EU-Urheberrecht: Verhandler meisseln Uploadfilter in Stein
Nach monatelangem Tauziehen steht fest: Die Europäische Union verpflichtet künftig Webseiten und Apps zum Filtern von Inhalten. Die Freiheit im Internet schwindet damit, fürchten Netzaktivisten. Am Text der Reform ist nicht mehr zu rütteln, die endgültige Abstimmung kommt in wenigen Wochen.
Die Reform des EU-Urheberrechts steht nach monatelangen Verhandlungen vor dem Abschluss. Verhandler in Strassburg einigten sich nach Angaben der EU-Kommission auf einen endgültigen Reformtext. Der gemeinsame Vorschlag von EU-Staaten, Kommission und Parlament schreibt Internetseiten und Apps vor, von Nutzerinnen und Nutzern hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Praktisch allen Plattformen, die Nutzerinhalte hosten, droht damit die Pflicht, Uploadfilter einbauen zu müssen.
Die Reform sollte eigentlich das Urheberrecht fit für das 21. Jahrhundert machen. Doch leider dominierten die Rechte-Inhaber-Lobby und grosse Tech-Firmen den Prozess. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf enthält Vorschläge, die aus Sicht von Vertretern der Zivilgesellschaft und Netzaktivisten eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Internet darstellen.
Uploadfilter und Leistungsschutzrecht
Uploadfilter sind der umstrittenste Teil der Reform: Betreiber von Internetplattformen müssen nach Artikel 13 des Vorschlags jedes von Nutzern hochgeladene Bild, jede Tonaufnahme und jedes Video vor der Veröffentlichung prüfen. Das gilt für Webseiten oder Apps, die von Nutzern erstellte Inhalte anbieten. Erfüllen lässt sich die Verpflichtung nur mit Filtern, die für kleine Anbieter teuer und schwer umsetzbar sind und bei den grossen Plattformen fälschlicherweise Inhalte aus dem Netz fegen.
Der Text nimmt auf Vorschlag von Deutschland und Frankreich lediglich Plattformen aus, die jünger als drei Jahre sind, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen und weniger als 5 Millionen Besucher pro Monat haben. Damit sind selbst viele kleine Unternehmen und Organisationen von der Filterpflicht betroffen, klagte die Piraten-Abgeordnete Julia Reda nach Verkündung der Einigung.
Artikel 11 erweckt mit der Vergütungspflicht selbst auf kurze Anreissertexte einen politischen Zombie zum Leben, das Leistungsschutzrecht. Die Verlagslobby will sich damit einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google mit Werbung neben Links verdient. Die Massnahme nutzt vor allem grossen Verlagshäusern: Einer Berechnung zufolge würden bei Einführung des EU-Leistungsschutzrechts 64 Prozent der Einnahmen in Deutschland allein an den Axel-Springer-Verlag gehen. Google droht indes mit dem Ende von Google News in Europa.
Die Reform bringt freilich auch einige klare Verbesserungen. Künftig ist klar geregelt, dass durch originalgetreue Vervielfältigungen gemeinfreier Werke keine neuen Rechte entstehen. Das erleichtert die Einbindung solcher Werke auf Wikipedia, schrieb die Wikimedia-Stiftung in einem Blogbeitrag. Zudem wird der Zugang zu vergriffenen Werken erleichtert, in dem Verwertungsgesellschaften für die Rechte-Inhaber handeln dürfen.
Netzaktivisten und einige Politiker zeigten sich trotzdem enttäuscht über den verhandelten Text. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken kritisierte die Entscheidung zu verpflichtenden Uploadfiltern. Der Koalitionsvertrag seiner Partei mit der Union habe die Filter noch als unverhältnismässig abgelehnt. Es sei „völlig unverständlich“, warum sich die Regierungsmitglieder von CDU und CSU nicht stärker gegen Filter eingesetzt hätten. Wütende Youtuber liessen als Protest den Hashtag #NieMehrCDU trenden.
Die Reform muss nun noch eine letzte Hürde nehmen: In wenigen Wochen stimmt das Europaparlament über den endgültigen Text ab. Julia Reda und andere Gegner der Uploadfilter drängen auf eine Ablehnung der ganzen Reform. Das ist möglich, allerdings ist die Ablehnung eines von allen drei EU-Institutionen (Rat, Kommision, Parlament) ausverhandelten Textes sehr ungewöhnlich.
Googles Werk und Springers Beitrag
Der Gesetzestext zur Urheberrechtsreform ist Ergebnis jahrelangen Tauziehens. Anstoss für die Reform war ein Vorschlag des damaligen EU-Digitalkommissars Günther Oettinger, einem CDU-Politiker mit guten Kontakten zu Lobbyisten und der Industrie. Schon im Erstentwurf legte die Kommission das klare Ziel fest, die Position der Presseverlage und anderer Rechte-Inhaber zu stärken. Auf zeitgemässe Ideen wie einem Recht auf Remix und grosszügige Ausnahmeregeln für nichtkommerzielle Verwendung von Inhalten verzichteten die Vorschläge hingegen.
Zu den Gegnern der Reformvorschlägen zählen Google und Facebook. Die Internetkonzerne setzen selbst bereits Uploadfilter ein, dennoch warnten sie vor Artikel 13. Strengere Haftungspflichten, wie sie der Paragraph vorsieht, würden Google zwingen, für fast alle Inhalte auf seiner Plattform Lizenzen zu erwerben. Das könnte den Konzern Milliarden kosten.
Im Lobby-Kampf gegen Artikel 13 verbreiteten die Internetkonzerne, insbesondere Google, die Kritikpunkte der Netzaktivisten. Das liess Vorwürfe der Vereinnahmung aufkommen. Dennoch kämpften Gegner der Uploadfilter einen grösstenteils erfolglosen Abwehrkampf.
Schlüsselfigur: CDU-Mann Voss
Die Befürworter der Vorschläge konnten indes auf eine starke Stimme vertrauen: Wichtigster Freund der Rechte-Inhaber im EU-Parlament ist der Abgeordnete Axel Voss. Der CDU-Politiker schrieb als Berichterstatter den Gesetzesvorschlag des Parlaments. Dabei blieb er nahe an Ideen der Musik- und Verlagslobby. Selbst seine Kritik am letzten Ratsvorschlag für den fertigen Text war praktisch Wort für Wort von einem Text des Bertelsmann-Verlages abgekupfert, wie ein Bericht von golem.de aufzeigt. An der harten Haltung von Voss änderten auch zaghafte Einschübe von CSU-Digitalisierungsstaatsministerin Dorothee Bär nichts, die an die Kritik an Uploadfiltern im Koalitionsvertrag erinnerte.
Voss erfüllte einen zentralen Wunsch der Presseverlage: Das Leistungsschutzrecht, auf das Axel-Springer-Verlagschef Mathias Döpfner immer wieder lautstark gedrängt hatte.
Der fertige Text ist das Ergebnis dieses Lobbyings. Das Urheberrecht der Europäischen Union ist nun auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte ganz und gar nach dem Massstab der Rechte-Inhaber gestaltet.
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Der Artikel erschien zuerst auf netzpolitik.org
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Alexander Fanta ist EU-Korrespondent für netzpolitik.org in Brüssel. Er berichtet über Datenschutz, Urheberrecht und alles Digitale. 2017 beschäftigte er sich als Stipendiat am Reuters-Institut für Journalismusforschung in Oxford und bei der NZZ in Zürich mit Projekten zum Roboterjournalismus. Davor arbeitete er für die österreichische Nachrichtenagentur APA.
Absolutistische Freiheits-Ideologie ?
Auch bei DER Freiheit gilt es zu differenzieren und abzuwägen, gegen andere gesellschaftlichen Ideale, wie dem inneren Frieden, Stabilität , A Livable Futur.
Dem fossilen Big Business wird so ein heimtückisches Machtmittel über die Köpfe genommen. Früher gab es national-liberle Parteien, heute das AltRight-Libertarian Lager, finanziert von den gewaltig Kapitalstarken, die im Namen DER Freiheit individuelle Freiheits-Vorstellungen nehmen.