Krasse Völkerrechtsverletzung des Nato-Staates
Unser Genfer UNO-Korrespondent Andreas Zumach hat bereits gestern kommentiert: «Operation Olivenzweig» ist gegen das Völkerrecht». Seit Längerem bombardiert die Türkei Stellungen der Kurden in Syrien, jetzt greifen sie am Boden mit Panzern und Bodentruppen an. Die Türkei will erklärtermassen ein syrisches Gebiet von dreissig Kilometer Breite entlang der langen türkisch-syrischen Grenze unter ihre Kontrolle bringen.
Wie war das und wie ist es in der Ukraine nach dem Putsch im Februar 2014 zugunsten einer westlich orientierten Regierung? Russland wollte eine ukrainische Region entlang der russischen Grenze unter Kontrolle behalten, eine Region, in der die Bevölkerung russisch spricht und bei Wahlen stets mehrheitlich russlandfreundliche Parteien und Präsidenten gewählt hatte.
Dass Russland mit paramilitärischen «Freiwilligen» und logistisch nachgeholfen hat, um die Ostukraine nach dem Putsch in Kiew unter Kontrolle zu behalten, scheint erwiesen. Ähnliches gilt für die Krim. Russland handelte dabei ohne unmittelbar bedroht zu sein und ohne einen Beschluss des Sicherheitsrats.
Das Echo in den grossen westlichen Medien war deshalb ausserordentlich gross, die Verurteilung des russischen Vorgehens hält bis heute an.
Im aktuellen Fall der Türkei aber, die sich die Kontrolle im syrischen Grenzgebiet sichern will, thematisieren grosse Zeitungen und das Fernsehen vor allem, dass Teile dieser Kurden den USA unterstützt wurden und die USA weitere Unterstützung ankündigten. Ein Nato-Land gegen ein Nato-Land.
Dagegen geben diese Medien bisher keine Antwort auf die Frage, unter welchem Recht die türkische Aggression gerechtfertigt werden kann. Selbstverteidigung wegen einem unmittelbar drohenden Angriff auf das Territorium der Türkei? Nein. Ein Beschluss des Sicherheitsrats? Nein.
Die USA beantworten diese Frage nicht, weil sie selber völkerrechtswidrig auf syrischem Boden Militärs stationiert haben, im letzten April eine syrische Luftwaffenbasis mit Raketen beschossen und syrische Stellungen noch immer mit Drohnen angreifen – ebenfalls ohne unmittelbare Bedrohung des eigenen Landes und ohne Beschluss des Sicherheitsrats.
Die «Basler Zeitung» informiert am 22.1.2018 nur mit einer kleinen Meldung
Dürfen «Ordnungsmächte» in Ländern mit Diktaturen eingreifen?
Dürfen sie das? Auf diese Frage ist Redaktor Helmut Scheben am 18. Dezember 2016 auf Infosperber eingegangen. Im Folgenden nochmals seine Überlegungen dazu:
Schon der Begriff «Ordnungsmacht» hat in meiner Auffassung einen Geruch von Kolonialismus. Es waren die Kolonialherren, die sich berufen sahen, Ordnung auf der Welt zu schaffen und die armen Völker des Südens zu «zivilisieren.» Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte damit endgültig Schluss sein. Die Charta der Vereinten Nationen legt schon in der Präambel fest, dass «alle Nationen, ob gross oder klein» als gleichberechtigt zu respektieren sind.
Im Artikel 2 heisst es: «Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.»
Der Einsatz von Gewalt als legitime Verteidigung gegen den Angriff eines anderen Staates ist davon ausgenommen. Aber war 9/11 der Angriff eines fremden Staates auf die USA? Er war es nicht. Selbst wenn man einen derartigen Sachverhalt hätte konstruieren wollen, hätten die USA Saudiarabien angreifen müssen, denn die Täter waren fast ausnahmslos Saudis.
Hat Gaddafi den Westen angegriffen? Er hat es nicht. Er hat – im Gegenteil – Sarkozys Wahlkampf mit schätzungsweise 50 Millionen Euro finanziert. Deshalb musste er liquidiert werden, bevor er sich vor einem ordentlichen Gericht hätte verteidigen können. Er wusste zu viel.
Hat Assad den Westen angegriffen? Er hat es nicht. Mag sein, dass Hillary Clinton oder François Hollande Assad unsympathisch finden und in ihm einen Diktator sehen: Es spielt keine Rolle, und es gibt ihnen kein Recht auf militärische Intervention. Wenn Syrien ein Demokratie-Defizit hat, dann wäre die Remedur eine politische Angelegenheit der Syrer und Syrerinnen. Nicht aber die Angelegenheit der USA.
Oder darf Saudiarabien bombardiert werden, weil es undemokratisch regiert wird und eine Frauen verachtende Politik betreibt? Muss Israel bombardiert werden, weil es als einzige Macht im Nahen Osten eine Atombombe besitzt und damit eine Gefahr für die arabischen Nachbarn ist?
Es gibt ohne die ausdrückliche Genehmigung durch die Vereinten Nationen keine völkerrechtliche Legitimation für den militärischen Angriff auf einen anderen Staat, und möge man diesen noch so sehr beschönigen mit «humanitären» Motiven, dem Streben nach Demokratie auf der Welt oder was auch immer. Wenn dieser Grundsatz über Bord geworfen wird, dann kann die Nato oder ein beliebiges Militärbündnis, welches sich als Ordnungsmacht fühlt, in Zukunft jedes Land der Welt mit Luftbombardements «demokratisieren». Der Soziologe Ulrich Beck warnte schon Ende der Neunzigerjahre vor einem «militärischen Humanismus», der am Ende zu einer Auflösung aller völkerrechtlichen Prinzipien führt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Es ist richtig und ein Skandal, dass hier nicht eindeutig gehandelt wird. Was aber nicht stimmt, ist, dass die USA völkerrechtswidrig sich in Syrien befinden. Es war ein Minister des Asad-Regimes, der gesagt hat, dass jeder willkommen sei, der gegen den IS kämpft. Ausserdem handelt es sich bei den US-und anderen westlichen Soldaten um kleine Eliteeiinheiten. Ein paar Nasen also.
Mit der Aggression gegen die Kurden in Syrien hat sich der türkische Präsident selber sein Grab geschaufelt. Der Stein, den er erhoben hat wird auf seine eigenen Füsse fallen. Denn im Gegensatz zu seinen Soldaten haben die schon so oft geschundenen Kurden weniger zu verlieren dafür viel zu gewinnen. Die Motivationslage der kurdischen Kämpfer ist bei weitem höher einzuschätzen als die der Türken. In der Not können sich die Kurden zusammenschliessen, die Türkei aber bleibt ein gespaltenes Land.
Der Einsatz von Gewalt als legitime Verteidigung gegen den Angriff eines anderen Staates ist laut der UNO-Satzungen erlaubt. Helmut Scheben stellte die Frage, «aber war 9/11 der Angriff eines fremden Staates auf die USA? Er war es nicht. Selbst wenn man einen derartigen Sachverhalt hätte konstruieren wollen, hätten die USA Saudiarabien angreifen müssen, denn die Täter waren fast ausnahmslos Saudis.»
Erwähnen muss man aber noch, dass die 9/11 Story zu den seltsamen Geschichten gehört die uns von den USA immer wieder aufgetischt haben. Erinnert sei an den Tonkin Zwischenfall, die Kuwait Brustkastenlüge und die Massenvernichtungsmittel mit denen der Irak angeblich die Welt bedrohte. Unsere Qualitätsmedien schluckten diese «US -Informationen» meist.
Und es kann hier zur Ergänzung angefügt werden, dass (auch) dieser Krieg mit im Westen produzierten Waffen, unter anderem mit US-amerikanischen Jagdbombern und deutschen Leopard-Panzern, geführt wird und die Schweiz über Jahrzehnte Waffen aller Art in die Türkei exportiert hat.
@Thomas Sennhauser
Sie schreiben "Was aber nicht stimmt, ist, dass die USA völkerrechtswidrig sich in Syrien befinden."
Das stimmt aber schon: Die USA betreiben in Syrien 14 (!) Militärbasen. Die syrische Regierung hat mehrfach betont, dass die USA (und GB u. FR) in Syrien *nicht* willkommen sind. Syrien hat sich diesbzgl. auch mehrfach vor der UN beschwert. Völlig zurecht.
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Sie schreiben: «… ein Minister des As[s]ad-Regimes, der gesagt hat, dass jeder willkommen sei, der gegen den IS kämpft.»
Die Regierung Assad hat mehrfach gesagt, dass die USA, GB u. FR den IS nicht wirklich bekämpfen sondern ihn unterstützen.
(Was durchaus stimmt. Es gibt viele Belege dafür, der bekannteste ist wohl der «Vorfall» vom 16.9.2016 in der Nähe von Deir-Ezzor, als die USAF den IS im Kampf gegen die SAA unterstützt hatte.)
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Übrigens: Alleine die Unterstützung und Bewaffnung von Rebellen durch Drittstaaten verstösst gegen das Völkerrecht.
Dass die USA und andere sowohl den IS als auch die Al-Qaeda mit Waffen unterstützt haben, dafür gibt es auch viele Belege.
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Sie schreiben weiter: "Ausserdem handelt es sich bei den US-und anderen westlichen Soldaten um kleine Eliteeiinheiten. Ein paar Nasen also."
Man kann davon ausgehen, dass sich in Syrien 2000-5000 «militärische Berater» der USA aufhalten. Plus nochmals ungefähr gleich viele Söldner (aus offiziellen «Söldner Firmen") unter dem Banner der USA.
@ Christoph Meier, Sie schreiben sehr richtig, die Ausführung ihres Kommentares, teile ich genau so.
Bei den Russen verhält es sich correkt, er wurde vom Präsident Assad gebeten, Hilfe zu leisten. MfG
Werner Kämtner