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WESTERN UNION musste im November in Kuba 400 Büros schliessen. © CGTN

So wird Kuba von den USA «bestraft» – aus ideologischen Gründen

Christian Müller /  Exil-Kubaner können ihr im Ausland verdientes Geld nicht mehr nach Hause schicken. Trump hat die Kuba-Sanktionen erneut verschärft.

Ein Blick zurück: 1959 hat Fidel Castro mit einer erfolgreichen Revolution den kubanischen Diktator Fulgencio Batista aus dem Präsidentenpalast vertrieben. Castro installierte ein sozialistisches Wirtschaftssystem mit sichtbarem Erfolg im Kampf gegen den Hunger, im Bildungswesen, das nun auch den Kindern der armen Bevölkerung unentgeltlich offenstand, und nicht zuletzt auch im Gesundheitswesen. Leider wurde aber auch sein eigener Führungsstil zusehends autokratisch. Ab 2006 zog sich Fidel Castro aus gesundheitlichen Gründen mehr und mehr zurück und übergab die politische Führung des Landes an seinen Bruder Raul Castro. Fidel starb 2016.

1960 verhängten die USA, die durch die Einführung des sozialistischen Wirtschaftssystems die Enteignung von US-amerikanischen Firmen auf Kuba hinnehmen mussten, die ersten Wirtschaftssanktionen gegen Kuba. 1961 scheiterte ihre versuchte Invasion in der Schweinebucht kläglich. In der sogenannten Kubakrise 1962 einigten sich US-Präsident John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow darauf, dass die Sowjetunion auf die Installation von Raketen auf Kuba und im Gegenzug die USA auf ihre Raketen-Abschussrampen in der Türkei verzichten (wobei die USA über das Hintertürchen der NATO in der Türkei mittlerweile wieder Raketen stationiert haben).

Wirtschaftlich wurde Kuba immer wieder von schweren Krisen heimgesucht, ab 1960 vor allem wegen der Sanktionen der USA, später zusätzlich aufgrund klimatischer Katastrophen, dann nach 1990 durch den Zusammenbruch der Sowjetunion, die zwischenzeitlich der wichtigste Handelspartner Kubas geworden war, und auch die Finanzkrise 2008/09 ging nicht spurlos an Kuba vorüber. Mit etlichen Reformen und nie versagender Zuversicht der Bevölkerung gelang es Kuba aber immer wieder, die Krisen durchzustehen und die eigene wirtschaftliche Situation zu verbessern, ohne ein neoliberales Wirtschaftssystem nach US- oder EU-Muster einzuführen, das den Profit erfolgreichen Wirtschaftens vor allem der Oberschicht zuführt. (*)

Der bekannte Schweizer Arzt und ehemalige Tessiner Nationalrat Franco Cavalli äusserte sich in einem Interview mit der deutschen Zeitung «Die junge Welt» Anfang April 2020, also mitten in der ersten Welle der Covid-19-Pandemie, so zu Kuba: «In Kuba gibt es zusätzliche Schwierigkeiten – etwa, dass die Leute vor den Läden Schlange stehen müssen. Man muss dabei bedenken, dass sich die allgemeinen Lebensbedingungen in Kuba in den letzten Monaten verschlechtert haben, weil die US-Blockade deutlich strikter geworden ist. US-Präsident Donald Trump hatte schon vor dem Ausbruch der Pandemie versucht, Kuba verhungern zu lassen.»

Franco Cavalli: «eine unglaubliche Solidarität»

Zum heutigen Gesellschaftssystem von Kuba sagte Franco Cavalli im selben Interview: «In Italien und später in Frankreich und Spanien hat sich gezeigt, dass man durch diese wahnsinnigen Sparmassnahmen und die Tatsache, dass man den Staat so klein wie möglich halten wollte, die öffentlichen Spitäler kaputtgemacht hat. In der Hauptstadt des Imperialismus, in New York, sterben Leute auf den Strassen, weil nicht genug Platz in den Spitälern ist. Dabei werden wir der WHO zufolge in Zukunft mit erneuten Pandemien rechnen müssen. Wir brauchen aus verschiedenen Gründen für die Zukunft ein anderes Gesellschaftssystem. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz einer fast 60-jährigen Blockade, die jedes andere Land kaputtgemacht hätte, bleibt Kuba seinem Versuch treu, eine andere Gesellschaft aufzubauen. Trotz Schäden durch die Blockade in Milliardenhöhe haben die Kubaner immer noch die längste Lebenserwartung in Lateinamerika, die besten Schulen, die besten Spitäler.»

Und auf die Frage, warum er, Franco Cavalli, sich gerade für Kuba so engagiere, antwortete Cavalli: «Mich hat immer beeindruckt, welch unglaubliche Solidarität Kuba mit seinen medizinischen Missionen in der ganzen Welt entwickelt. Wenn man (wo auch immer auf der Welt, Red.) in einem Elendsquartier einen Arzt trifft, ist er wahrscheinlich Kubaner oder doch ein Mediziner, der in Kuba ausgebildet wurde. Wenn man am Ende des Urwalds auf einen Arzt stösst, ist das sicher ein kubanischer Arzt. Das ist für mich ein lebendiger Beweis menschlicher Solidarität. (**) Ich glaube, das ist etwas, das wir jetzt gelernt haben: Auch wenn wir im Moment Abstand halten müssen, können wir nicht ohne die Solidarität leben. Jemand muss für die älteren Leute, die nicht ausser Haus gehen dürfen, einkaufen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er ist auf Gesellschaft und auf Solidarität angewiesen, wenn er in dieser Welt überleben will. Und Kuba zeigt uns, wie man das verwirklichen kann.» – Tatsächlich hat Kuba mit seinen 11 Millionen Einwohnern die Covid-19-Pandemie im Vergleich mit anderen Ländern in jener Region verhältnismässig gut überstanden.

Die USA sehen das ganz anders

Die USA, nicht nur Donald Trump, sehen das ganz anders. Jedes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das zum Ziel hat, Eigentum gleichmässig zu verteilen, ist in ihren Augen vom Teufel. Diese Sicht ist nicht nur eine Folge der Einwanderung aus Europa, bei der jeder einzelne Einwanderer auf sich selbst gestellt war und sich mit seiner eigenen Waffe gegen die indigene Bevölkerung offensiv durchsetzen musste. Es ist auch Folge der in den USA äusserst populären «Philosophin» Ayn Rand (1905 – 1982), die in ihren Reden und Schriften die US-Bevölkerung zu überzeugen versuchte, dass Egoismus die einzige ehrliche Geisteshaltung sei – und dies mit beachtlichem Erfolg. Kein namhafter US-Politiker, der Ayn Rand nicht gelesen oder eben sogar verinnerlicht hat.

Aber ist die eigene Wunschvorstellung, wie ein Staat zu funktionieren hat, ein legitimer Anlass, gegen einen anderen Staat, der anders funktioniert, anders funktionieren will, militärisch zu intervenieren? Oder ihn mit Wirtschaftssanktionen zu schwächen oder gar zu zerstören? Die USA haben es in Lateinamerika immer wieder getan und tun es zurzeit noch immer intensiv in Venezuela und in Kuba. Und dies gerade in den letzten Wochen wieder neu. So haben die USA im Oktober zwei Charterflüge mit Hilfsgütern von Florida, wo viele Exil-Kubaner leben, nach Kuba untersagt. Und vor allem haben sie jetzt der «Western Union», der Gesellschaft, die internationale Geldtransfers zu Menschen ermöglicht, die kein eigenes Bankkonto haben, ab 27. November verboten, Geld von anderen Ländern nach Kuba zu transferieren. Betroffen davon sind vor allem jene kubanischen Familien, die vom Geld, das ihnen Angehörige aus dem Ausland nach Hause schicken, existenziell abhängig sind. Also vor allem arme Leute, alte und arbeitslose.

Die Schweiz ist mit dabei

Ein Fall für die neutrale Schweiz, gegen die US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen Kuba lautstark zu protestieren? Die traurige Realität ist, dass die «offizielle» Schweiz – und um einen Namen zu nennen: Bundesrat Ignazio Cassis – öffentlich erklärt hat, dass die Schweizer Banken, inkl. die staatseigene PostFinance, auf Anweisung der US-Behörden keine Geld-Transfers nach Kuba vornehmen, nicht das Problem des Bundesrates sei. Es sei eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen den Banken und ihren Kunden, so Cassis.

Die US-Sanktionen gegen Kuba sind ein guter Gradmesser, wie stark die Welt von den USA konkret abhängig ist – abhängig zu sein bereit ist. Kuba ist ein wunderschönes Land, eine Insel, fast dreimal so gross wie die Schweiz. Das sogenannte Brutto-Inland-Produkt pro Einwohner, das BIP, ist aber ziemlich genau zehnmal kleiner als das der Schweiz. Kuba, ohne Öl oder andere Bodenschätze, braucht für sein wirtschaftliches Gedeihen normale, funktionierende Beziehungen zu anderen Ländern. Wer dies von aussen zu verhindern versucht oder solche wirtschaftlichen Machenschaften toleriert, verstösst gegen die Menschenrechte und müsste sich vor einem internationalen Gericht verantworten – die Schweiz inklusive.

(*) Der ehemalige kubanische Wirtschaftsminister José Luis Rodriguez hat die Reform-Beschlüsse des 7. Parteitages der Kommunistischen Partei Kubas PCC im Jahr 2016 detailliert beschrieben. Seine Analyse kann im Heft 6/2020 der «Marxistischen Blätter» in deutscher Sprache nachgelesen werden. – Der nächste Parteitag der PCC findet im April 2021 statt.

(**) Christian Müller kann die Aussage Franco Cavallis zu den überall auf der Welt im Einsatz stehenden kubanischen Ärzten bestätigen. Als er 2001 in Südafrika mit dem Roten Kreuz unterwegs war, waren alle dort im Einsatz stehenden Ärzte Kubaner.

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Siehe dazu

«So machen Schweizer Banken den Kniefall vor den USA» (auf Infosperber)

«Schweizer Aussenminister verspottet Schweizer Neutralität» (auf Infosperber)

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Das Interview der deutschen Zeitung «Die junge Welt» mit dem Schweizer Arzt Franco Cavalli kann über diesen Link online abgerufen werden. Es unterliegt allerdings einer Bezahlschranke. Franco Cavalli hat Infosperber aber die Bewilligung erteilt, das Interview zu übernehmen. Es kann hier als PDF eingesehen und/oder heruntergeladen werden.

Das Interview mit Franco Cavalli in der «Jungen Welt»


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

Keine.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Zum Autor deutsch und englisch.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Sanktionspolitik der USA

US-Wirtschaftsboykotte gegen Iran, Venezuela oder Russland müssen auch die Europäer weitgehend befolgen.

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4 Meinungen

  • am 10.12.2020 um 12:31 Uhr
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    Es ist kaum zu ertragen: In Kuba können z.B. US-Studenten gratis die UNIs besuchen. In Sachen Medizin ist Kuba weit vorne. Dass ein BR wie I. Cassis einen Kniefall vor den USA macht darf einen nicht erstaunen, nach dem Motto » Wessen Brot ich ess› dessen Lied ich sing’». Der Götze Geld ist seit je her wichtiger als jeder ethische Grundsatz und Menschlichkeit.

  • am 10.12.2020 um 14:46 Uhr
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    Kuba ist zwar kein sozialistisches Land (mehr?) – in keinem Land der Erde herrscht zur Zeit Sozialismus mehr, auch wenn das behauptet wird -, und schon gar nicht «Kommunismus», auch wenn dies im Namen von Parteien vorkommt. Doch das tut nichts zur Sache. Denn die USA als führendes imperialistisches Land benimmt sich entsprechend gegen alle anderen missliebigen – und «befreundeten» (!) – Ländern so wie gegen Kuba! Bedenklich ist einzig die Haltung der schweizerischen Regierung in dieser Frage. Denn sie sollte Maklerin zwischen den Parteien sein, aber das kann sie offenbar nicht. Warum nicht? Die Schweiz hat selber imperialistische Interessen. Sie tätigt die höchsten Auslandsinvestitionen pro Kopf der Bevölkerung weltweit.

  • am 10.12.2020 um 17:51 Uhr
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    Das Vorgehen der USA ist eine Schande, nicht für die USA, sondern für die ganze westliche Welt.

    Alle schauen zu, niemand unternimmt etwas … mich kotzt das so richtig an, sorry wenn ich das gleich so sage.

  • am 10.12.2020 um 18:50 Uhr
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    CUBA war und ist noch immer ein wunderschönes Land mit lieben Menschen und großartigen Küsten. Bis zum Ende des Batista-Regimes war Havanna auch das größte Freudenhaus der US-Amerikaner. Castro hat damit Schluß gemacht und beispielsweise angeordnet, dass weibliche Hotelangestellte nuir in Begleitung eines männlichen Kollegen die von Männer belegten Zimmer betreten durften! Das habe ich persönlich erlebt, als ich Anfangs der 70er Jahre erstlmals in Havanna war.

    Dass Cuba bis heute die permanenten, eindeutig völkerrechts-widrige Erpressungen durch die USA wirtschaftlich einigermaßen «überlebt» hat, ist ein besonders für die Erpresser und ihre Vasallen – vorwiegend europäische «Demokratien» – eine höchst ärgerliche Erfahrung, die sich soeben beispielsweise in Venezuela wiederholt und – hoffentlich – sehr bald noch möglichst viele Nachahmer findet!
    Dass auch die vermeintlich neutrale Schweiz zu den aktiven CUBA-Erpressern gehört, ist gewiss kein Ruhmesblatt und höchsten mit dem auch von diesem Land prioritär praktizierten Turbo-Kapitalismus zu erklären!

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