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50'000 Zuschauende verfolgten am 3. März das Pokalspiel FC Bayern München gegen Schalke 04 © DFB

Viele Virenspezialisten halten Stadionverbote für übertrieben

Urs P. Gasche /  In Deutschland wird in vollen Stadien gespielt. In der Schweiz dürfen Fussball- und Hockeyspiele nur vor leeren Rängen stattfinden.

Angesichts der sehr wenigen Krankheitsfälle halten «die meisten Virologen und andere Wissenschaftler» in Deutschland die «Wahrscheinlichkeit für gering, dass sich das Coronavirus auf einer Grossveranstaltung munter verbreitet». Das berichtet die NZZ am 4. März aus München. In Deutschland würden vor allem Veranstaltungen wie Messen abgesagt, an denen viele Besucherinnen und Besucher aus China, Südkorea, Japan, Iran oder Italien erwartet würden.

Der Autosalon in Genf wäre deshalb wohl auch in Deutschland verboten worden, nicht aber der Besuch von Fussball- oder Hockeyspielen, wahrscheinlich auch nicht die Basler Fasnacht. «Wir können in den nächsten zwei Jahren aufgrund eines Erregers nicht alle Versammlungen absagen», erklärt Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, in einem Interview mit Steingarts «Morning Briefing».

Verbreitung nicht zu stoppen – Sterblichkeitsrisiko vergleichsweise gering

International sind sich Virusspezialisten einig, dass man die Verbreitung des Covid-19, wie das Coronavirus von der WHO genannt wird, nicht verhindern sondern nur verlangsamen kann. Denn ein Rückverfolgen aller Kontaktpersonen eines Angesteckten und dann wiederum das Rückverfolgen der Kontakte dieser Kontaktpersonen, ist unterdessen ein Ding der Unmöglichkeit.
Kommt dazu, dass nach heutigem Wissen auch Virus-Träger, die keine Erkältungssymptome haben, andere mit dem Virus anstecken können.

Versammlungsverbote können deshalb nur einen Zeitgewinn bringen. Die Ausbreitung dauert etwas länger. Doch der Zeitgewinn bringe wenige Vorteile, meint Professor Hendrik Streeck. Denn «wenn man gesund ist, kann man das sehr gut wegstecken». Man rechne mittlerweile mit einer Sterblichkeitsrate von 0,3 bis 0,5 Prozent, was in etwa mit der Sterblichkeitsrate einer normalen Influenza-Grippe zu vergleichen sei. Man solle sich darauf konzentrieren, den wirklich schwer Erkrankten eine optimale Hilfe und Versorgung zu gewährleisten.
Eine weitere Einschätzung stammt von Ian Lipkin, Professor für Epidemiologie an der Columbia’s Mailman School for Public Health. Er arbeitete lange in China und beriet die chinesische Regierung nach dem Ausbruch der SARS-Epidemie. Lipkin zeigt sich überzeugt davon, dass die Sterblichkeitsrate weiter sinken werde. Am Anfang einer Epidemie werde sie meist zu hoch eingeschätzt, u.a. weil längst nicht alle Infizierten erfasst würden und weil das Virus am Anfang stärker sei. Der noch unzureichende Informationsstand lasse Spielraum für Spekulationen offen, erklärt Lipkin gegenüber der New York Times.

Die meisten Virologen erwarten, dass das bald wärmere Wetter die Überlebensfähigkeit des Covid-19 gleich wie die Überlebensfähigkeit ähnlicher Viren schwächt und gleichzeitig die Immunkräfte der Körper stärkt.

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Ständig aktualisierte, weltweite Statistik über Krankheits- und Todesfälle infolge des Coronavirus oder Covid-19 (Quelle: John Hopkins University)
HIER
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Selten fehlt ein Vergleich mit den üblichen Influenza-Viren: Nach Angaben des deutschen Robert-Koch-Instituts sterben in Deutschland rund 25’000 vor allem gesundheitlich Geschwächte an Influenza-Viren. Wegen des Covid-19 ist in Deutschland bisher noch kein Todesfall bekannt geworden.

Gegen andere, viel tödlichere Gefahren unternehmen Gesellschaft und Politik wenig: Mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 Stundenkilometer könnte man in Deutschland mindestens 150 Todesfälle und noch viel mehr Schwerverletzte verhindern. Mit einem Totalverbot der Werbung für Tabakprodukte und einer noch höheren Besteuerung dieser Produkte könnte man Tausende von Todesfällen und schwere Lungen- und Krebserkrankungen verhindern. Ebenso mit einer Verringerung der Feinststaub-Belastung in Städten. Dies alles ganz ohne Stadien zu leeren oder Fasnachten zu verbieten.
In seinem «Morning Briefing» meint Gabor Steingart: «Menschliche Sensationsgier und mediale Übertreibungslust haben mit vereinten Kräften eine Psychose herbeigeführt, gegen die das Gegengift der Aufklärung derzeit keine Chancen hat.»

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3 Meinungen

  • am 4.03.2020 um 20:30 Uhr
    Permalink

    Heute sind ca. 90‘000 Fälle von Covid-19 global gemeldet, sowie 3‘000 Todesfälle. Mit 3% ist die Sterberate also etwa zehnmal so hoch wie bei einer ‚normalen‘ Grippe. Es ist wichtig, dass die Übertragungsgeschwindigkeit bis zum Sommer verlangsamt wird. Das Stadien offen gehalten werden erstaunt nicht, da sich in Deutschland offizielle Stellen noch nie in der Geschichte sonderlich um die eigene Bevölkerung noch jene anderer Nationen gekümmert haben. Es wäre ein grosser Fehler, Deutschland als Vorbild zu betrachten.

  • am 4.03.2020 um 20:30 Uhr
    Permalink

    Heute sind ca. 90‘000 Fälle von Covid-19 global gemeldet, sowie 3‘000 Todesfälle. Mit 3% ist die Sterberate also etwa zehnmal so hoch wie bei einer ‚normalen‘ Grippe. Es ist wichtig, dass die Übertragungsgeschwindigkeit bis zum Sommer verlangsamt wird. Das Stadien offen gehalten werden erstaunt nicht, da sich in Deutschland offizielle Stellen noch nie in der Geschichte sonderlich um die eigene Bevölkerung noch jene anderer Nationen gekümmert haben. Es wäre ein grosser Fehler, Deutschland als Vorbild zu betrachten.

  • am 4.03.2020 um 21:40 Uhr
    Permalink

    Bravo und endlich. Damit ist schlicht und einfach alles wichtige zu diesem Virus gesagt. Sollte Pflichtlektüre mindestens für jeden Politiker und BAG Beamten sein, besser für jeden Einwohner der Schweiz!

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