Bürger sollen keine Informationen über Lobbyismus erhalten
In der Schweiz gib es nach wie vor keine griffigen Regeln, die das Terrain von Lobbyisten abstecken. Die Verflechtungen zwischen Interessensgruppen und Mitgliedern des Parlaments bleiben oft im Dunkeln, Politik wird häufg in Hinterzimmern mit Lobbyisten gemacht – Transparenz existiert vordergründig auf dem Papier.
Das zeigt die Vergangenheit: Etwa, als die Kasachstan-Affäre das Land erschütterte, der schwedische Botschafter Per Thöresson massiv für den «Gripen» lobbyierte oder als die «Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik» (AWMP) mit ihrem Lobbying die Vorentwürfe zum Tabakproduktegesetz immer weiter verwässerte. Die Liste ist lang, die Dunkelziffer hoch.
Trotzdem sprechen sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier in regelmässigen Abständen gegen mehr Transparenz in der Schweizer Politik aus.
Transparenz-Initiative soll erneut abgeschwächt werden
Aktuell drückt sich diese ablehnende Haltung im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative «Eine Regelung für transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament» von SP-Nationalrat Didier Berberat aus. Die Initiative verlangt die Einführung einer Akkreditierungs-Pflicht für Lobbyistinnen und Lobbyisten, eine eventuelle Begrenzung der Interessensvertreterinnen und -Vertreter sowie die Einführung eines regelmässig nachgeführten und öffentlich einsehbaren Registers, in das Lobbyistinnen und Lobbyisten jedes Mandat und allfällige Arbeitgeber melden müssten. Weiter verlangt die Initiative, dass Verstösse oder eine Umgehung dieser Regeln sanktioniert werden.
Die Initiative hat bereits einen längeren Weg hinter sich: Vor drei Jahren wurde sie eingereicht, in der Folge schwächte sie die staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) massiv ab. Die Kommission will den Parlamentarierinnen und Parlamentariern nach wie vor gestatten, zwei beliebig verteilbare Zutrittsausweise ins Bundeshaus zu vergeben. Immerhin unterstützte sie das Anliegen, dass Lobbyisten künftig Angaben zu Auftrag und Auftraggebern machen müssen. «Ein Mini-Reförmchen, aber besser als gar keine Erneuerung des anachronistischen Systems», kommentiert «lobbywatch.ch».
«Mini-Reförmchen» soll pulverisiert werden
Obwohl die Ständeratskommission die Reform zum «Mini-Reförmchen» machte, ist von Berberats Transparenz-Initiative inzwischen überhaupt nichts mehr übrig – wenn es nach der staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N) geht. Diese beschloss an ihrer Sitzung vom 24. Mai, auf die Vorlage gar nicht erst einzutreten. Geht es nach ihr, wird die Öffentlichkeit auch in Zukunft nicht – oder nur zufällig und in Bruchstücken – erfahren, welche Interessensvertreter sich Session für Session im nicht-öffentlichen Teil des Bundeshauses aufhalten.
Die Begründung der Nationalratskommission zeigt, was sie von Transparenz hält. Sie sieht schlichtweg «keinen Handlungsbedarf» für vermehrte Transparenz beim Lobbying. Die Vorlage bringe nur «viel Bürokratie und kaum einen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Mitglieder des Parlaments». Es liege in der Verantwortung und im Interesse der Ratsmitglieder, «sich im Gespräch mit Interessensvertretern nach deren Auftraggebern zu erkundigen». Zudem stelle sich die Frage, «was die Bürgerinnen und Bürger mit diesen zusätzlichen Informationen über Mandate von Lobbyisten anfangen können». Ein Akkreditierungs-System für Lobbyisten bringe dem Parlament «höchstens Mehraufwand».
Wie die SPK-N in ihrer Begründung weiter schreibt, sei einzig eine Minderheit in der Kommission der Ansicht gewesen, dass die Bürgerinnen und Bürger Anrecht auf die Information haben, für wen Lobbyistinnen und Lobbyisten im Bundeshaus unterwegs sind.
«Die Vorlage kommt am 18. Juni in den Nationalrat. Er hat die Chance, den Fehlentscheid zu korrigieren und wenigstens der Minimalvariante für transparenteres Lobbying im Bundeshaus zum Durchbruch zu verhelfen», schreibt die Plattform «lobbywatch.ch», die mit der eigenen Petition «Schluss mit dem Lobby-Versteckspiel» die Mitglieder der eidgenössischen Räte dazu auffordert, in Sachen Transparenz endlich vorwärts zu machen.
Intransparentes «Götti-System» soll bestehen bleiben
Unterstützt das Parlament die weitere Abschwächung der Initiative «Eine Regelung für transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament», bleibt das intransparente «Götti-System» erhalten, bei dem jeder Parlamentarier und jede Parlamentarierin zwei Zutrittsberechtigungen an Gäste vergeben kann. Diese «Gäste» müssen sich nur mit Name und Funktion auf einer Liste eintragen. Auch hier gibt es keine Kontrollen, Lobbyisten lassen Tätigkeiten und Mandate offen und verstecken sich hinter dem Begriff «Gast».
Dieses System führt zu einer ansteckenden Nähe zwischen Parlamentsmitgliedern und Lobbyisten. Es sind die einzelnen Politikerinnen und Politiker, die entscheiden, welche Lobbyisten ins Bundeshaus gelassen werden – und welche nicht. Ausschlaggebend ist die persönliche Beziehung.
Basar um Zutrittsberechtigungen
In einer Vernehmlassungsantwort zum «Bundesgesetz über die Bundesversammlung» und die «Regelung für ein transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament» schreibt lobbywatch.ch: «Diese Art der Vergabe von Zutrittsberechtigungen ist demokratiepolitisch höchst fragwürdig, weil vollständig intransparent. Auch wenn bis heute nicht mit Dokumenten belegt, hält sich doch seit Jahren hartnäckig das Gerücht, dass Lobbyisten mitunter für Zutrittsausweise Parlamentariern Geldbeträge anbieten. Mehrfach überliefert ist auch das teils aggressive Buhlen von Lobbyisten bei Parlamentariern um Erhalt eines Zutrittsausweises. Dieser Basar ist einer parlamentarischen Demokratie unwürdig.»
Dazu kommt die Regelung, wonach allen ehemaligen Parlamentarierinnen und Parlamentariern eine lebenslange Zutrittsberechtigung für das Bundeshaus ausgestellt wird. So recherchierte lobbywatch.ch, dass im Jahr 2018 insgesamt 431 Ex-Ratsmitglieder ungehinderten Zugang zum Bundeshaus haben. Sie dürfen sich frei bewegen und müssen ihre Beweggründe nirgends nachweisen. Etliche dieser Ex-Parlamentsmitglieder sind heute Lobbyisten.
Ungenügende Transparenz im Parlament
Manchmal benötigen Verbände und Unternehmen keine Lobbyisten, weil ihre Mitglieder, Geschäftsführer und Verwaltungsräte selber im National- oder Ständerat sitzen. Eigentlich müssten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier diese Interessenbindungen offen legen. Aber niemand kontrolliert die entsprechenden Listen, sie sind unvollständig und Sanktionen gibt es nicht.
Es sind die Plattform «lobbywatch.ch», die diese Verbindungen mit viel Aufwand recherchiert und offen legt. Das Fazit der Organisation: Die Transparenz im Parlament lässt weiterhin zu wünschen übrig. «Nur ein knappes Viertel der Ratsmitglieder legt offen, wie viel sie mit ihren Mandaten verdienen.»
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Weitere Informationen in unserem Dossier Lobbyismus
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist Mitglied bei Lobbywatch.
Wenn nur ein Viertel der Ratsmitglieder ihre Mandate offenlegen, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass drei Viertel bei diesem undemokratischen Schmieren-Theater mitmachen.
Die BürgerInnen sollten für die Zulassung zu jeder demokratischen Wahl von allen Kandidaten fordern, dass sie öffentlich und schriftlich kundtun, dass sie während ihrer gesamten Amtszeit jede Art von bezahltem Lobbyismus strikt ablehnen und melden werden. Alle, die das nicht tun, würden sich bereits am Start disqualifizieren.
Dann hätten wir BürgerInnen die reale Möglichkeit, nur noch aufrichtige Politiker zu wählen.
Ohne volle Transparenz bleiben Vorteilsnahme, Beeinflussung und Absprachen der Mach-Eliten im Dunkeln – Casa Nostra Bundeshaus.
Ich weiss, das ist kein Trost für Schweizer Demokraten, aber in der BRD gibt es auch kein Lobbyisten-Register! Das hat vermutlich dieselben Gründe, die sich mit der Volksweisheit «Geld regiert die Welt» kurz und bündig zusammen fassen lassen!
Ein kleiner Trost für Kritiker dieser Geheimhaltungspraxis könnte sein, dass es im US-Kongress noch viel schlimmer ist. Dort haben soeben über 400 Abgeordnete Präsident TRUMP aufgefordert, in Syrien endlich für Regime Change zu sorgen.
Auf eine derart hirnrissige Idee käme weder im Schweizer noch im Deutschen Parlament eine Mehrheit, weil alle zumindest ahnten, dass das Weltkrieg 3 bedeuten könnte.
Deshalb mein Vorschlag, mit den Politikern die wir haben etwas zufriedener zu sein! Und wenn´s denn sein muss, auf ein Lobby-Register zu verzichten.
Unsere Politiker sollten Sponsoringvesten tragen, damit das Volk weis wem sie gehören.
Viele Politiker beschweren sich, sie bekämen zunehmend Hass-Mails. Auf der anderen Seite arbeiten sie gerne im Dunkeln und lassen sich kaufen. Hängt das nicht zusammen?
In einer Demokratie sollte eigentlich das Oeffentlichkeitsprinzip in allen Bereichen von Politik und Verwaltung selbstverständlich sein. Alles andere ist Scheindemokratie. Aber keine Angst, die Wähler werden nachsichtig sein und bei den nächsten Wahlen alles vergessen haben. Weder der nichtkommunzierte Besuch eines chinesischen Generals, noch Ueli Maurers Teilnahme am Geheimzirkel-Treffen der Bilderberger, werden je ein Thema sein. Andernfalls werden die Medien nachhelfen und schnell ein neues Feindbild finden.
Das ist ja das schöne an der Demokratie, jede Mauschelei ist durch das Stimmvolk legitimiert.
Zu verkaufen: ovale Autoaufkleber mit dem Text
Corruption
Helper
Verständlich dass es ParlamentarierInnen gibt die mehr Transparenz verabscheuen, wer verzichtet schon auf Goodies und Aufmerksamkeiten!
Die Lobbyisten ziehen halt die Fäden ihrer Marionetten gerne in der Dunkelkammer. Hoffentlich veröffentlicht Infosperber den Link zum Abstimmungsprotokoll. Das wäre hilfreich.
Wer bezahlt denn die Lobbyisten und besticht die willigen bürgerlichen Politiker ?
Die Gelder sind dann auch noch steuerlich absetzbar.
Viele CH-Politiker sind z.B. Rechtsanwälte, die stellen dann den kapitalgewaltigen Konzernen Rechnungen für juristische Dienste.