Weltfunkkonferenz: Mediale Funkstille zum 5G
Vier Wochen dauerte die Weltfunkkonferenz WRC-19 (World Radiocommunication Conference 2019) in Sharm el-Sheikh, vom 28. Oktober bis 22. November 2019. Insgesamt 3400 Teilnehmer waren anwesend, neben den staatlichen Vertretungen auch die Lobbyisten der Telekom-Branche.
Die Schweizer Delegation setzte sich aus Fachspezialisten des Bundesamtes für Kommunikation Bakom, Vertretern der Schweizer Armee, von MeteoSchweiz und einem Satellitenbetreiber mit Sitz in der Schweiz zusammen, wie das Bakom auf Anfrage bekannt gab.
Eine der zentralen Weichenstellungen der Konferenz ist der 5G-Standard für den Mobilfunk im Hochfrequenz-Bereich ab 6 Gigahertz (GHz). Dabei geht es um Zukunftsversprechungen wie Augmented-Reality-Anwendungen, Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder selbstfahrende Autos.
Niedrig- und Hochfrequenz-5G: Der Unterschied
In der Schweiz steht im Moment 5G nur im niedrigen Frequenzbereich von 0,7 bis 3,8 GHz zur Verfügung. Anfang Jahr wurden diese Frequenzen versteigert. 5G im Hoch-Frequenzbereich ab 6 GHz ist noch nicht verfügbar. Die Wellenlängen des Hochfrequenz-5G sind viel kürzer als jene im bisherigen niedrigen Frequenzbereich bis 3,8 GHz. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) dringen die hochfrequenten 5G-Wellen (Millimeterwellen) «weniger tief in den Körper ein. Bei der Einwirkung solcher Strahlung auf den Menschen bestehen aber aus wissenschaftlicher Sicht noch Unklarheiten und es besteht hier noch Forschungsbedarf.»
Die Vorbereitungen für die Weltfunkkonferenz dauerten vier Jahre. Eine Vorbereitungskonferenz jagte die andere. Auch die Schweiz mischte an vorderster Front mit, wie Infosperber berichtete (Die 5G-Hochfrequenz-Welle rollt an). Sie stellte nämlich mit Alexandre Kholod den Vize-Präsidenten der einflussreichen Konferenzvorbereitungsgruppe auf europäischer Ebene. Kholod ist gleichzeitig Bakom-Leiter Internationale Frequenzplanung.
Funkstille beim Bakom und in den Medien
Die Weltfunkkonferenz mit ihren weitreichenden Konsequenzen ging vor zwei Wochen zu Ende. Deshalb stellen sich die naheliegenden Fragen: Welche Weichen für das 5G im Hochfrequenz-Bereich wurden gestellt und welche Folgen haben die Beschlüsse der WRC-19 für die Schweiz?
Kaum zu glauben: Auf den Internet-Seiten des Bakom und der Mobilfunkbetreiber herrscht dazu Funkstille. Auch in den Deutschschweizer Medien erschien während und nach der WRC-19 kein einziger Artikel über die Konferenz. Und in den sechs Monaten vor der Konferenz findet man in der Schweizer Mediendatenbank SMD unter dem Stichwort «Weltfunkkonferenz» nur vier Einträge: Zwei Beiträge stammen von Infosperber (hier und hier). Ein weiterer Artikel im «Bündner Tagblatt» bezieht sich auf einen der beiden Infosperber-Artikel und ein SDA-Text ist die Wiedergabe einer Bakom-Medienmitteilung, in der die Teilnahme des Bakom an der Weltfunkkonferenz bekannt gegeben wurde.
Bakom: «Keinen konkreten Bedarf angemeldet»
Um das Informations-Vakuum zu füllen, wollte Infosperber vom Bakom wissen: Welche Beschlüsse in Bezug auf den Mobilfunk wurden an der WRC-19 gefällt?
Dazu das Bakom: «Anlässlich der WRC-19 wurden drei Frequenzbänder im sogenannten Millimeterbereich für die künftige Nutzung durch den Mobilfunk (IMT) identifiziert: 24,25 – 27,5 GHz, 37 – 43,5 GHz und 66 – 71 GHz.»
Und welche konkreten Folgen haben diese Beschlüsse der Weltfunkkonferenz für die Schweiz?
Bakom: «Über die Nutzung dieser Frequenzbänder in der Schweiz müsste der Bundesrat im Rahmen der Genehmigung des Nationalen Frequenzzuweisungsplans (NaFZ) entscheiden. Basierend auf diesem Entscheid könnte die ComCom (Kommunikationskommission; Anm. d. Red.) die Nachfrage am Markt abklären und bei Bedarf die entsprechenden Frequenzen vergeben (z.B. durch eine Auktion). Bis heute haben die Netzbetreiber beim Bakom aber keinen konkreten Bedarf an Millimeterwellen angemeldet.»
Auch die Swisscom hält auf Anfrage fest: «Die Verwendung von Frequenzen im Millimeterbereich in der Schweiz ist noch nicht freigegeben. Der Entscheid, ob und wann diese Frequenzen in der Schweiz eingesetzt werden, liegt bei Bakom/ComCom. Swisscom wird kein Gesuch stellen.»
Das Bakom und die Swisscom lassen sich nicht in die Karten blicken. Man ist zurzeit im Krisenmodus, das heisst mit dem unerwarteten Widerstand gegen das Niederfrequenz-5G beschäftigt. Da würde die Ankündigung des hochfrequenten 5G noch mehr Öl ins Feuer giessen.
Zum Vergleich: Deutschland
Bereits im Juli 2017 veröffentlichte die deutsche Bundesregierung eine «5G-Strategie für Deutschland», in welcher ein konkreter Fahrplan für die Nutzung des 26-GHz-Bandes vorgeschlagen wurde, insbesondere «eine möglichst frühzeitige Nutzbarkeit dieses 5G-Pionierbandes».
Im Herbst 2018 startete die deutsche Bundesnetzagentur eine Anhörung zur Zuteilung der Frequenzen des 26-GHz-Bandes, damit dieses «frühzeitig» und «bedarfsgerecht» bereitgestellt werden könne. Die interessierten Kreise konnten sich bis am 19. Oktober 2018 zu den Vorschlägen der Bundesnetzagentur äussern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Vielen Dank für die Betonung des wichtigen Unterschieds zwischen den herkömmlichen niedrigeren und der neuen höheren Frequenzbändern. Dieser Unterschied wird sowohl bei Befürwortern und Gegnern von 5G zu wenig beachtet und alles in einen Topf geworfen.
Aber auch ohne diesen Unterschied sind Verwirrung und Angst auf beiden Seiten gross und irrational. Die Befürworter befürchten eine «Rückschlag von bis zu 30 Jahren» ohne eine Erhöhung der Grenzwerte, obwohl die heutigen in den meisten Orten nur zu wenigen Prozent ausgereizt sind, wie ich selber gemessen haben. Die Gegner befürchten gesundheitliche Schäden, obwohl die Risiken verschwindend klein sind gegenüber den existierenden Risiken durch Autos, Landwirtschaft und Chemie, welche Gesundheitsbewusste prioritär bekämpfen sollten. Wenig bekannt ist auch, dass die Grenzwerte der Handies selbst (SAR-Werte) eine lokal um sehr viele Grössenordnungen höhere Strahlung erlaubt als es diejenige der Sender und das eigene Smartphone oder das des Nachbarn (ÖV!) gerade bei schlechter Verbindung zum Sender extrem viel stärker strahlen kann.
Es sollte also eher der überbordende Gebrauch von Smartphones bekämpft werden, v.a. das mobile Streamen von HD-Videos. Und wenn weniger konsumiert wird, werden auch weniger Sender gebaut.
Und Angst vor 5G muss man weniger wegen der Strahlung haben, sondern wegen den indirekten Auswirkungen, hier einige davon sehr schön beschrieben:
https://www.woz.ch/1949/mobilfunk/mit-5g-gegen-das-klima
Grosses Kompliment an Herrn Kurt Marti für seinen Bericht und die überaus wichtigen Nachforschungen. Die verdächtige Informationsabstinenz von Bakom, Mobilfunkbetreibern und den von diesen abhängigen Medien erschreckt ausserordentlich. Was wollen die geheim halten? Was darf nicht ans Licht kommen? … Zum Glück gibt es die «Mobilfunkhaftungsinitiative» und die Volksinitiative «Für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk». Wer diese unterschreibt, kann noch etwas bewirken.