Glosse
Der eigene Name als politisches Programm
«Ich sehe derzeit nicht, dass ein Besserer als ich kommen würde»: Das verkündete Lega-Chef Matteo Salvini am Parteitag vom 21. Dezember 2019 seinen Parteifreunden in Mailand. Der mit einem gesunden Selbstvertrauen ausgestattete Rechtspopulistenführer zog aus der unbescheidenen Analyse seiner eigenen Führungsqualitäten denn auch stracks die logische Konsequenz: Die Lega heisst künftig in ganz Italien «Lega per Salvini Premier». Aus der einst sezessionistischen Lega Nord ist nun eine gesamtitalienische Partei geworden – mit einem unbestrittenen Chef. Zwar hätte ihm, der die Lega innert sechs Jahren von drei auf mittlerweile mehr als 30 Prozent Wähleranteil hochgetrieben hat, niemand den Vorsitz streitig gemacht. Aber sicher ist sicher: Hat man erst einmal den eignen Namen mit der Parteibezeichnung amalgamiert, sind lästige Debatten über Führungsansprüche obsolet.
Von der ÖVP zur «Liste Sebastian Kurz»
Matteo Salvini ist beileibe nicht der einzige, dessen Name politisches Programm ist. Sebastian Kurz hat das schon 2017 vorgemacht. Nachdem das österreichische Polit-Wunderkind den Vorsitzenden der altehrwürdigen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Reinhold Mitterlehner, via Mobbing mehr oder weniger diskret entsorgt hatte, übernahm er die Partei und trat fortan mit der Bezeichnung «Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei (ÖVP)» zu den Wahlen an. Das Kürzel ÖVP dient bloss noch der Traditionspflege, auf der Homepage der Partei trifft man es fast gar nicht mehr an. Der Name Kurz ist Programm. Das muss genügen, denn so richtige Überzeugungen sind ihm fremd. Kurz ist vor allem wendig, geschickt, flexibel und mit einem unbedingten Machtwillen ausgestattet. Und weil er keine Überzeugungen hat, können daran auch keine Koalitionen in die Brüche gehen; dafür sorgte der Bündnispartner gleich selbst. Die FPÖ hat sich skandalbedingt eigenhändig aus dem Spiel genommen. Die nach den Wahlen von Ende September 2019 erstarkte Kurz-Partei spielt nun nach der national-konservativen Phase die leicht progressive Karte und bastelt seit drei Monaten an einer Koalition mit den Grünen.
Vom Gaullismus zum Macronismus?
Namenstechnisch etwas zurückhaltender vorgegangen ist der Franzose Emmanuel Macron. Sozusagen in republikanischer Bescheidenheit trägt seine Bewegung «En Marche!» nur gerade, wenn auch nicht ganz zufällig, die Initialen ihres Gründers: «EM!» (aber bitte mit Ausrufezeichen!). Ähnlich wie bei Kurzens Liste steht nicht die Programmatik, nicht die Richtung im Vordergrund, sondern bloss die Bewegung an sich, das Marschieren, der Imperativ. Viele liessen sich begeistern. Pragmatismus statt Ideologie, lautete die etwas dünne Losung. Immerhin marschierten Tausende von Tür zu Tür und schafften das Wunder: Der Aussenseiter EM wurde Präsident, und seine Bewegung sicherte sich im Parlament eine stabile Mehrheit. Doch mittlerweile hat die Basis kaum mehr etwas zu sagen, aus der gut geschmierten Wahlkampfmaschine ist eine autoritär geführte Partei geworden. Und anstelle der einst hochmotivierten «Marcheurs» marschieren dieser Tage wieder die traditionsreichen Gewerkschaften und legen das Land auch über die Festtage verkehrstechnisch lahm. Mit anderen Worten: Der Lack der Marke «EM!» ist ab.
Ob Macrons «Marcheurs» bei den nächsten Wahlen wieder mit dem gleichen Enthusiasmus dem Marschbefehl ihres Chefs Folge leisten werden, steht noch in den Sternen – und ebenfalls, ob sich Macrons politische Ideen dereinst zu einem Macronismus verdichten lassen. Jedenfalls ist EM noch meilenweit von der historischen Bedeutung eines anderen Franzosen entfernt, dessen Name gleich mehreren französischen Parteien als Leitideologie gedient hat: Charles de Gaulle. Der Gaullismus geistert zwar immer noch durch die französische Politlandschaft, allerdings in stark abgemagerter Form.
Juan und Evita Peron sind unsterblich
Das kann man vom Peronismus wiederum nicht behaupten. Die von Juan Peron in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gegründete Partei ist bis heute in Argentinien eine prägende politische Kraft. In den Präsidentschaftswahlen vom Oktober 2019 setzten sich Alberto Fernandez (Präsident) und Cristina Fernandez de Kirchner (Vizepräsidentin) von der peronistischen Gruppierung «Frente de Todos» durch. Parteigründer Juan Peron geniesst immer noch grosse Strahlkraft, vor allem auch dank seiner zweiten Frau Eva (Evita) Peron, um die sich ein veritabler Personenkult etablierte. Der Komponist Andrew Lloyd Webber schuf aus dem Stoff gar das Musical «Evita», das später mit Madonna in der Hauptrolle verfilmt wurde.
Nur kurzfristige Stars am Polithimmel?
Ganz soweit haben es unsere drei zeitgenössischen Protagonisten mit ihrem Personenkult noch nicht geschafft. Man weiss auch noch nicht so recht, ob Salvini, Macron und Kurz vielleicht doch eher kurzfristige Erscheinungen am Politfirmament sind. Aber von ihrem Sein und Wirken im Hier und Jetzt sind sie dermassen überzeugt, dass wohl alle drei Herren Salvinis Diktum unterschreiben könnten: «Ich sehe derzeit nicht, dass ein Besserer als ich kommen würde».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine