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ETH-Professor Jürg Leuthold: «Ich verstehe den ganzen Mais um das 5G nicht ganz.» © Talk Täglich/Tele Züri

Mobilfunk-Anbieter sponsern Handy-Strahlenforschung

Kurt Marti /  Swisscom und Sunrise finanzieren eine Stiftung, die bezweckt, «interessenneutrale» Fakten zur Mobilfunkstrahlung zu vermitteln.

«Ich verstehe den ganzen Mais um das 5G nicht ganz», erklärte der ETH-Professor Jürg Leuthold im Talk Täglich von Tele Züri. Und setzte gleich noch einen drauf: Das einzig Gefährliche an 5G sei «die Angst vor 5G». Denn 5G bringe «viele Vorteile». Das sollte man «einmal ganz neutral vom Fachlichen anschauen». Dann werde man sehen, «es ist eigentlich ein Schritt vorwärts in die richtige Richtung».

Swisscom-Vertreter sitzt im Stiftungsrat

Ganz neutral? ETH-Professor Leuthold, der in letzter Zeit auf allen Kanälen für die neue 5G-Technologie weibelt, ist Leiter des ETH-Instituts für Elektromagnetische Felder. Gleichzeitig sitzt er im Stiftungsrat der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation, die von den Mobilfunk-Anbietern Swisscom und Sunrise sowie von der Schweizer Stromnetzgesellschaft Swissgrid gesponsert wird und die ihren Sitz in Leutholds Institut für Elektromagnetische Felder hat.

Neben den Sponsoren wird die Stiftung von zahlreichen Trägern und Gönnern ideell oder finanziell unterstützt, beispielsweise auch vom Telekom-Lobbyverband asut. Zudem sitzt im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, deren Zweck unter anderem die «interessenneutrale Vermittlung von Forschungsfakten» ist, neben ETH-Professor Leuthold auch der Swisscom-Strahlungsexperte Hugo Lehmann.

Anlässlich der Informationsveranstaltung «Science Brunch» der Forschungsstiftung zum Thema «Smarte Antennen – Chancen und Herausforderungen für 5G» stimmten Leuthold und Lehmann gemeinsam ein Loblied auf die Verheissungen der 5G-Technologie an. Zu den «Science Brunches», die zweimal jährlich stattfinden, werden rund 50 VertreterInnen aus Politik, Behörden, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft «persönlich eingeladen», wie es auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst.


Hugo Lehmann, Strahlungsexperte der Swisscom Quelle: SRF/Kassensturz

An einem weiteren «Science Brunch» der Stiftung stellte Leuthold die Frage: «Was kommt nach 4G?» Es folgte ein Werbespot über die Möglichkeiten der neuen Mobilfunk-Generation. Ins gleiche Horn blies an derselben Veranstaltung Felix Kamer, Vize-Präsident von Huawei Schweiz, und gab die Zukunftswünsche des chinesischen Telekom-Riesens zum Besten.

Die nächste Veranstaltung der Forschungsstiftung findet nächsten Dienstag und Mittwoch im Hauptgebäude der ETH in Zürich statt. Die Begrüssungsrede für den Workshop «Millimeterwellen –Stand der Forschung» hält – man darf dreimal raten – niemand anders als der Swisscom-Mann Hugo Lehmann.

Auch ein Berater des Bundes sass jahrelang im Stiftungsrat

Neben dem ETH-Professor Jürg Leuthold und dem Swisscom-Vertreter Hugo Lehmann sass auch der Umwelt-Epidemiologe Martin Röösli im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, und zwar von 2011 bis vor kurzem. Röösli lehrt am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut der Universität Basel und leitet die beratende Expertengruppe NIS (Berenis) des Bundes. Erstaunlicherweise sass Röösli nicht nur im Stiftungsrat der Forschungsstiftung, sondern sein Name steht auch auf der Liste der geförderten Forschungsprojekte.


Martin Röösli, Leiter der beratenden Expertengruppe Berenis des Bundes Quelle: SRF/Plus

Die Forschungsstiftung ist auch in der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung vertreten, die im Auftrag des Bundesrats bis Mitte 2019 einen Bericht abliefern soll, der «die Bedürfnisse und Risiken beim Aufbau von 5G-Netzen analysieren und Empfehlungen abgeben» soll.

Der Name des Experten der Forschungsstiftung ist im Mandat des Bundesrats erstaunlicherweise eingeschwärzt, ebenfalls der Name des Experten mit den Funktionsbezeichnungen «Beratende Expertengruppe NIS (Berenis) und Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut Swiss TPH».


Ausschnitt aus dem Mandat des Bundesrats an die Arbeitsgruppe Mobilfunk mit zwei eingeschwärzten Experten

Zweifel an der Unabhängigkeit werden verscheucht

Um die Glaubwürdigkeits-Zweifel an der von der Stiftung finanzierten Forschung trotz des Sponsorings der Mobilfunk-Anbieter zu verscheuchen, werden die Forschungsgelder nicht vom Stiftungsrat vergeben, sondern von einem wissenschaftlichen Ausschuss aus lauter VertreterInnen der Hochschulen (siehe Organigramm).

Auf der Internetseite der Forschungsstiftung heisst es dazu: «Diese Firewall gewährleistet die absolute Unabhängigkeit aller Förderentscheide.» Und aus der Feder des Präsidenten des wissenschaftlichen Ausschusses, Professor Peter Achermann von der Universität Zürich, tönt das dann im Jahresbericht 2017 so: «Es ist mir wichtig zu betonen, dass der wissenschaftliche Ausschuss in seiner Entscheidung völlig frei ist und in keiner Weise durch die Sponsoren beeinflusst wird. Nur unabhängige Forschung ist glaubwürdig.»

Klimaforschung gesponsert von der Erdölvereinigung?

Die Finanzierung der Forschungsstiftung durch die Mobilfunk-Anbieter Swisscom und Sunrise nagt an der Glaubwürdigkeit der von ihr finanzierten Forschung, auch wenn darüber ein rein wissenschaftlicher Ausschuss entscheidet.

Was würde wohl die kritische Öffentlichkeit sagen, wenn die Klimastudien der Schweizer Hochschulen von einer Stiftung mitfinanziert würde, die von der Erdölvereinigung und von Auto Schweiz alimentiert würde und in deren Stiftungsrat die Lobbyisten der fossilen Energien sässen? Wenn dann die Klimaforscher auch noch mit den fossilen Lobbyisten gemeinsam öffentlich aufträten, würde das dem Fass den Boden endgültig ausschlagen.

Statt die Forschung zum Mobilfunk innerhalb der öffentlich finanzierten Forschung zu tätigen, erweisen sich die Hochschulforscher mit einer Finanzierung durch Swisscom und Sunrise einen Bärendienst. Denn unabhängig davon, ob ihre Forschungsresultate neutral oder nicht neutral sind, bleibt der Zweifel an deren Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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4 Meinungen

  • am 14.06.2019 um 16:57 Uhr
    Permalink

    Wissenschaftler müssen heute auch noch Drittmittel einwerben, neben den Machtspielen. Wer mehr Drittmittel einwirbt, macht eher Karriere.
    Money makes the world go round.

    Der Sachverhalt –langfristige Wirkung von hochfrequenter Strahlung– auf Mikrostrukturen entsprechender Wellenlänge (Synapsen, Neuronen, Gene, epigenetische Schalter) ist wenig erforscht. Ob Pharmaka als Nebenwirkung das Hirn langfristig schädigen bei z.B. mehr Stress, auch nicht.
    Wechselwirkungen zwischen mehreren Einflussfaktoren sowieso nicht.
    Wenn heute etwas einer kapitalstarken Gruppe Geld bringt wird es ohne Bedenken der Gruppe gemacht. Die Freiheit muss sein.
    Wenn heute Menschen Politiker wählen, die ihren Interessen offensichtlich schaden, dann wären die UrsacheN zu untersuchen.

  • am 14.06.2019 um 18:02 Uhr
    Permalink

    Wenn alles so harmlos, wie von diesen Herren behauptet, schlage ich dem ETH-Professor Jürg Leuthold, Hugo Lehmann und der gesamten Mobilfunklobby, einen drei wöchigen Gratisurlaub vor, natürlich mit Kind, Kegel und Waui.
    3 Wochen Smart-Home vom Feinsten. Alles vernetzt und vollautomatisch mit 5 oder besser noch 6 G, von der Garage mit E-Mobil über Bar, sprechendem Kühlschrank, Kochautomat, Wirlpool bis zu Windeln für den sauberen Babypopo, mit Kochautomat und Alexa welche sämtliche Wünsche bereits schon vorab ausführt. Natürlich alles hochmodern, mit Fotovoltaik und Smart-Meter rund um die Uhr.
    Auf dem stillen Örtchen bleibt es still, also kein Argusauge im Closomat verbaut. Privatsphäre muss schliesslich sein!
    Alles bezahlt und rein wissenschaftlich. Die medizinischen Checkups ebenfalls vollautomatisch mit Dr. Smarti
    werden auf ein Minimum reduziert.

    Na, wär doch nur fair und schliesslich ein Zustupf zum kargen Budget. Also, entspannten und erlebnisreichen Urlaub zusammen …

  • am 18.06.2019 um 20:49 Uhr
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    Das größte aller globalen Gesellschaftsexperimente geht in die nächste Runde.
    Keiner der Herren wird für die Folgen aufkommen, falls es in die Hose geht. Aber das ist im Moment sehr in, keine Verantwortung zu übernehmen. Schöne Verhaltensmuster die wir da unseren Kindern so vorleben.
    Im übrigen ist anzumerken, dass Wissenschaft äußerst selten neutral und unbefangen ist: jeder Forscher benötigt Geld im in Ruhe das zu tun, was er hält gerne macht: halt eben zu forschen und zu publizieren. Interessenskonflikte sind vorprogrammiert und an der Tagesordnung, vor allem wenn plötzlich einer mit dem dicken Geldbeutel wedelt und alles was bisher auf Grund fehlender finanzieller Möglichkeiten undenkbar war, plötzlich in greifbare Nähe rückt. Das nehme ich auch niemandem so wirklich Übel. Es hört aber dann auf, bei aller Offensichtlichkeit der Abhängigkeiten diese zu leugnen und auf Neutralität zu beharren. Neutrale Experten? Nahezu unmöglich bzw sehr selten. Entsprechend wichtig ist es, die Abhängigkeiten und damit die Motivation von Beurteilungen zu durchleuchten und offensichtlich zu machen, um eine neutrale Meinungsbildung derer die die Expertisen auswerten zu ermöglichen.

  • am 5.08.2019 um 19:24 Uhr
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    Ich bin mit Marc Mingard völlig einig und möchte nur zum letzten Satz des Artikels von Kurt Marti hinzufügen: Allerdings!!

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