Kommentar

Iran / USA: Pulverfass am Persischen Golf

Erich Gysling © zvg

Erich Gysling /  Die Sanktionen gegen Iran schaden auch der europäischen Wirtschaft enorm. Kann sich die EU dem US-Diktat widersetzen?

Jetzt sind die US-amerikanischen Sanktionen gegen Iran in einer ersten Stufe wieder Kraft – in der Form einer wirtschaftlichen Geiselnahme Europas. Das ist ja das Wesentliche: die Folgen für die Beziehungen zwischen Iran und Europa, nicht jene zwischen Teheran und den USA.
Der Handelsaustausch zwischen den EU-Ländern und Iran erreichte letztes Jahr immerhin 10,8 Milliarden Euro im Export und 10,1 Milliarden beim Import. Airbus lieferte bis jetzt drei Passagierflugzeuge nach Iran, dem italienisch-französischen Konsortium ATR gelang es zwei Tage vor dem Zuschnappen der US-Sanktionen immerhin noch, mit fünf bestellten Turboprop-Maschinen nach Teheran zu fliegen.
Mehr geht nicht, denn sowohl in den ATR-Flugzeugen als auch in den Airbus-Maschinen sind jeweils rund zehn Prozent Bestandteile mit US-Patenten eingebaut. Und was noch einschneidender ist: Beide Unternehmen sind essentiell auf den US-Absatzmarkt angewiesen – den würden sie verlieren, wenn sie sich der US-Tyrannei widersetzen. Umgekehrt verliert Boeing einen iranischen Auftrag über 17 Milliarden Dollar. Zu den grossen amerikanischen Verlierern zählen auch General Electric und Honeywell, zu den europäischen Total, Peugeot, Daimler, Siemens und Maersk und in der Schweiz Stadler Rail. In Iran verlieren Zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter in der Teppichbranche ihren Job, in der Landwirtschaft die Bauern auf den Pistazien-Feldern.
Wie die iranische Öffentlichkeit den Rückschlag verkraftet, wird sich erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen. Auf politischer und strategischer Ebene aber stehen die Zeichen auf Sturm. Einem Sturm, der sich am Persischen Golf zusammenbraut.
Irans strategischer Trumpf: Die Meerenge von Hormuz
Die iranische Staatsführung erdreistete sich im Juli, dem Trumpeter aus Washington für den Fall einer wirtschaftlichen Strangulierung die Stirn zu bieten. Worauf Trump nachdoppelte: «Wenn ihr uns noch einmal droht, werdet ihr Konsequenzen sehen, wie sie wenige Länder jemals erduldet haben.» Dass der US-Präsident nervös wurde, hat Gründe.
Die USA haben in der Region des Persischen Golfs mehr als 30’000 Militärs stationiert. Das wichtigste Kontingent: die 5. Flotte mit einer grossen Kommandozentrale und 30 Schiffen (die meistens noch durch einen Flugzeugträger ergänzt werden) vor Bahrein. Hinzu kommen US-Stützpunkte in Kuwait, den Arabischen Emiraten, dem ungeliebten Qatar und Saudiarabien. Versorgt wird die Mehrheit dieser US-Truppen durch Schiffe, die das Nadelöhr des Persischen Golfs, die Strasse von Hormuz, passieren müssen. Durch diese Meerenge werden auch rund 30 Prozent des weltweit verschifften Erdöls und des verflüssigten Erdgases verschifft.
Die Strasse von Hormuz ist an der engsten Stelle rund 40 Kilometer breit, Oman südlich, Iran nördlich. Könnte Iran diese 40 Kilometer sperren? Gewiss nicht auf der ganzen Breite, aber entscheidend ist: Da handelt es sich um zwei schiffbare Rinnen von nur rund 3,2 und weiter westlich von 4,8 Kilometern. Durch diese Engpässe müssen sie alle, die kommerziellen Schiffe und auch die Kriegsschiffe. Die USA liessen bisher ihre Kriegsschiffe unangemeldet die Strasse von Hormuz passieren – Iran (und Oman, der zweite für die Durchgangskontrolle zuständige Staat) duldete das. Gemäss der Genfer Seerechtskonvention aber müssten Kriegsschiffe vor der Durchfahrt bei der iranischen Regierung eine entsprechende Erlaubnis einholen.
Zwischen der Genfer Seerechtskonvention und dem Seerechtsübereinkommen der UNO gibt es allerdings Differenzen – gemäss UNO-Vereinbarung müssen Kriegsschiffe gleich behandelt werden wie Handelsschiffe. Die Krux bei diesem Detail ist: Iran hat dieses Abkommen zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Und die USA sind diesem Abkommen nie beigetreten.
USA forcieren Öl-Embargo
Geht es nach Trumps Launen, soll Iran ab dem 4. November kein Erdöl und kein Erdgas mehr exportieren können. Würde dieses US-Diktat vollzogen, geriete Iran in existenzielle Schwierigkeiten. Erdöl und Erdgas könnten dann nur noch über die Pipelines in Richtung China gepumpt werden ­– verschwindend wenig im Vergleich zum Schiffstransport (weltweit werden rund 90 Prozent Erdöl und Erdgas auf Schiffen transportiert). Allenfalls würden noch einige Prozente per Tanklastwagen und Eisenbahn in die Türkei gelangen, deren Regierung ja erklärt hat, sie ignoriere die Sanktionspolitik der USA.
Denkt die Führung in Teheran allen Ernstes über eine Blockade der Strasse von Hormuz nach? Die Entscheidung würde nicht nur von den USA, sondern auch von Saudiarabien und den Emiraten – die ja nur auf einen Anlass für einen Konflikt mit Iran warten – als Kriegserklärung aufgefasst. Und im Seerecht gibt es Artikel, die das Abriegeln einer Meerenge als Kriegserklärung interpretieren.
Aber ich befürchte: Wenn sich das Regime Irans wirklich stranguliert fühlt, könnte es trotz aller Grossrisiken zu diesem letzten Mittel, der Hormuz-Blockade, greifen.
Was die EU tun könnte
Kann Europa in diesem willkürlich angefeuerten Hexenkessel noch etwas Konstruktives tun? – Ja. Es könnte sich zum Beispiel dem Diktat der USA so entgegenstellen, dass die Regierungen in der EU von Staates wegen (nicht durch Konzerne eingeengt) Erdöl und Erdgas aus Iran importieren und so ihre Lager aufstocken. Auf lange Sicht ist das wohl nicht möglich, für einige Monate aber könnte es – wirkliche Entschlossenheit vorausgesetzt – funktionieren.
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Siehe auch:

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Sanktionspolitik der USA

US-Wirtschaftsboykotte gegen Iran, Venezuela oder Russland müssen auch die Europäer weitgehend befolgen.

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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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3 Meinungen

  • am 8.08.2018 um 10:19 Uhr
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    Einmal mehr dreht sich die Gewaltspirale und die Regierenden im Westen schauen zu wie lebensbedrohliche Sanktionen über Iran verhängt werden, wie die Hardliner an die Macht kommen, wie die Situation bewusst eskaliert, damit das Geschäft mit Waffen und Krieg in die nächste Runde gehen kann und Kreditgeber und Waffenproduzenten einmal mehr fette Gewinne einfahren können.
    Das Prinzip ist so alt wie die Bank of England (1694) – eine Schande. Kriege werden durch Geld aus dem Nichts der Zentralbanken vorfinanziert und später allein durch uns Bürger bezahlt durch Inflation und Schulden und natürlich mit unserem Blut.
    Unsere politischen Führer wollen dagegen offensichtlich nichts unternehmen. Profit rechtfertigt jede Art von Politik.
    Völkerrecht und die UNO-Charta mit dem Art. 2 (Gewaltverbot) werden regelmässig missachtet. Der Starke setzt sich einfach durch.
    Falls die normalen Bürger des Westens nicht bald etwas unternehmen, dann werden wir den nächsten Krieg mit Sicherheit bekommen. Und wir wissen nicht, ob er an unseren Grenzen Halt machen wird.
    Es ist an der Zeit, aktiv etwas für eine friedlichere Zukunft zu tun – https://www.friedenskraft.ch/

  • am 8.08.2018 um 12:11 Uhr
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    Bluffen, Schmieren, Erpressen, Drohen – das sind die Angst-einflössenden Geschäftsinstrumente der USrael-Oberclique seit Jahrzehnten.

    Trump führt diese US-Tradition – ganz nach seinen Beratern in den geheimdienstlichen Hinterstuben – getreu fort und setzt dieser Politik stets noch einige erpresserische Spannungsmomente hinzu.

    Heute werden diese gesetzlosen Machenschaften unverblümt in der Öffentlichkeit mit Selbstverständnis ausgetragen. Der Gewinner ist der Stärkere, er steht machtbeanspruchend auf der Seite des Rechts, dies obwohl Gesetze und Abmachungen dabei kaum noch eine Rolle spielen, geschweige denn eingehalten werden.

    Wird an der Zeit, dass sich die europäischen Regierungen, die ja massgeblich von diesem neuen US-Sanktionsreigen gegen den Iran unübersehbar nachteilig betroffen sind, wirkungsvoll zur Wehr setzen. Europäische Regierungen, die das nicht tun – auch das ist unübersehbar – arbeiten gegen ihre eigene Wirtschaft und gegen ihre eigene Bevölkerung. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini unterbreitet zumindest vorerst schon mal eine dazu ausgearbeitete Vorlage:

    EU-Abwehrgesetz gegen die USA tritt morgen in Kraft
    http://parstoday.com/de/news/world-i42779-eu_abwehrgesetz_gegen_die_usa_tritt_morgen_in_kraft

  • am 9.08.2018 um 10:24 Uhr
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    Je mehr die US-Sanktionen gegen erklärte Feind-Länder ein Europa dazu zwingen wollen, die Wirtschafts-Tätigkeit mit diesen Ländern aufzugeben, desto mehr entwickelt sich ein reger wirtschaftlicher Austausch auf der euro-asiatischen Osthalbkugel. Und das mit der jeweiligen Landeswährung oder mit Ressourcen- und Leistungsaustausch der betroffenen Länder. Dollar ade!

    Russische Wirtschaft profitiert vom Handelskrieg zwischen USA und China
    https://deutsch.rt.com/russland/74220-russische-wirtschaft-profitiert-vom-handelskrieg/

    Zudem verfeinden sich die USA mit wirtschaftlich aufstrebenden asiatischen Ländern. Aber auch Europa, Afrika und Südamerika distanzieren sich allmählich von den hegemonialen US-Wirtschafts-Ansprüchen. Dort geht es nämlich vor allem darum, den Konkurrenten auszuschalten und über ihn zu herrschen. Statt die eigenen Produkte interessanter und marktreif zu machen, haben die USA nur eines im Auge: nämlich die innovative Konkurrenz im Ausland abzutöten. Das ist kopfloser Wirtschafts-Terror.

    Die zwar noch zaghaften, aber doch kritischen Polit-Töne aus den globalen Regionen – Europa, Afrika und Südamerika – lassen die Konturen der US-Isolationspolitik zutage treten.

    Während die US-Politik zu stärker werdenden Machtzentren auf dem Globus führt, die gegen diese US-Politik Stellung nehmen, verlumpen die USA zu einem monströs verschuldeten und sozial niedergehenden Staat, der – wenn es so weitergeht – seine ehemalige Durchsetzungskraft gänzlich verlieren wird.

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