemeinde die Bitte um Entschuldigung angenommen haben, die ja gemerkt haben, dass Fricker diesen unglücklichen Vergleich nicht als Beleidigung ausgesprochen hat. Da haben sich die Grünen mit dem Druck zum Ausschluss einen Bärendienst erwiesen. Ich wünsche Jonas Fricker trotzdem eine weitere erfolgreiche Politkarriere!
Ob das Antisemitismus war ist m.E. unerheblich. Dieser Vergleich war unschön ganz egal wen es betrifft. Dass es auch noch ein historisch emotionell geladenes Thema betrifft, macht die ganze Aussage einfach noch etwas unerträglicher.
Was mich besonders störte war die Aussage des Nationalrates, dass er halt nicht immer nachdenke bevor er etwas sage. Für einen Politiker würde ich doch erwarten, dass er vor öffentlichen Aussagen ein minimum an Gedanken an den Inhalt der Aussage verwenden würde.
Leute die Dinge sagen, über die sie nie nachgedacht haben, sollten keine öffentlichen Mandate für ihr Geschwätz missbrauchen. Schon nur aus diesem Grund, war der Rücktritt aus meiner Sicht unumgänglich.
Fehler machen ist sicher nicht das Problem. Aber aus schierer Nachlässigkeit Dummheiten von sich zu geben … nicht jeder hat die Narrenfreiheit eines amerikanischen Präsidenten. In der Schweiz glaube ich nicht, dass die Wahl von gedankenlosen Narren ins Parlament zur politischen Tradition gehört.
@Josef Hunkeler: Es ist ja nun schon etwas später am Abend. Aber das sollte nicht bedeuten, dass man nun damit beginnt, die Kommentarspalte mit abschätzigen Bemerkungen über einen Menschen zu machen, der die härteste aller möglichen Konsequenzen aus einem Fehler gezogen hat. Respekt bleibt in dieser Diskussion ein absoluter Richtwert. – Danke.
Aber, aber Herr Ruoff, gleich die Diffamierungskeule über Herr Hunkeler zu schwingen, wenn er den Kernpunkt aufzeigt, zeugt nicht von einem offenen fairen Geist. Sie fordern Respekt? Den vermisste ich bei Herrn Fricker:
Wenn eine öffentliche Person vor öffentlicher Rede (öffentlicher als im Parlament geht nicht) nicht denkt bevor er spricht und dies noch als seine Charakteristik preist, fehlt eine gewisse Reife und Niveau für den demokratischen Diskurs. Egal ob einen die Meinung und Haltung passen. Genau die Haltung, dass es egal ist, was und wie man es sagt, wenn nur die Meinung passt, der Mensch sympathisch ist oder als politisches Instrument dem Übergeordneten dient, unterhöhlt die demokratische Kultur in schwerer Weise.
J. Hunkeler und I. Heim: Ihre Meinungen in Ehren, was zwar nicht bedeutet, dass es die Meine ist. Sie stellen doch sehr hohe Ansprüche an Miliz-Parlamentarier! Treffende Worte zu finden ist zweifellos nicht immer einfach. Und erst noch, wenn man bedenkt, wie Interpretationen von Gegnern und den eigenen Leuten ausfallen können, muss man sich fragen: Gibt es Politiker/Innen, die es immer genau treffen? Sind Worte, geleitet von Emotionen, überhaupt nicht zulässig? Braucht es im Parlament alles überlegte, hochintelligente, coole Typen, die immer genau das Richtige sagen? Schauen Sie zBsp nach Deutschland, das sind alles Berufs-Parlamentarier, was da zum Teil herauskommt, rhetorisch meist brillant, inhaltlich zum Teil sehr fragwürdig! Wortklauberei betreiben meist die politischen Gegner, um bei der eigenen Wählerschaft zu punkten. Also, was soll’s nun?
Herr Brauen, ich stimme Ihnen zu. Nur: Werden die Erwartungen gesenkt, fällt der Durchschnitt ins Bodenlose.
I. Heim: Da haben Sie natürlich recht. Das ist allerdings eine Ausgeburt der direkten Demokratie, die ich allerdings trotzdem unterstütze! Die Erwartungshaltung darf trotzdem hochgehalten werden, und bei «Abgleitern» kritisiert werden und diese möglichst bei Wahlen abstrafen! So könnte das verträgliche Niveau gehalten werden.
Bisher sind wir so schlecht nicht gefahren. Verbesserungen erträgt es natürlich jederzeit.
Doch noch ein paar schnelle Worte.
Soviel ich verstanden habe, geht es darum, dass man Menschen nicht mit Schweinen vergleichen soll.
Da ist der Mensch mit seinen unvergleichlichen Intelligenz, seiner von ihm geschaffenen Kultur, seinen Erfindungen, seinen Gedanken, seiner Literatur. Und da das Schwein.
Es hat nicht unsere Intelligenz, hat nichts, was nur annähernd an unsere Kulturleistungen herankommt. Aber auch das Schwein ist klug genug, dass, angekommen im Schlachthof, es sich in Todesangst befindet, spätestens dann, wenn es das Blut seiner Artgenossen riecht.
Was Todesangst und Entsetzen betrifft, keinen Unterschied sehe zwischen dem Schwein und den Gefühlen der Menschen im Holocaust, die ihrem sicheren Tod entgegensehen.
Ich finde auch, dass man den Menschen nicht mit einem Tier vergleichen soll.
Denn kein Tier hat diese überragende Intelligenz, seine eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, seinen Boden zu vergiften, auf dem seine Nahrung wächst, die Meere leerzufischen, sie versauern zu lassen und mit Müll zu füllen. Die Regenwälder abzuholzen und durch ein unsinniges Mobilitätsbedürftnis das Klima erwärmen zu lassen und den Planeten in eine lebensfeindliche Müllhalde zu verwandeln.
Unsere sogenannte Intelligenz dient auch dazu all diese unsäglichen Tätigkeiten zu rechtfertigen
Hier noch Theodor W. Adorno(1903-1969) :“ Ausschwitz beginnt dort, wo einer im Schlachthof steht und sagt, es sind ja nur Tiere“.
Ja nun, der Herr Adorno musste es ja wissen…
@Ruoff. Ich habe Ihre spätnächtlichen, etwas schulmeisterlichen Bemerkungen zur Kenntnis genommen. „With all due respect“ wie die gängige Formel lautet, aber auch nicht mehr. Wenn Sie der Ansicht sind, dass der Vorwurf der Gedankenlosigkeit schwerwiegender und respektloser als der Vorwurf des Antisemitismus sei, ist das Ihre Sache.
Ich bleibe der Ansicht, – und bin damit offenbar nicht ganz allein – dass das von einem Papier abgelesene Statement vor dem Nationalrat eines Parlamentariers unwürdig und inakzeptabel wäre, auch wenn es die Deportation von Franzosen, Palästinensern oder anderen Rohingyas betroffen hätte.
Solche menschenverachtenden Aussagen müssen absolute „no go’s“ bleiben, selbst wenn sie zu Fragen des Tier- oder Klimaschutzes bemüht werden sollten.
Sie haben zwar solche „no go’s“ in Ihrem Papier erwähnt, das Argument durch den Exkurs zum Holocaust aber m.E. weitgehend verwässert und relativiert. Auch die implizite Referenz zur „Gnade der späten Geburt“ kann solche Aussagen nicht rechtfertigen. Man braucht weder Rassismus noch Antisemitismus zu bemühen um solche, menschenverachtende Gedankenlosigkeiten als inakzeptabel zu betrachten.
Darf auch ich von Ihrer Seite etwas Respekt erwarten ? Mit freundlichen Grüssen, J.H.
PS: Auch die vor ein paar Monaten diskutierte Idee, Kondome an Afrikaner zu verteilen um das Klima in der Schweiz zu retten gehört m.E. in diese Klasse menschenverachtender Gedankenlosigkeit.
@Hunkeler: Danke für Ihre Replik. Meine Bemerkung bezog sich auf den Begriff «gedankenlose Narren». Das ist noch keine schwere Beleidigung. Es gab in dieser Debatte aber schon genug Verletzungen, und mir lag und liegt daran, dass nicht noch mehr davon geschieht. Das gilt selbstverständlich auch für Sie. Mit besten Grüssen, R.