Der Konflikt USA-Iran: Eine nötige Auslegeordnung
Wer kann entwirren, was in den letzten zwei, drei Wochen hinsichtlich des (noch unblutigen) Konflikts zwischen den USA und Iran der Weltöffentlichkeit aufgetischt worden ist? Hat Trumps Unsicherheitsberater Bolton Fake News produziert, als er von einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung von US-Soldaten in Irak sprach und Botschaftspersonal abziehen liess? Ist die Entsendung von weiteren 1500 amerikanischen Soldaten in den Mittleren Osten nichts als eine leere Geste, um Stärke zu zeigen? Sind iranische Revolutionsgarden für (folgenlose) Angriffe auf saudische Öltanker verantwortlich, und stehen sie auch im Jemen jeweils am Drücker, wenn die dortigen Huthi-Rebellen Raketen oder Drohnen auf Ziele in Saudiarabien schiessen?
Über vieles kann man dieser Tage nur spekulieren – aber vielleicht ebenso viel kann auch sachlich erklärt werden.
Erbe des Irak-Krieges
Nicht unbegründet ist die US-amerikanische Darstellung der direkten und auch der indirekten Präsenz der Iraner in Irak. Nur muss vorgängig festgestellt werden: Dass Iran überhaupt in Irak Einfluss erlangen konnte, ist eine Folge des willkürlich vom damaligen Präsidenten George W. Bush entfachten Kriegs von 2003. Die USA stürzten Saddam Hussein, bekriegten die Saddam-treuen Sunniten und sorgten dafür, dass Schiiten in Bagdad an die Macht kamen. Das war insofern ja berechtigt, als Schiiten in Irak die Mehrheit der Bevölkerung bilden (ca. 60 Prozent). Was George W. Bush und sein Team nicht wahrhaben wollten, war, dass die neue, schiitische Regierung Iraks von Anfang an darauf aus war, ein autokratisches Regime aufzuziehen. Und ebenso wenig, dass diese irakische Regierung auf lange Zeit so schwach bleiben musste, dass sie, um neuen Herausforderungen begegnen zu können, auf die Hilfe von fast unzähligen Milizen angewiesen war.
Das ist sie bis heute – und da «liegt der Hase im Pfeffer», denn niemand kann offenkundig kontrollieren, welche Miliz welchen Auftraggebern (und Zahlmeistern) gehorcht. Einige werden direkt von Iran respektive den Pasdaran oder den al-Quds-Brigaden besoldet, andere haben private Financiers. Mehrere Jahre lang rechtfertigten sie ihre Existenz und ihre Taten damit, dass sie gegen die Terror-Organisation Islamischer Staat kämpften. Und der Islamische Staat von al-Baghdadi wurde auch (natürlich nicht nur) durch diese Milizen so weit besiegt, als er jetzt kein Territorium mehr für sich beanspruchen kann – was nicht heisst, dass er respektive dass seine Ideologie erledigt wäre.
Wie weit die iranische Führung respektive die Kommandozentrale der iranischen Pasdaran noch Kontrolle über diese vielen Milizen (geschätzte Totalzahl an Kämpfern: ca 100’000) hat, ist umstritten. Eine volle Kontrolle aus Teheran gibt es jedoch mit Sicherheit nicht. Man kann nachweisen, dass zumindest einige dieser Milizen eigene Ziele verfolgen. Das wurde zum Beispiel 2017 bei der so genannten Qatar-Krise deutlich: Eine schiitische Miliz nahm auf irakischem Territorium einige Qataris gefangen, die sich bei einer Falkenjagd vergnügten. Die Qataris gehörten zum engsten Kreis des Herrschers, und logischerweise entschloss sich das Herrscherhaus in Doha, alles zu tun, um die Geiseln freizubekommen. Bezahlt wurde schliesslich eine Summe von rund einer Milliarde Dollar, wovon rund zwei Drittel an die (offenkundig eigenmächtig agierende) Miliz in Irak bezahlt wurde, ein Drittel an die iranischen al-Quds-Brigaden respektive deren Kommandanten, Soleimani.
Keine Angst vor Krieg im Persischen Golf
Dass schiitische Milizen auf irakischem Boden auch jetzt wieder versucht sein könnten, einen schwelenden Konflikt anzuheizen, ist nicht von der Hand zu weisen. Die iranische Führung muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie es war, die solche Kräfte aufkommen liess. Ayatollah Khamenei und dessen Team rechtfertigen sich (eher indirekt) damit, dass es für Jahre eine Notwendigkeit gab, Terrorgruppen wie den Islamischen Staat im Ausland zu bekämpfen, um ein Überschwappen der Gewalt auf iranisches Gebiet zu verhindern. Was anderseits vorstellbar ist: Die von Iran geförderten (und oft auch von Iran finanzierten) Milizen haben ein unkontrollierbares Eigenleben entwickelt. Gibt es unter ihnen solche, die bewusst einen bewaffneten Konflikt zwischen Iran und den US-Truppen provozieren wollen? Ausschliessen kann man das nicht.
Wie steht es denn mit den in der näheren Nachbarschaft Irans stationierten Kräften? Die diversen Milizen werden, wie erwähnt, auf etwa 100’000 Mann geschätzt. Die USA haben derzeit rund 75’000 Soldaten in Irak, Kuweit, den Emiraten, Bahrain und Oman. Hinzu kommen noch 6’000 auf dem eben in den Persischen Golf eingefahrenen Flugzeugträger USS Lincoln (die iranischen Pasdaran liessen ihn durch die Strasse von Hormuz passieren) und einige Tausend auf den US-Stützpunkten in Afghanistan, Uzbekistan etc. Total haben die USA 46 militärische Basen rund um Iran.
Gefahr droht aufgrund der geografischen Nähe, fast Nachbarschaft, zwischen US-Einheiten einerseits mit offenkundig oft eigenmächtig agierenden schiitischen Milizen plus regulären iranischen Truppenteilen anderseits – hauptsächlich auf irakischem Terrain. Gefahr droht auch wegen der operativen Nähe von relativ kleinen Kriegsschiffen der iranischen Pasdaran im Persischen Golf zu US-amerikanischen Kräften (die USA haben derzeit 30 Kriegsschiffe plus den erwähnten Flugzeugträger im Golf). Da sind, sowohl in Irak als auch im Golf, Zwischenfälle nicht auszuschliessen. Umso weniger als Trumps Unsicherheitsberater Bolton unverhohlen die Kriegstrommel rührt und auf der iranischen Seite die Hardliner immer lauter sagen, sie fürchteten keinen Krieg, Iran werde auch einen Konflikt mit den USA überstehen.
Nur muss man sich immer wieder vergegenwärtigen: Diese Krise ist nicht von Teheran ausgelöst worden, sondern von Washington. Und es hilft nichts, dass in der Hauptstadt der USA offenkundig «nur» ein «B-Team» kriegslüstern aktiv ist (Bolton, Pompeo und Gina Haspel) und dass Trump sich dem von diesem Team entworfenen Szenario launenhaft entzieht – das tut der Herr im Weissen Haus ja nur halbherzig und niemand kann voraussagen, was er morgen entscheiden wird.
Ueli Maurer bei Donald Trump – verpasste Gesprächschancen?
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas hat die Gefahr erkannt und wenigstens einen kompetenten Mitarbeiter für ein Gespräch nach Teheran entsandt. Ob die Schweiz, die ja die US-Interessen in Iran und umgekehrt diejenigen von Iran in Washington vertritt, nicht noch besser befähigt wäre, einen Gesprächskanal zwischen den beiden Macht- oder Ohnmachtzentren zu eröffnen? Hat unser Bundespräsident, Ueli Maurer, bei seinem Treffen mit Trump im Oval Office vielleicht doch eine Chance verpasst?
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Infosperber-DOSSIER
«Die Sanktionspolitik der USA»
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Das Traurige ist, dass die humanitäre Seite der Schweiz nur eine Werbeplakette ist, deren Budget laufend runter gefahren wird. Anstatt, dass die Schweiz mit mutigen Statements und mutigen Taten gegen den Strom schwimmt, geht es immer nur um die Gewinne von Schweizer Konzernen. Unser Regime in Bern dient nicht weniger den Oligarchen, als in so manchen anderen Ländern, auf die aus der Schweiz mit dem Finger gezeigt wird. Dem Schweizer geht es noch gut, er interessiert sich im allgemeinen nicht und bemüht sich mit zunehmender Anstrengung seinen Status Quo zu halten. Weshalb es zunehmend anstrengender wird? Tja, weil auch aus den Schweizer-Normalverdiener Taschen immer mehr Fränkli zur Oligarchie rauf fliessen. Wie lange dauert es, bis es genug weh tut?
Sehr gute Schilderung von Eric Gyssling der Situation im Nahen Osten, es fehlen aber die Rollen von Israel und Saudiarabien, welche im Konflikt Iran – USA aktiv mitmischen.
Ueli Maurer ist mit Sicherheit der falsche Mann, hier einen konstruktiven, vermittelnden Beitrag leisten zu können, das hat sein Besuch bei Trump mit aller Deutlichkeit gezeigt. Zudem ist er Finanzminister, nicht Aussenminister. Schuster, bleib bei deinen Leisten.
[Anmerkung der Redaktion: Erich Gysling hat nicht geschrieben, Ueli Maurer sei Aussenminister]