Keine kritischen Fragen: SF Sprachrohr der Swiss
Die Lufthansa-Tochter «Swiss» sei «die Perle im Lufthansa-Konzern», eine regelrechte «Cash Cow», ein «Goldesel im Lufthansa-Konzern». Fast drei Minuten lang diente die Tagesschau vom 30. Juli 2015 als Sprachrohr der Fluggesellschaft. Swiss-Kommunikationschef Daniel Bärlocher kam gleich zweimal zu Wort. Aviatik-Journalist Patrick Huber durfte sogar den Unsinn verbreiten, dass «ein Swiss-Mitarbeiter so viel arbeitet wie drei Lufthansa Mitarbeiter», was, wenn auch nicht genau, doch «in der Tendenz ungefähr stimmen dürfte».
Keine Nachfrage und schon gar keine simple Recherche der Tagesschau nach den tatsächlichen Zahlen der Arbeitsproduktivität (Umsätze geteilt durch die Zahl der jeweiligen Vollzeitstellen).
Gewinne verschoben, um Steuern zu sparen
Die Umsätze der Lufthansa seien viermal so gross wie diejenigen der Swiss gewesen und trotzdem habe die Swiss mehr Gewinn erwirtschaftet, verbreite die Tagesschau voll hörbarer Bewunderung.
Warum bereiteten solche Zahlen keine Skepsis? Schliesslich muss auch der Tagesschau bekannt sein, dass sich mehr als die Hälfte des weltweiten Handels zwischen Unternehmenseinheiten des gleichen Konzerns abspielen. Die gegenseitig verrechneten Kosten legen die Konzerne innerhalb eines breiten Ermessensspielraums so fest, dass die Gewinne im steuergünstigsten Land anfallen. Insgesamt sparen sie mit diesen Tricks Milliarden an Steuern. «Die Steuervermeidung über Verrechnungspreise (Transfer Pricing) ist bei den Unternehmen eine der beliebtesten Steuerver- meidungsmethoden», stellt «oekom research» fest.
Warum nur stellte die Tagesschau nicht die Frage, wie hoch die Lufthansa Gewinne in Deutschland versteuern muss und wie hoch in der Schweiz? Dann hätten sich wohl weitere Fragen aufgedrängt.
Die Leitung der Swiss und die Flotte der Swiss beziehen zahlreiche Dienstleistungen von der Lufthansa in Deutschland. Laut Insidern werden einige davon überhaupt nicht in Rechnung gestellt und andere unter den tatsächlichen Kosten.
So ist es leicht möglich, dass ein weit überproportionaler Teil der Konzerngewinne in der steuergünstigen Schweiz anfällt.
Der Konzernsprecher wird dies nicht zum Thema machen, wenn er nicht hartnäckig danach gefragt wird. Er wird die Swiss vielmehr über den grünen Klee loben, die hervorragenden Leistungen rühmen und damit vom Steuertrick ablenken.
Statt zu recherchieren oder wenigstens gezielte Fragen zu stellen, lässt sich die Tagesschau als Sprachrohr des Konzern benutzen. Sie freute sich zudem offensichtlich, das Überlegenheitsgefühl der Schweizerinnen und Schweizer zu bestärken.
Der bevorstehende Nationalfeiertag ist ein mildernder Umstand.
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NACHTRAG
Den Zeitungen (mit Ausnahme der NZZ) waren die von der Tagesschau hoch gespielten Halbjahres-Zahlen der Swiss keine oder nicht viele Zeilen wert.
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Siehe auch
«Die SRF-Tagesschau macht die 100%ige Lufthansa-Tochter Swiss zur ‹Schweizer Airline›. Warum nicht Porsche, Lidl oder Coca-Cola?» vom 16.1.2014
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Danke! upg ist der letzte Schweizer Wirtschaftsjournalist, der diesen Ehrentitel verdient.