MaaleAdumim

Ma'ale Adumim, völkerrechtswidrige israelische Siedlung 7 km östlich von Jerusalem in Westjordanland © gk

SVP und FDP wallfahren in israelische Siedlung

Christian Müller /  Die Schweiz anerkennt Israel in den Grenzen von 1967. Trotzdem pilgern Schweizer Politiker in eine illegale israelische Siedlung.

Sechs SVP- und zwei FDP-Nationalräte – ihre Namen siehe unten – von der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel sind seit gestern Sonntag unterwegs in Israel. Zum Programm gehören Besuche von Holocaust-Gedenkstätten und Gespräche mit Parlamentariern der Knesset, vor allem aber ein Besuch der 1975 gegründeten, völkerrechtlich illegalen Siedlung Ma’ale Adumim, einer mittlerweile auf 35’000 Einwohner angewachsenen Stadt im von Israel besetzten Westjordanland.

Es ist den Schweizer Nationalräten natürlich bewusst, dass dies politisch mehr als problematisch ist. Nicht ganz zufällig schreiben sie in der Information über den fünftägigen Trip:
«Neben der Altstadt von Jerusalem als religiösem Mittelpunkt ist der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem von emotional grosser Bedeutung für die Delegation. Im Anschluss an eine Führung durch das Dokumentationszentrum wird sie einen Kranz niederlegen.»
Leer schlucken anlässlich der «emotional grossen Bedeutung» sei erlaubt: Es handelt sich da offensichtlich um ein politisches Feigenblatt. Man kann sich die Tränen in den Augen der SVP-Politiker, die ihren Wahlerfolg im Herbst nicht zuletzt ihrer fremdenfeindlichen Politik verdanken, so richtig vorstellen…

Es geht ganz einfach ums Geschäft

Deutlich ehrlicher dürfte eine andere Information der Nationalräte sein:
«Die wirtschaftliche Komponente der Reise betont die Delegation durch einen Besuch des Aluminium-Verarbeiters Extal in Ma’ale Adumim. Der Schweizer Investor dieser Industrieanlage wird die Nationalräte über die Herausforderungen dieses Projektes im angespannten politischen Umfeld informieren.»

Ein Affront – auch für die Schweiz

Die Schweizer Nationalräte lassen sich über ein Unternehmen «im angespannten politischen Umfeld informieren», und zwar, so das Programm, ausgerechnet vom dortigen Schweizer Investor, also lediglich von der einen Seite, von der israelischen, entgegen allen Empfehlungen des EDA. Denn die Haltung der Schweiz im Konflikt zwischen Israel und Palästina ist klar formuliert:

Konflikt im Nahen Osten: Haltung der Schweiz

Die Schweiz setzt sich für einen auf dem Verhandlungsweg erzielten, gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ein. Sie anerkennt den Staat Israel innerhalb seiner Grenzen von 1967 und engagiert sich für einen lebensfähigen, zusammenhängenden und souveränen Staat Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Nach Auffassung der Schweiz gelten alle von Israel kontrollierten Gebiete, die ausserhalb der Grenzen von 1967 liegen, gemäss humanitärem Völkerrecht als besetzte Gebiete. Die Schweiz ist der Ansicht, dass die israelischen Siedlungen gegen das humanitäre Völkerrecht verstossen und zudem ein grosses Hindernis für den Frieden und für die Umsetzung einer Zweistaatenlösung darstellen.

Und hier die offizielle Version in Englisch:

Middle East conflict: Switzerland’s position

Switzerland is committed to a just and lasting peace between Israelis and Palestinians based on a two-state solution. It recognises the state of Israel according to the 1967 lines and is committed to the establishment of a viable, contiguous and sovereign Palestinian state with East Jerusalem as its capital based on the 1967 borders. Switzerland considers the territories controlled or annexed by Israel and located beyond the 1967 borders to be occupied as defined under international humanitarian law. It also considers the Israeli settlements to be illegal under international humanitarian law and a major obstacle to peace and the implementation of the two-state solution.

Das EDA schweigt, BDS reagiert

Bis zur Stunde ist nicht bekannt, was das EDA zu dieser Wallfahrt der SVP- und FDP-Nationalräte zu einem Industrie-Unternehmen in Schweizer Besitz in Ma’ale Adumim im von Israel widerrechtlich besetzten Westjordanland denkt und sagt. Die Organisation BDS Schweiz allerdings, die zum Boykott von Israel aufruft, solange es die besetzten Gebiete nicht wieder freigibt, hat heute Montag einen Offenen Brief an den Schweizer Botschafter in Tel Aviv geschickt:

Sehr geehrter Herr Botschafter Baum
Sehr geehrte Damen und Herren

Eine Delegation der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel befindet sich auf einem mehrtägigen informellen Besuch in Israel. Auf dem Programm steht unter anderem ein Besuch der völkerrechtswidrigen Siedlung Ma’ale Adumim in den besetzten palästinensischen Gebieten. Dort soll die Delegation laut eigenen Angaben die Aluminiumfabrik Extal besuchen und einen Schweizer Investor dieses Unternehmens treffen. Thema des Treffens sind «Herausforderungen dieses Projektes im ange-spannten politischen Umfeld».

Extal wurde vom Schweizer Unternehmer Abraham Gesundheit gegründet. Es ist eine der Firmen, die von der Besiedlung des Westjordanlands durch Israel und der damit einhergehenden Verletzungen der Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung profitieren. Die palästinensischen ArbeiterInnen der Aluminium-Fabrik werden gegenüber den israelischen Angestellten diskriminiert. Ihnen werden grundlegende Arbeitsrechte vorenthalten. Extal begründet seine diskriminierende Praxis damit, dass für PalästinenserInnen im Westjordanland das veraltete jordanische Gesetz von 1967 gelten würde. Exemplarisch zeigt sich hier, wie Unternehmen die Unrechtssituation in den besetzten Gebieten ausnutzen. Die Tätigkeit von Unternehmen in Siedlungen schafft zudem die ökonomische Grundlage für die weitere Aufrechterhaltung der israelischen Siedlungsaktivitäten. Solange sich dies nicht ändert und Unternehmen weiterhin von der Besatzung profitieren, werden die Siedlungen weiter ausgebaut und Israel wird sich nicht aus den besetzen Gebieten zurückziehen.

Die Schweiz beurteilt die Siedlungen, die gemäss der vierten Genfer Konvention illegal sind, als ein grosses Hindernis für einen Frieden im Nahen Osten. Aus diesem Grund unterstützt sie wirtschaftliche und finanzielle Aktivitäten im Zusammenhang mit den Siedlungen in keiner Weise und rät natürlichen und juristischen Personen davon ab, sich in irgendeiner Form an der Besiedlung zu beteiligen. Die Schweiz hat zudem kürzlich einer Resolution des UN-Menschenrechtsrats zugestimmt, mit der Staaten aufgefordert werden, sicherzustellen, dass sie durch ihre Tätigkeiten den Ausbau der Siedlungen nicht anerkennen oder unterstützen.

Der Besuch der parlamentarischen Delegation in Ma’ale Adumim steht im krassen Widerspruch zur offiziellen Haltung der Schweiz. In der Medienmitteilung zur Reise nach Israel heisst es, das Treffen mit Extal betone die wirtschaftliche Komponente ihrer Reise. Damit bringen die Parlamentarier deutlich zum Ausdruck, dass sie Siedlungs-Unternehmen als Gewinn für die Schweizer Wirtschaft betrachten, und ermutigen einen Schweizer Investor im Widerspruch zu den Empfehlungen der Schweiz, sich weiterhin an einem solchen zu beteiligen.

Als Schweizer Botschafter in Israel werden Sie die Delegation ebenfalls empfangen. Wir möchten Sie dringend bitten, bei dem Treffen ausdrücklich auf die Haltung der Schweiz in Bezug auf Siedlungen und Siedlungs-Unternehmen hinzuweisen. Es ist inakzeptabel, dass Schweizer Parlamentarier sich für eine wirtschaftliche Beteiligung an den israelischen Siedlungen einsetzen und damit langfristig einer friedlichen Lösung des Konflikts im Nahen Osten entgegenwirken.

Mit freundlichen Grüssen,

BDS Schweiz

(Innerhalb BDS Schweiz engagieren sich: BDS Genève, BDS Zürich, Mahnwache für einen gerechten Frieden in Israel / Palästina Bern, Collectif Urgence Palestine Vaud, Collectif Action Palestine Neuchâtel, Collectif Urgence Palestine Vaud, Gerechtigkeit und Frieden in Palästina Gesellschaft Schweiz-Palästina, Palästina-Solidarität Region Basel, SolidaritéS und Einzelpersonen.)

Gleicher Meinung wie der BDS sind übrigens auch etliche Israeli vor Ort. Der bekannte und hochgeachtete Kommentator der israelischen Tageszeitung Haaretz Gideon Levy hat – der Zufall will es so – an eben diesem Sonntag einen Kommentar publiziert, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriglässt. Die Headline: Boycott Is the Only Way to Stop the Israeli Occupation, oder zu deutsch: Boykott ist der einzige Weg, die israelische Besetzung (Palästinas) zu stoppen (hier nachzulesen, ebenfalls in Englisch).

Die Wallfahrt der sechs SVP- und zwei FDP-Nationalräte ins von Israel besetzte Gebiet zwecks «Information» von einem dortigen Investor gibt hoffentlich auch in Bern noch zu reden. Oder man kann die acht Herren auch direkt zur Rede stellen. Der Delegation der Parlamentarischen Gruppe gehören folgende Nationalräte an: Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH), Ignazio Cassis (FDP/TI), Sebastian Frehner (SVP/BS), Franz Grüter, (SVP/LU), Alfred Heer (SVP/ZH), Christian Imark (SVP/SO), Erich von Siebenthal (SVP/BE)) und Claudio Zanetti (SVP/ZH).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 2.05.2016 um 20:55 Uhr
    Permalink

    Das passt doch gut zu den ‹Blutdrohnen› der schweizer Armee. In Sachen geldwerter Vorteile war die Schweiz kaum je zimperlich. Prinzipien ? Solange sie nichts einbringen, ’nein danke›. Der Schutzschield des amerikanischen Schutzherrns ist wohl gesichert.

    Passt auch gut zu den Waffenexporten nach Saudi und anderen anti-Yemen Koalitionären.

    Neutralität ist wenn man trotzdem Handel treibt…

  • am 3.05.2016 um 09:38 Uhr
    Permalink

    Die SVP-FDP-Koalition im Kippa-Modus, wie schön. Erinnern wird uns noch daran, welches Geschrei Blochers Adepten von sich gelassen haben, als damals Frau Calmy-Rey im Iran mit einer hauchdünnen Kopfbedeckung aufgetreten ist? Frage: Was kümmert diese Leute Menschen- und Völkerrecht? Antwort: Von Fall zu Fall.

  • am 3.05.2016 um 17:30 Uhr
    Permalink

    Interessant in diesem Zusammenhang wäre noch zu erwähnen, dass mit den Herren Hans-Ulrich Bigler FDP Zürich, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes und Erich von Siebenthal SVP Bern auch zwei christliche Fundamentalisten an dieser nationalrätlichen Pilgerreise zu den Westbank-Siedlern teilnehmen. Ein klares Bekenntnis zum völkerrechtswidrigen Siedlungsbau in den von der israelischen Armee 1967 besetzten palästinensischen Gebieten.

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