«Bankverkäufer» wie «Migrosverkäufer» beim Namen nennen!
Bank«berater» verkaufen ihren Kundinnen und Kunden vorzugsweise Fonds und Finanzprodukte ihrer eigenen Bank, sowie vorzugsweise solche Bankprodukte, mit denen die Bank am meisten verdient. Dabei nützen die Bankveräufer ihren Informationsvorsprung in vielen Fällen schamlos aus. Deshalb verlangte die Linke im Parlament, dass «Berater»-Gespräche protokolliert werden müssen, damit Kundinnen und Kunden gegen den «Berater» vorgehen können, wenn sich herausstellt, dass er ihnen Wertpapiere untergejubelt hat, ohne sie über Risiken und Kosten richtig informiert zu haben. Die Beweislast liegt bei den Käufern.
Doch SVP und FDP verwässerten das vom Bundesrat vorgeschlagene Finanzdienstleistungsgesetz so stark, dass der «Beobachter» titelte: «Anleger sollten per Gesetz mehr Rechte erhalten – so hatte es der Bundesrat geplant. Beschlossen hat das Parlament ein Gesetz, das die Rechte der Anleger sogar noch beschneidet.» Ein Bank«berater» muss einem Kunden seit Anfang 2020 in gewissen Fällen neu lediglich ein «Basisinformationsblatt» aushändigen.
Medien übernehmen das Wording der Banken und Versicherungen
Klar, dass Banken und auch Versicherungen ihre Verkäuferinnen und Verkäufer gerne als «Beraterinnen» und «Berater» bezeichnen, möglichst mit dem Zusatz «im Dienste der Kunden». Es gibt jedoch keinen Grund, weshalb Medien nicht die zutreffenden Begriffe «Verkäuferin» und «Verkäufer» verwenden. Zwischen einem Verkäufer im Globus, im MediaMarkt oder in der Migros und den Verkäufern von Bankprodukten besteht kein Unterschied: Sie sind alle von ihren Unternehmen angestellt und sollen für ihre Unternehmen möglichst viele Geschäfte abschliessen. Manchmal erhalten Sie Boni, wenn sie für die Unternehmen besonders ertragsreiche Produkte verkaufen.
Zuweilen kommt der Einwand, die Bankberater würden ja nicht eine Bank verkaufen. Doch auch die Migros-Verkäuferinnen verkaufen nicht die Migros. Richtige wären in beiden Fällen «Verkäufer bei der Migros» und «Verkäufer bei der UBS».
An der Rolle der «Verkäufer» ändert sich auch kaum etwas, wenn eine Bank die «Beratung» kostenpflichtig macht. Das zeigt das von der «Sonntags-Zeitung» aufgegriffene Beispiel der UBS. Im Kleingedruckten der Geschäfts- und Depotbedingungen heisst es, dass in den Beratungen «UBS-Finanzinstrumente bevorzugt ausgewählt oder empfohlen werden», sofern deren Eigenschaften mit denen von Drittanbietern «vergleichbar» sind. Irgendwie «vergleichbar» sei ja ziemlich alles, erkärte Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht, in der «Sonntags-Zeitung».
Doch trotz der Erkenntnis «Die Mär vom neutralen UBS-Berater» übernimmt auch die «Sonntags-Zeitung» wie praktisch alle Medien unbedarft die von Banken und Versicherungen vorgegebene Wortwahl «Berater» und trägt damit zur Täuschung der Bankkundinnen und -kunden bei.
Nützliche Übersetzungshilfen für Bankkunden
«Anlageberater sind reine Verkäufer und handeln nicht im Sinne der Kunden. Ihr Einkommen hängt von Verkaufsvorgaben der Bank ab.» Das schrieb René Zeyer, längjähriger Kommunikationsberater der Finanzbranche, in seinem Buch «Cash oder Crash – Abzocker durchschauen». Im Hinblick auf Verkaufsgespräche bot Zeyer schon vor acht Jahren eine ganze Palette von Übersetzungshilfen an, die wir der Leserschaft von Infosperber schon damals weitergaben:
«Ich habe hier eine persönliche Empfehlung speziell für Sie.»Ich muss dieses Produkt allen meinen Kunden verkaufen.
«Ich sehe hier grosses Potenzial.»Ich sehe überhaupt nichts, aber unsere Analysten behaupten das.
«Die Börse ist ja etwas volatil.»Ich habe keine Ahnung, wo die Reise hingeht.
«Blue Chips sind immer ein sicherer Wert.»Ich muss auch an die Courtage denken.
«Wir haben den Markt geschlagen.»Die Rendite ist jämmerlich, aber wenigstens knapp über dem Durchschnitt.
«Wir sollten Ihre Anlage optimieren.»Ich muss durch Umschichten auf die mir vorgegeben Gebühren kommen.
«Buchverluste fallen ja erst an, wenn sie realisiert werden.»Ihr Depot ist in tiefroten Zahlen.
«Wir sind so für die Zukunft gut aufgestellt.»Reden wir nicht von vergangenen Verlusten.
«Ich berate nur, die Entscheidung müssen Sie treffen.»Ich lehne jede Verantwortung oder Haftung ab.
«Aus heutiger Sicht mag das so sein, aber damals war die Entscheidung richtig.»Ich habe völlig danebengehauen.
«Wir sollten in die Zukunft schauen.»Die Verluste waren grauenhaft.
«Die Bruttorendite kann sich sehen lassen.»Ihre Nettorendite liegt bei null, aber wenigstens habe ich Gebühren verdient.
«Ich lasse da gerne alle nötigen Unterlagen zusammenstellen.»Mein Assistent steckt ein paar Broschüren in einen Briefumschlag.
«Haben Sie schon einmal an eine aktive Bewirtschaftung Ihres Vermögens gedacht?»Unsere Fondsmanager brauchen neues Spielgeld, damit wir ihre Gehälter zahlen können.
«Wir sollten das Ganze mal objektiv und nüchtern betrachten.»Hören Sie endlich auf, mich anzujammern.
«Ein Wechsel zu einem anderen Vermögensverwalter ist ja mit hohen Transaktionskosten verbunden.»Wenn Sie meinen, Sie könnten mich einfach loswerden, haben Sie sich aber schwer getäuscht.
«Sie haben mit Ihrer Unterschrift bestätigt, dass Sie die Risikoaufklärung gelesen und verstanden haben.»Wenn Sie es so haben wollen, dann muss ich Sie halt auf das Kleingedruckte aufmerksam machen.
«Ich persönlich verurteile auch, dass es zu vereinzelten Bonus-Exzessen kam.»Ich bedaure zutiefst, dass ich nicht selbst an die grossen Fleischtöpfe kam.
«Sie können mich jederzeit anrufen.»Bloss nicht.
«Ich habe jetzt ein wichtiges Finanz-Update.»Ihre Zeit ist abgelaufen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Diese Feststellungen sind so richtig wie logisch. Eigentlich ist der Sachverhalt ja völlig klar. Warum sollte eine Angestellter einer Firma mir etwas vorschlagen, das nicht im Interesse seines Arbeitgebers ist? Mir ist es ein Rätsel, warum so viele Leute immer noch auf die «Ratschläge» von Bankverkäufern hören. Ich bin deshalb schon seit rund 20 Jahren beim VZ. Da ist die Beratung unabhängig.
Ja, Sie haben völlig recht! Zwei Dinge ärgern hier wirklich: Abbau der Kundenrechte und schlechter Journalismus. Es wird so wohl nicht so schnell ändern, dass die Medien, die man heute mit Grund durchaus etwas abschätzig Mainstreammedien nennen kann, sich zur neutralen und sachlichen Berichterstattung und dem recherchierenden Journalismus bekennen. Zu vielfältig sind sie heute mit der Privatwirtschaft verbandelt. Als letztes Beispiel kann hier der Einstieg der Mobiliar bei Ringier genannt werden. – Soll man wirklich denken, dass in Zukunft von Blick&Co., wenn es angebracht wäre, kritisch über den Eigner berichtet wird? Eher wohl nicht.
Das Medienwesen in der Schweiz liegt im Argen. Die Onlineportale sind gefüllt mit Inhalten, die viel mehr der Unterhaltung dienen, als der Information. Man ist ja heute Medienkonzern und tanzt auf viele Hochzeiten. Man verkauft z.B. Tickets zu Konzerten, über die man dann selber berichtet (vorher und nachher). Die Platzierung von sogenannten Publireportagen im Stil von redaktionellen Beiträgen verwässert die Grenzen zur Werbung. – Und dann eben auch dieses Wording, dass Verkäufer Berater nennt.
Medien, die nicht unabhängig sind, können nicht frei informieren. Sie verlieren, oder haben sie schon verloren, die Basis für den guten Journalismus. Und der/die Leser/in merkt das, die Abozahlen sinken dramatisch. Schuld daran soll aber (nur) die Digitalisierung sein. Aber vielleicht nimmt man sie auch einfach nicht mehr so ernst.
Im Prinzip wäre es einfach. Den Berater fragen ob er/sie denn dem Kunden einen Blick in sein Portfolio gewähren würde. Schliesslich wird dem Kunden für die «Anlageberatung» eine Gebühr verrechnet und bisweilen auch Gewinnbeteiligung.
Menschen könnten ja auch mal auf die Idee kommen über eine Verlustbeteiligung der Bank nachzudenken. Z.B. Rückerstattung der Gebühren bei schlechter Performance 😉