Wie Redaktionen freien Journalismus ausschalten
Red. Beim folgenden Artikel handelt es sich um einen aktualisierten und ergänzten Text, den Hanspeter Guggenbühl im Mai im Auftrag des Magazins «Schweizer Journalist» (SJ) verfasst hat, wo er zuerst erschienen ist.
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Die höchste Weihe erfuhren selbständig erwerbende Medienschaffende 1980 in der «Thurgauer Zeitung» (TZ): Unter dem Titel «Das können nur grosse regionale Tageszeitungen bieten» präsentierte das Ostschweizer Provinzblatt in ganzseitigen Eigeninseraten die Portraits von 19 freien Journalistinnen und Journalisten plus das Bild des einzigen angestellten Inlandredaktors. Daneben stand im Werbetext: «Während früher auch der Inlandteil der TZ vorwiegend mit Agenturstoff alimentiert war, schreiben heute 19 hochqualifizierte Journalisten aus der ganzen Schweiz regelmässig in diesem Inlandteil. Sämtliche Spezialgebiete sind durch Fachleute abgedeckt. Nur ein so gestalteter Inlandteil bürgt für jene Qualität, die der Leser von einer guten Regionalzeitung erwarten darf.»
Nun war es selbstverständlich nicht so, dass die «19 Hochqualifizierten» ihre Qualitäten allein der «Thurgauer Zeitung» anboten, geschweige denn von deren Honoraren in der Höhe von 15 bis 90 Franken pro Artikel leben konnten. Die hochgelobten Freien arbeiteten damals für einen Pool, bestehend aus mehreren Tageszeitungen. Viele richteten ihre Produktion auf die Grösseren aus, etwa auf die «Nationalzeitung» und später die «Basler Zeitung», den Berner «Bund» oder die «Luzerner Neuste Nachrichten», deren Honorarbudgets etwas üppiger ausgestattet waren.
Freie konnte den gleichen Artikel an mehrere Zeitungen verkaufen, weil sich deren Leserschaft kaum überschnitt. Ökonomisch kam das Pool-System beiden Seiten entgegen. Die Redaktionen sparten Geld, weil sie den Freien nur einen Teil ihres Arbeitsaufwandes vergüten mussten. Die Freien erzielten mit dem mehrfachen Abdruck ein Honorar, das ihnen erlaubte, die Kosten von arbeitsintensiven Recherchen zu decken. Zudem konnten sie ohne wirtschaftliches Klumpenrisiko unabhängig arbeiten.
Die Unabhängigkeit gefiel allerdings nicht allen. Als der FDP-Politiker und Archivar Ernst Cincera die Gesichter und Namen der Hochqualifizierten im TZ-Eigeninserat sah, einige als «Linke auf dem Marsch durch bürgerliche Institute» einstufte und in der Rechtspostille «Abendland» eine «Dokumentation» unter dem Titel «Wie man eine Zeitung unterwandert» veröffentlichte, reagierte der verschreckte Verwaltungsrat mit partiellen Abdruckverboten. Die nicht betroffenen Freien quittierten darauf ihre Mitarbeit ebenfalls. Doch das ist eine andere Geschichte.
Der redaktionelle Pool-Journalismus
Heute könnte – zum Beispiel – die in Graubünden dominierende «Südostschweiz» (SO) ein ähnliches Eigeninserat schalten mit dem Text: «Das können sich nur grosse regionale Tageszeitungen leisten: Diese hochqualifizierten Redaktorinnen (Männer mitgemeint) im Sold von Peter Wanners AZ-Medien AG schreiben auch für die ‹Südostschweiz›.» Darunter dürfte die SO die Köpfe von Anna Wanner, Doris Kleck, Henry Habegger und andern abbilden. Oder: Das «St.Galler Tagblatt» würbe unter dem Portrait von Antonio Fumagalli: «Dieser gescheite Bundeshausredaktor im Sold der «Aargauer Zeitung» berichtet jetzt auch für die NZZ-Regionalzeitungen über die Westschweiz.» Zum Verbund der NZZ-Regionalzeitungen gehören das «St.Galler Tagblatt» und die «Luzerner Zeitung» mit all ihren Kopfblättern in der Ost- und Zentralschweiz.
Oder: Die «Basler Zeitung» (BaZ) hätte im letzten Winterhalbjahr schreiben können: «Diese Zürcher Wirtschaftsredaktoren (Frauen mitgemeint) im Sold der Tamedia AG schreiben nicht nur für den Zürcher ‹Tages-Anzeiger› und den Berner ‹Bund›, sondern neuerdings auch für die ‹Basler Zeitung›.» Darunter wären Fotos von Rita Flubacher, Franziska Kohler, Stefan Eiselin, etc. erschienen. Allerdings haben Tamedia und BaZ diesen «testweisen» Artikelaustausch inzwischen wieder eingestellt (siehe dazu das Interview mit TA-Mediensprecher Christoph Zimmer am Schluss dieses Artikels).
Im Gegensatz zu andern Reklamen enthalten obige Anpreisungen nichts als die Wahrheit. Eine Einbusse gegenüber den Freischaffenden, die vor 37 Jahren für die «Thurgauer Zeitung» schrieben, müssen die neuen Pool-Redaktorinnen und Pool-Redaktoren freilich in Kauf nehmen. Ein zusätzliches Honorar für ihre Artikel, die ihre Verlage nun mehrfach verwerten, erhalten sie nicht. Der Ertrag aus dem Weiterverkauf oder Austausch von redaktionellen Inhalten kassieren ungeschmälert die Verlage. Sie haben damit die Produktivität ihres schreibenden Personals innerhalb von wenigen Jahren vervielfacht.
Der Wandel vom einstigen freien zum heutigen redaktionellen Pool-Journalismus vollzog sich in Etappen, anfänglich langsam, in den letzten Jahren abrupt. Blenden wir zurück:
Die besten Jahre der Freischaffenden
Von 1970 bis zur Jahrtausendwende erlebte der freie Journalismus seine Blütezeit. Einige Freie arbeiteten allein, andere schlossen sich zu Bürogemeinschaften zusammen, um Synergien zu nutzen. Dazu gehören etwa das Bieler Büro Cortesi, der Zürcher Presseladen oder das Pressebüro Index, wo der Schreibende heute noch den Ladenhüter gibt. Die Freien setzten damals Themen, konnten ihre Artikel breit publizieren und füllten einen grossen Teil der überregionalen Seiten von regional verbreiteten Zeitungen. Politisch erregten freie Mehrfachverwerter auch ausserhalb des Thurgaus zuweilen Anstoss. Doch die meisten mit Personal eher schwach dotierten Redaktionen schätzten die Mitarbeit der Freien und ihre eigenständigen Artikel, zumal sie damals noch über kein regionales Monopol verfügten.
Pool-Journalismus betrieben sowohl Medienschaffende, die sich auf bestimmte Themen spezialisiert hatten, als auch Korrespondentinnen und Korrespondenten aus verschiedenen Landesteilen sowie Hauptstädten im Ausland. Jede grössere regionale Tageszeitung arbeitete bis zum Jahr 2000 regelmässig mit freien Mitarbeitern in der Ost-, West-, Zentralschweiz, im Tessin sowie in den Räumen Bern, Basel und Zürich zusammen; nur die national verbreiteten Blätter NZZ und «Tages-Anzeiger» verfügten über externe Redaktionsmitglieder in andern Landesteilen. In Zürich etwa fanden lange Zeit zwei freie Korrespondenten ihr Auskommen, weil es in fast allen Regionen noch mehrere sich konkurrierende Zeitungen gab. So schrieb etwa der eine Zürcher Korrespondent für die Basler «Nationalzeitung», die «Berner Zeitung» und die «Luzerner Neuste Nachrichten», der andere für die «Basler Nachrichten», den Berner «Bund», das Luzerner «Vaterland» und weitere.
Die Folgen der ersten Fusionswelle
Schon vor dem Jahr 2000 schlossen sich einstige Konkurrenz- zu regionalen Monopolzeitungen zusammen. Den Anfang machte Basel 1978 mit der Fusion von «Nationalzeitung» und «Basler Nachrichten» zur «Basler Zeitung». Es folgten Zusammenschlüsse in Bern und Luzern. In St. Gallen profitierte das freisinnige «Tagblatt» 1997 von der Einstellung des CVP-Organs «Ostschweiz», kaufte dessen Abo-Adressen «für viel Geld», wie der Archivar Raymond Niethammer schreibt, und übernahm auch einige Redaktoren des CVP-Blattes. Zusätzlich ummantelten die neuen regionalen Monopolblätter benachbarte Kantonsblätter. Die einst unabhängige «Thurgauer Zeitung» kam 2010 unter den Mantel des «Winterthurer Landboten» und 2011 unter jenen des «St.Galler Tagblatts». 2014 verlor auch der «Landbote» seinen eigenständigen In-, Ausland- und Wirtschaftsteil; den liefert heute die von der Tamedia geschluckte «Berner Zeitung» nach Winterthur.
Schon in der ersten Fusionswelle verloren freie Pool-Journalisten ihre Auftraggeber. Andere konnten vorübergehend zulegen. Stefan Hotz zum Beispiel arbeitete ab 1988 als freier Zürich- Korrespondent für die «Basler Zeitung» und «Berner Zeitung» und andere. Zehn Jahre später erbte er auch noch den Pool seines Konkurrenten und publizierte fortan seine Artikel in sieben Mantelzeitungen samt angeschlossenen Kopfblättern, bevor er 2006 «gerade noch rechtzeitig» in die Kantonsredaktion der NZZ wechselte. «Alles in allem», erinnert sich Hotz etwas wehmütig, «erlebte ich in den besten Jahren als freier Korrespondent eine ausserordentliche Kombination von beruflicher Freiheit und ökonomischer Sicherheit.»
Ähnliche Erfahrungen machte Peter Knechtli, der ab 1978 als Basler Korrespondent und freier Journalist für einen Pool von einem halben Dutzend Tageszeitungen sowie mehrere Wochenzeitungen schrieb: «Ich war sehr autonom in der Themenbestimmung und erzielte mit meiner Arbeit ein angemessenes Einkommen.» Christophe Büchi, Westschweiz-Korrespondent für Deutschschweizer Medien pflichtet bei: «Die Themen konnte ich weitgehend selbst bestimmen und war freier, als es die meisten Redaktoren heute sind.» Büchi liess sich 2001 als Westschweiz-Korrespondent von der NZZ fest anstellen. Knechtli gründete 1997 die Basler Informationsplattform OnlineReports.ch und quittierte damit seine Korrespondenten-Tätigkeit, «nicht zuletzt», sagt er, «weil die Pool-Zeitungen zunehmend die Arbeitsbedingungen für Freie verschlechterten.»
Machtballung in den Medienverlagen
Die weitere Einverleibung des freien Journalismus unter die Schriftleitung der Redaktionen erfolgte in mehreren Schritten. Ab 2000 forderten die meisten Verlage ihre Redaktionsmitglieder sowie die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, ihnen die Nutzungsrechte an ihren Artikeln abzutreten, damit sie diese multimedial weiterverwerten können. Die damalige Mediengewerkschaft SJU riet den Freien davon ab. Einige Freie folgten dieser Empfehlung und behielten ihre Rechte. Kleinere Verlage akzeptierten dies. Doch wer sich weigerte, seine Nutzungsrechte dem mächtigen Tamedia-Verlag abzutreten, dem erklärten Sitzredaktoren des «Tages-Anzeigers», die mehrheitlich ebenfalls Gewerkschaftsmitglieder waren, sie könnten nun seine Texte im TA leider nicht mehr publizieren.
Ebenfalls ab der Jahrtausendwende begannen Auflagen und Inserate-Einnahmen der Bezahlzeitungen zu schrumpfen, nachdem die Verleger unter dem Druck von Digitalisierung und ausländischer Konkurrenz begonnen hatten, ihr früheres Geschäftsmodell mit Gratiszeitungen und Online-Angeboten selber auszuhöhlen. Sparen war angesagt. «Wenn Du die Wahl hast, entweder das Budget der Freien zu kürzen oder einen Kollegen in der Redaktion zu entlassen, dann wählst Du automatisch das Schicksal, das Dir weniger nah steht», begründete ein leitender Redaktor einmal die Rangfolge der Sparmassnahmen. Während andere Branchen Tätigkeiten vermehrt auslagerten, um Kosten zu sparen, förderten die Redaktionen das Insourcing von sogenannten Kernthemen oder strichen Korrespondentenstellen. Einige Freie nahmen damit Honorareinbussen in Kauf. Andere wechselten in die PR-Branche oder liessen sich von einer Redaktion fest anstellen.
Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 vollzog die Schweizer Medienbranche einen weiteren Konzentrationsschub: Zürcher «Tages-Anzeiger» und Berner «Bund» legten ihre Bundeshaus-Redaktionen zusammen. Das Gleiche taten die «Südostschweiz» und die «Aargauer Zeitung». Gegenwärtig vereinigen auch die NZZ-Regionalmedien «St.Galler Tagblatt» und «Luzerner Zeitung» ihre überregionalen Teile. Unter Schriftleitung des in die Provinz entsandten NZZ-Mannes Pascal Hollenstein entsteht damit eine neue Monopolachse von der Ost- in die Zentralschweiz, unterbrochen nur vom in Zürich dominierenden TA-Media-Verlag.
Monopolachse von der Ost- in die Zentralschweiz: NZZ-Verlag vereinheitlicht die überregionalen Teile der «Luzerner Zeitung» und des «St.Galler Tagblatt».
Verlage steuern Mehrfachverwertung
Der Trend zur überregionalen Einheitskost ist damit nicht abgeschlossen. Wie eingangs erwähnt arbeiten festangestellte Redaktionsmitglieder neuerdings – über ihre Monopolzeitungs-Verbunde hinaus – in Pools wie einst die freien Journalisten. TA-Redaktorinnen und Redaktoren publizieren ihre Artikel gleichzeitig im Berner «Bund» und ermöglichten vorübergehend auch einen Artikel-Austausch mit der «Basler Zeitung» (siehe Interview mit Christoph Zimmer). Die Redaktionen der überregionalen Medienverbünde AZ-Medien/«Südostschweiz» und «St.Galler Tagblatt»/«Luzerner Zeitung» tauschen Artikel ebenfalls untereinander aus. So kann etwa ein Artikel eines St. Galler Stizredaktors gleichzeitig in drei andern regionalen Monopolzeitungen erscheinen. Zum Teil erfolgt diese Mehrfachverwertung im Tauschhandel, zum Teil gegen Honorar.
Als Beispiel Antonio Fumagalli. Er ist Mitglied der gemeinsamen Bundeshausredaktion, die den Grossteil der Inlandteile der «Aargauer Zeitung» (AZ) und «Südostschweiz» (SO) samt ihren Kopfblättern füllt. Seit Februar 2017 ist Fumagalli mit einem kleineren Arbeitsanteil zusätzlich Westschweiz-Korrespondent. Die Artikel, die er aus Bern über die Westschweiz schreibt, erscheinen aber nicht nur im SO/AZ-Medienverbund, sondern auch in der «Luzerner Zeitung» und im «St.Galler Tagblatt». Davon profitiert sein Arbeitgeber, die AZ-Medien, denn, sagt Fumagalli: «An meinem Arbeitsaufwand und meinem Lohn hat sich nichts geändert. Aber meine Artikel haben jetzt eine viel grössere Verbreitung.» Für ihn persönlich sei das in Ordnung. Er erkenne aber auch die medienpolitisch problematischen Aspekte der neuen Zusammenarbeit, räumt Fumagalli ein, denn: «Als Bundeshausredaktor mit Sitz in Bern kann ich natürlich einen Vollzeit und in der Westschweiz arbeitenden Korrespondenten nur sehr bedingt ersetzen.»
Ersetzen vielleicht nicht, aber einsparen. Im einstigen freien Indianerland blieben heute nur wenige Reservate. Einer der letzten Mohikaner ist Gerhard Lob, der als Freier aus dem Tessin für Deutschschweizer Zeitungen schreibt und vorübergehend Abnehmer gewann, weil andere ihren Dienst quittierten oder die Redaktionen ihre bisherige Korrespondenten-Posten im Tessin aufhoben. Doch auch Lob mag nicht rühmen. Während die Zeitungen ihre Bundeshausredaktionen durch Verbünde ausbauten, sei die Nachfrage nach Berichten aus fernen Landesteilen und damit aus dem Tessin ebenfalls gesunken. Von der Korrespondententätigkeit allein könne auch er nicht leben, sagt Lob, der daneben für Radio SRF, die deutschsprachige «Tessiner Zeitung» sowie als Übersetzer arbeitet.
Und wo liegt das Problem?
Die redaktionellen Medienverbünde haben heute das Geschäftsmodell des freien Pool-Journalismus weitgehend übernommen und ersetzt. Wo aber liegt das medienpolitische Problem? Damit wird der Einheitsbrei, den Freierwerbende mit fünf Abnehmerzeitungen ebenfalls förderten, bloss durch einen anderen Einheitsbrei ersetzt, mögen die neuen Oberchefredaktoren einwenden, und ihre Untergebenen werden zustimmend nicken. Man kann das so sehen.
Als freier Journalist sieht das der Schreibende standesgemäss anders: Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob ein Journalistin oder ein Journalist an mehrere Auftraggeber oder an nur einem Arbeitgeber gebunden ist. Freie können ihre Themen autonom wählen, sofern sie wollen, selber entscheiden, was sie schreiben und worüber es sich nicht lohnt. Ökonomisch und somit auch weltanschaulich sind sie weniger von einem Verlag abhängig als Lohnschreiber in Redaktionen. Auch weniger berechenbar. Und sie lassen sich in partikulare Interessen eines Verlages nicht so leicht einspannen.
Gegenwärtig gibt es mit NZZ, Tamedia, Ringier, den AZ-Medien und der Somedia in der Schweiz noch fünf grosse Verlage sowie einige kleine. Spätestens wenn die beiden letzten Verlage fusionieren, müssen sich auch die letzten Freischaffenden fest anstellen lassen. Der einst freie Journalist Peter Knechtli sagt: «Ich würde heute keinem jungen Menschen mehr empfehlen, freier Journalist zu werden.»
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Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer (Quelle: YouTube)
«Im Rahmen eines Tests»
Red. Das folgende Interview mit Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer führte Hanspeter Guggenbühl am 11. Mai 2017, Zimmer hat es in der untenstehende Form autorisiert. Ende Mai beendete die Tamedia ihren «testweisen» Artikelaustausch ohne Begründung. Das Magazin «Schweizer Journalist» vermutet, BaZ-Chefredaktor Markus Somm habe die Kooperation aus Spargründen abgebrochen. Die Antworten von Zimmer müssten heute also in Vergangenheitsform gelesen werden.
Hanspeter Guggenbühl: Besitzt die Tamedia die Nutzungsrechte aller festangestellten Mitglieder der Tages-Anzeiger-Redaktion?
Christoph Zimmer: Grundsätzlich ja, die Autorinnen und Autoren verfügen aber natürlich weiterhin über Urheberechte am Text. So dürfen Texte beispielsweise nicht ohne Einwilligung der Autorin oder des Autors verändert werden, soweit dies den Inhalt des Textes tangiert.
Wie sieht die Regelung aus, die es der «Basler Zeitung» erlaubt, Artikel von Mitgliedern der TA-Wirtschaftsredaktion zu übernehmen?
«Basler Zeitung» und «Tages-Anzeiger» haben im vergangenen Herbst vereinbart, sich im Wirtschafts- und Kulturressort im Rahmen eines Tests gegenseitig die Möglichkeit einzuräumen, Artikel auszutauschen. Die Entscheidung, welche Artikel im Rahmen des Tests übernommen werden, liegt bei den jeweiligen Ressort- oder Tagesleitern.
Wie wird das entschädigt?
Die Nutzung von Artikeln innerhalb redaktioneller Kooperationen ist in sämtlichen Arbeitsverträgen geregelt und direkt abgegolten. Voraussetzung ist, dass die Übernahme ohne wesentliche Anpassungen erfolgt und im Vorfeld über redaktionelle Kooperationen informiert wird.
Die Redaktionsmitglieder erhalten also über ihren Arbeitslohn hinaus keine zusätzliche Entschädigung?
Nein, die Nutzung durch interne und externe Kooperationspartner ist wie erwähnt abgegolten.
Weshalb ermöglichen Sie diese Weiterverwertung? Um Geld zu verdienen? Um die wertvollen Gedanken von TA-Redaktorinnen möglichst weit zu verbreiten? Oder damit Basler nicht auch noch den TA abonnieren müssen?
Falls der Test längerfristig weitergeführt wird, könnten die Leser von einer Vor-Ort-Berichterstattung über den Banken- und Finanzplatz Zürich sowie den Pharma- und Bankenplatz Basel profitieren. Über die Weiterführung wird in den kommenden Monaten entschieden.
Gibt es neben dem überregionalen Verbund «Tages Anzeiger»/«Der Bund», dem Online-Verbund Newsnet und dem Artikelaustausch mit der BaZ noch weitere Mehrfach-Verwertungen?
Wie wir Ende 2016 ankündigten, besteht ein längerfristiger Artikelaustausch in beide Richtungen auch zwischen «Tages-Anzeiger» und «Süddeutscher Zeitung». Das Beispiel der Kooperation mit der «Süddeutschen» zeigt gut, welche Vorteile solche Kooperationen haben können: Gemeinsam können sich die beiden Zeitungen eines der grössten Korrespondentennetzwerke im deutschen Sprachraum leisten. Alleine wäre das nie möglich.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Hanspeter Guggenbühl ist freier Journalist und damit Betroffener der redaktionellen Pool-Bildung.
Wie Hanspeter Guggenbühl schreibt, «bilden Redaktionen Artikel-Pools und verdrängen den freien Journalismus. Wenige Verlage bestimmen damit das Informations-Menu.» Alternative Medien, die es zum Glück auch noch gibt, stimmen nicht immer in den Chor der «Wahrheit» die Regierungen verbreiten, zum Beispiel als zum Krieg gegen Afghanistan oder gegen den Irak geblasen wurde. Unüberprüft wurde von den Massenmedien geglaubt, Osama Bin Laden mit seinen 19 mit Teppichmessern Bewaffneten stehe hinter den Attacken vom 11. September 2001 in den USA. 2003 rechtfertigten die Medien mit den Politikern in den USA, und auch in der Schweiz, den Krieg gegen den Irak.
Alternative Medien kratzen an den «Wahrheiten» die Regierungen verbreiten. Facebook will auf Druck der Politik zukünftig Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen und gegebenenfalls deren »Sichtbarkeit reduzieren». Die Internetplattform Telepolis stellte dazu die Frage: «Entsteht nun ein privates Wahrheitsministerium? »
https://www.heise.de/tp/features/Facebook-Fake-News-und-die-Privatisierung-der-Zensur-3599878.html
Die kanadische Internetplattform Global Research thematisierte die Zensurmassnahmen der Google Suchmaschine: Google änderte nämlich die Such-Algorithmen, so dass Websites mit minderwertigen Inhalten, «Fakes News, Verschwörungstheorien» usw. bei der Suche im Netz automatisch zurückgesetzt werden.
Google Turning into Censorship Engine
http://www.globalresearch.ca/google-turning-into-censorship-engine/5602691