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Unter Donald Trump profitieren im Irak vor allem christliche Organisationen von finanzieller Hilfe. © pixabay

Hilfe im Irak: US-Regierung bevorzugt christliche Gruppierungen

Tobias Tscherrig /  Donald Trumps Mitarbeiter setzen eine Behörde unter Druck, damit Hilfsgelder für irakische Minderheiten an Christen fliessen.

Eine E-Mail-Nachricht eines hochrangigen Beamten der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) und Recherchen von US-Medien zeigen, wie sich Mitarbeiter von US-Präsident Donald Trump in die Vergabe von Geldern einmischen, die für die Auslandhilfe vorgesehen sind: Das Weisse Haus setzt die zuständigen Beamten unter Druck, damit finanzielle Hilfen für Minderheiten im Irak an christliche Gruppierungen umgeleitet werden. Das berichtet das Non-Profit-Newsdesk für investigativen Journalismus «ProPublica».

Statt die Bewerber und ihre Absichten zu überprüfen und allen irakischen Minderheiten die gleichen Chancen auf Hilfsgelder einzuräumen, unterstützen die USA unter Trump einseitig die bevorzugte Religion ihres Präsidenten. Und das, obwohl ehemalige US-Beamte und Experten für Entwicklungszusammenarbeit von einem möglichen Bruch der Verfassung sprechen und davor warnen, dass die Bevorzugung von Christen Spannungen im Irak auslösen könnte – eine Befürchtung, die selbst einige christliche Organisationen im Irak teilen. Unter Trump scheut die US-Hilfspolitik auch nicht davor zurück, einen Verein zu unterstützen, der zweifelhafte Verbindungen zu einer anti-islamischen Organisation unterhält.

Aussenminister Pence als treibende Kraft
«Manchmal wird die Entscheidung vom Weissen Haus für uns getroffen (siehe Irak und zunehmend auch Syrien)», schrieb Hallam Ferguson, ein hochrangiger Beamter im Nahost-Büro von USAID, in einer E-Mail-Nachricht an seine Kolleginnen und Kollegen. «Wir müssen dieser Entwicklung immer einen Schritt voraus sein, damit uns unsere Interventionen nicht diktiert werden.» Damit reagierte Ferguson auf den politischen Druck, dem USAID-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter seit zwei Jahren ausgesetzt sind.

Vor allem das Büro des republikanischen US-Vizepräsidenten Mike Pence setzt sich vehement dafür ein, dass die Gelder, die für irakische Minderheiten bestimmt sind, an christliche Gruppierungen fliessen. Fünf Monate bevor Ferguson die E-Mail versendete, verlor eine USAID-Mitarbeiterin in leitender Funktion ihren Posten: Aussenminister Pence sei unzufrieden gewesen, weil USAID beschlossen hatte, einige christliche Gruppierungen im Irak nicht weiter zu unterstützen. Gemäss «ProPublica» haben Entscheidungsträger im Bereich der Entwicklungshilfe Angst vor dem möglichen Verlust ihrer Arbeitsplätze, wenn sie nicht auf Kurs bleiben.

«Pro Publica» beruft sich bei seinen Recherchen auf interne E-Mails und auf die Aussagen von fast vierzig amtierenden und ehemaligen US-Beamten, die meistens anonym Auskunft über die Einmischungen von Aussenminister Pence und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Vergabe der Hilfsgelder gaben. Auch das «Wall Street Journal» und «BuzzFeed» berichteten über Pences Interesse an der Erhöhung der Auslandhilfen für Christen und über seinen Unmut über die USAID-Aktivitäten im Irak.

Wahlkampf mit christlicher Entwicklungshilfe
Die Bemühungen der Trump-Regierung, die Finanzierung der Minderheiten im Irak zu steuern, stehen im krassen Gegensatz zur allgemeinen Entwicklungshilfe der USA. So schlug die Trump-Administration wiederholt vor, die Budgets für ausländische Organisationen um Milliarden Dollar zu kürzen. Als das Weisse Haus im August Kürzungen bei einer Reihe von ausländischen Hilfsprogrammen in Betracht zog, wurde die Finanzierung religiöser Minderheiten im Ausland explizit von den drohenden Sparmassnahmen ausgenommen.

Das kommt nicht von ungefähr: Trump strebt 2020 seine Wiederwahl an – bereits heute unternimmt er Schritte, um seine konservative christliche Basis zu festigen. Auch die Erhöhung der Finanzhilfen für Christen im Ausland gehört zu diesen Massnahmen – immerhin ist sie eine der wichtigsten Forderungen seiner gläubigen Unterstützerinnen und Unterstützer.

Einflussreiche religiöse Gruppen lobbyieren
Einflussreiche religiöse Gruppen wie die «Ritter von Kolumbus» und aktuelle und ehemalige republikanische Mitglieder des Kongresses befürworteten im Laufe des Jahres 2017 eine direkte Hilfe der USA für religiöse Minderheiten. Sie sagten, dass sowohl Christen wie auch Jesiden besondere Aufmerksamkeit verdienen, weil sie besonders hart unter dem Islamischen Staat gelitten hatten. Ausserdem hätten die lokalen Kirchen bewiesen, dass sie schnell und zuverlässig Hilfe leisten könnten. Im Übrigen bestehe die Gefahr, dass das Christentum ohne Hilfestellungen ganz aus dem Irak verschwinden könnte.

Gegenüber «Pro Publica» äusserten sich amtierende und ehemalige US-Beamte aber skeptisch, was die Hilfeleistungen an Jesiden angeht. Pence’s Büro habe sich vor allem darauf konzentriert, Christen zu helfen. «Es gab einen sehr ideologischen Fokus auf Christen (…). Wir haben versucht, sie dazu zu bringen, sich auf andere Minderheiten zu konzentrieren, die Hilfe brauchen könnten.» Das sei vergeblich gewesen.

Erzbischof als Schlüsselfigur
Bashar Warda, ein mächtiger Erzbischof mit Sitz in Erbil, ist eine Schlüsselfigur im Bemühen um finanzielle Hilfen für Christen im Irak. «Die Christen im Irak brauchen dringend die humanitäre Hilfe der amerikanischen Regierung, und wir brauchen sie in einer Weise, die sicherstellt, dass sie uns tatsächlich erreicht und nicht in die bestehenden Hilfsstrukturen aufgenommen und umgeleitet wird», sagte er 2017 in einem Interview mit «Crux», einer katholisch orientierten Publikation.

Warda traf sich Ende 2017 mit Pence und stand 2018 hinter Trump im Oval Office, als er einen Gesetzentwurf unterzeichnete, der das State Department und USAID ermächtigte, die Opfer des islamischen Staates, insbesondere religiöse Minderheiten, zu unterstützen.

Gelder werden neu verteilt
In der Folge hätten Untergebene von Trump Mitarbeiter von USAID gedrängt, irakische Gebiete, in denen viele Christen leben, besonders häufig zu besuchen, sagte ein Insider gegenüber «Pro Publica».

Anfang Oktober 2017 beschloss die Leitung von USAID schliesslich, den Forderungen von Pence nachzugeben. Die 150 Millionen Dollar, die USAID im Juli 2017 für die Bemühungen der Vereinten Nationen im Irak zugesagt hatte, wurden in zwei Tranchen von je 75 Millionen Dollar aufgeteilt. USAID verhandelte seine Vereinbarung mit der UNO neu, so dass der Grossteil der ersten Zahlung, 55 Millionen Dollar, immer noch an die UN gehen würde, aber nun für religiöse und ethnische Minderheiten in der Provinz Nineveh bestimmt ist.

Für weitere finanzielle Hilfsleistungen, die parallel zum Programm der Vereinten Nationen laufen, veranstaltete USAID im März 2018 einen zweitägigen Workshop in Bagdad. 33 Organisationen wurden eingeladen, darunter auch etablierte religiöse Gruppen wie «Samaritan’s Purse» und «Catholic Relief Services». Am Treffen nahmen auch zwei Assistenten von Aussenminister Pence teil. Sarah Makin-Acciani und Steve Pinkos scheinen beide über keine Fachkenntnisse in Fragen der Auslandhilfe oder Entwicklung zu verfügen: Makin-Acciani arbeitete unter anderem als Lobbyistin für die «U.S. Consumer Coalition» und für die Wahlkampagne von Trump. Pinkos hatte für eine Lobbyfirma und als Assistent des republikanischen Repräsentanten Kevin McCarthy sowie im «U.S. Patent and Trademark Office» gearbeitet.

Ihre Anwesenheit am Workshop verunsicherte die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Denn Beamte des Weissen Hauses sind selten – wenn überhaupt – so tief in die Entscheidungsprozesse betreffend Finanzhilfen verwickelt. Die Leute «nahmen an, dass sie aus politischen Gründen da waren oder um Druck auf den Prozess auszuüben», sagte ein Teilnehmer gegenüber «Pro Publica».

Versetzung als Strafe
Später im Jahr wurden die Zuschussentscheidungen getroffen. Millionen von Dollar flossen an grosse, etablierte Organisationen: Katholische Hilfsdienste wie zum Beispiel «Heartland Alliance», gehörten zu den Begünstigten. Allerdings lehnte USAID auch einige Anträge ab. Darunter eine Anfrage für finanzielle Unterstützung der Katholischen Universität Erbil und des «Nineveh Reconstruction Committee» (NRC), einer Koalition aus drei grossen Konfessionen im Irak. Warda, der Leiter der katholischen Erzdiözese Chaldäa in Erbil, leitet auch das Kuratorium der Universität. Stephen Rasche, ein enger Mitarbeiter von Warda, war früher Präsident des NRC.

Noch bevor USAID bestätigen konnte, welche Organisationen Gelder erhalten, veröffentlichte «Fox News» einen detaillierten Bericht, in dem die Aktivitäten von USAID im Irak kritisiert wurden. Darin kam auch Warda zu Wort. Zwei Tage später erschien ein Text im «Wall Street Journal», der vom ehemaligen nationalen Sicherheitsberater unter Reagan, Robert McFarlane, sowie vom republikanischen Abgeordneten von New Jersey, Chris Smith, verfasst wurde. Im Text wird USAID kritisiert, weil es die Vergabe von Geldern an die beiden christlichen Organisationen abgelehnt hatte. Der Titel des Artikels: «Irakische Christen warten immer noch, Mr. Pence».

Einen Tag nach der Veröffentlichung erklärte die Sprecherin von Aussenminister Pence, dass man keine bürokratischen Verzögerungen bei der Umsetzung der Vision der Regierung tolerieren werde. Die USAID bekam die harte Hand zu spüren: Maria Longi, eine hohe Beamte im Nahost-Büro von USAID wurde versetzt. Heute unterrichtet sie nationale Sicherheitsstrategie am National War College. Eine Strafversetzung, die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von USAID die Angst auslöste, ihren Job jederzeit verlieren zu können – wenn sie von der Linie des US-Aussenministeriums abweichen.

Kehrtwende nach politischer Intervention
Vor einem Monat verkündete USAID die Vergabe von 4 Millionen US-Dollar Finanzhilfen an sechs irakische Organisationen. Darunter die kleine Wohltätigkeitsorganisation «Shlama Foundation» und die Katholische Universität in Erbil, die beide eigentlich nicht für den Erhalt von Spenden vorgesehen waren und deren Anträge in der Vergangenheit von USAID abgelehnt worden waren. An der Vergabe der Zuschüsse waren wiederum zwei politische Beauftragte von USAID beteiligt, die Trump nahestehen. Sie beaufsichtigten die endgültigen Entscheidungen, obwohl ihnen dazu – gemäss den Aussagen eines ehemaligen USAID-Beamten – Hintergrundwissen fehlte. Es sei klar gewesen, dass sie nicht «das Geringste über die Vergabe von Fördermitteln wussten». Zum Beispiel auch nicht, wie man einen offenen Vergabeprozess sicherstellt, anstatt sich an bestimmte Zielgruppen zu wenden.

Fünf aktuelle oder ehemalige US-Beamte sagten gegenüber «Pro Publica», dass die Beteiligung von politischen Beauftragten an Zuschussentscheidungen höchst ungewöhnlich ist. USAID-Zuschüsse werden in der Regel von einem Überprüfungsausschuss beschlossen.

US-Gelder für Organisation mit zweifelhaften Verbindungen
Die «Shlama Foundation» erhält über einen Zeitraum von zwei Jahren eine Million Dollar für ein Projekt, das sich auf die Solarenergie konzentriert. Das ist dreimal so viel Geld, wie der Verein seit 2014 aus Spenden eingenommen hat. Vorher hatte die Foundation nie staatliche Hilfsgelder erhalten. Davon abgesehen wirkt die Vergabe der Gelder an den Verein suspekt. Immerhin erhielt die «Shlama Foundation» im letzten Jahr eine Spende vom privaten «Clarion Project» und damit von einer Organisation, die von Forschern der Georgetown Universität als «Förderer anti-muslimischer Inhalte» bezeichnet wird. Ein Vorstandsmitglied der «Shlama Foundation» trat auch in einem Film des «Clarion Project» auf, der sich auf die Gräueltaten des Islamischen Staates konzentriert, aber auch die gesamte islamische Religion als Glaubensrichtung darstellt, die versucht, Minderheiten zu unterwerfen.

Die Katholische Universität Erbil wird über ein Jahr verteilt 700’000 Dollar erhalten, dass sie gemäss einer USAID-Medienmitteilung einsetzen wird, um Witwen, Opfer von Missbrauch und ehemalige Gefangene des Islamischen Staates zu unterstützen.

Weitere Hilfen für religiöse Minderheiten geplant
In Zukunft erweitert USAID die Hilfestellungen für religiöse Minderheiten weit über den Irak hinaus. Im Dezember, einen Monat nach seiner E-Mail über den Druck des Weissen Hauses, sagte Ferguson den USAID-Missionsleitern im Nahen Osten, dass die Agenturleitung bis zu 50 Millionen Dollar identifiziert habe, die man 2019 für «dringende Herausforderungen im Bereich Religionsfreiheit und religiöse Verfolgung» einsetzen wolle. Er bat die Missionsleiter, Programmideen einzureichen.

In einer weiteren E-Mail vom Juni, die «ProPublica» ebenfalls vorliegt, schrieb Ferguson, dass neben dem Irak auch Finanzhilfen für religiöse und ethnische Minderheiten im Libanon, Marokko und Tunesien geplant seien.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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4 Meinungen

  • am 12.11.2019 um 13:03 Uhr
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    Grundsätzlich kann der Spender selber entscheiden wohin seine Spenden fliessen.

  • am 12.11.2019 um 13:06 Uhr
    Permalink

    Eine typische Kolonialmacht sind die USA geworden. Die Losung scheint zu heissen: «Teile und herrsche», wie aus dem Kolonialismus gewohnt.
    Nach dem Lügenkrieg gegen den Irak wurden die Schiiten dort von einem aus Kanada importierten US-Lakaien (Maliki) und dem US-Statthalter Bremer hofiert. Die Sunniten gründeten dann mit US-Kriegsgerät ihren «Islamischen Staat». Nun wird die Christliche Minderheit von Pence & Cie. aufgebaut – und das Elend wird weitergeführt. Siehe aktuelle Demos der Bevölkerung im Irak.
    Das United States Army Corps of Engineers war nicht fähig die Versorgung mit Elektrizität in der Millionenstadt Baghdad zu reparieren, da Siemens Schrauben (Metrisch) natürlich nicht auf ihre Zollschrauben passten… etc.

  • am 12.11.2019 um 18:09 Uhr
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    Die Christen werden in den islamischen Ländern verfolgt und diskriminiert. Das ist eine Tatsache. Es ist wichtig, dass die Christen auch Unterstützung bekommen. Es gibt aber eine Hetzkampagne gegen Christen im Irak. Wir müssen die Christen in Syrien und Irak, sowie in Jordanien, Israel und den Palästinensergebieten halten. Sie sind viel länger dort als der Islam.

  • am 12.11.2019 um 22:15 Uhr
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    @Herr Raess, Sie bringen ja alles durcheinander und zusammen, was nicht zusammengehört. Wie dem auch sei….

    Angesichts der systematischen Vertreibung von Nicht-Muslimen in der Golfregion ist die Fokussierung der Auslandshilfe der US Regierung ein legitimes Gegengewicht zur viel umfangreicheren Hilfe aus muslimischen Staaten, deren Verteilung über Koranschulen und als Hilfsorganisationen getarnte islamistische Aktivisten läuft und ans muslimische Glaubensbekenntnis oder die Unterwerfung unter die Sharia gebunden ist. Dies findet im Artikel keine Erwähnung. Jedoch wird eine Verbindung zu Trump und Pence gemacht. Also geht es auch hier nur um die Verbrämung des verabscheuten Präsidenten. Das Titelthema ist sekundär, deshalb soll es auch nicht ausgewogen behandelt werden.
    Und zuletzt halte ich es mit Herrn Iten: Weshalb darf eine Regierung die Empfänger seiner Geschenke nicht bestimmen?

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